Inschriftenkatalog: Stadt Essen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 81: Stadt Essen (2011)

Nr. 14 Dom, Ostkrypta 1051

Beschreibung

Steintafel mit Reliquienbezeichnung. Sandstein. Die Tafel ist über dem Kapitell des nördlichen Wandpfeilers in die Ostwand eingelassen.1) Die achtzeilige Inschrift steht zwischen schwach eingeritzter doppelter Lineatur, eine dünne Linie rahmt das Schriftfeld. Die Plattenoberfläche und damit auch die Inschrift weisen am Anfang der siebten und durchgehend in der achten Zeile Beschädigungen auf. Die Inschrift wurde mehrfach ausgemalt, zuletzt 1972 nach der Lesung von Karl Joseph Klinkhammer. Dabei wurden die Buchstabenformen übermalt, weswegen eine paläographische Untersuchung nur noch eingeschränkt möglich ist.2) Der bezeichnete Altar war den Heiligen Jacobus dem Älteren und dem Jüngeren geweiht, obwohl keine Reliquien der beiden in der Altarinschrift genannt sind.3) Er wurde Mitte des 18. Jahrhunderts abgebrochen.4)

Maße: H. 40,5 cm; B. 38,3 cm; Bu. 1,7–2,3 cm.

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/1]

  1. IN HAC ARA HA/BENTVR RELIQVIAE / S(AN)C(T)ORV(M) · (CHRISTO)PHORIa) / CYRICIb) · CYRIACIc) / CORNELIId) · CY/PRIANI · PAN/[C]RACII · [N]EREI / [ACHILLEII]e)

Übersetzung:

In diesem Altar befinden sich Reliquien der Heiligen Christophorus, Cyricus, Cyriacus, Cornelius, Cyprian, Pancratius, Nereus, Achilleus.

Kommentar

Zu einem unbekannten Zeitpunkt, anscheinend schon vor Ende des 19. Jahrhunderts, wurden an der Inschrift einige „Korrekturen“ vorgenommen und neue Buchstabenteile eingehauen: In Zeile 4 wurde in CYRICI das zweite C in ein N umgewandelt, in Zeile 5 zwischen R und N ein kleines E eingefügt und das L mit zwei Balken in ein E umgewandelt sowie in Zeile 8 vor dem letzten I noch ein weiteres I eingehauen.5) Diese unsinnigen Veränderungen wurden teilweise mit Spachtelmasse ausgebessert. Es wird versucht, im Editionstext die ursprüngliche Fassung der Inschrift wiederzugeben, der schlechte Erhaltungszustand erschwert aber die Unterscheidung zwischen dem alten Buchstabenbestand und nachträglich hinzugefügten Elementen. Die letzte Zeile ist so abgeblättert, dass es sich bei den Buchstaben nur um nachträglich eingehauene handeln kann.

Die Inschrift ist in Scriptura continua mit sehr unregelmäßigen Buchstabenabständen eingehauen. In der Auflistung der Heiligen wurden innerhalb der Zeilen halbkugelig vertiefte Punkte als Worttrenner eingehauen, die Worttrenner in der ersten Zeile und an den Zeilenenden sind nachträglich aufgemalt und wurden nicht ediert. Die Buchstaben sind mit einer Ausnahme in kapitalen Formen ausgeführt. Nur A wurde sowohl in der spitzen als auch in der unzialen Form verwendet, wobei beide Varianten mit und ohne Mittelbalken gestaltet sind. Als einziger Nexus litterarum wurde bei RELIQVIAE AE mit dem geschwungenen linken Schaft des unzialen A eingehauen, die Übermalung zeigt allerdings kapitales A mit Deckbalken und Sporen. Alle Y sind mit einem Punkt ausgestattet.

Mit Ausnahme von Nereus und Achilleus sind die Festtage der Heiligen in den Essener Kalendarien des 10. Jahrhunderts vermerkt, die Verehrung in Essen ist durch den nachträglichen Eintrag oder den Zusatz „celebrandum“ für Christophorus, Cyricus, Cyriacus und Pancratius belegt. Für Christophorus ist eine Praefatio überliefert, ansonsten sind aus Essen keine liturgischen Texte oder Messen aus dem 10. oder 11. Jahrhundert für die Heiligen dieses Altars bekannt.6) Reliquien von Christophorus, Cyriacus und Pankratius waren auch in Altarsepulchren aus Blei, die im 11. Jahrhundert mit Reliquienbezeichnungen beschriftet wurden, enthalten.7) Der heilige Christophorus bleibt auch in den folgenden Jahrhunderten von besonderer Bedeutung für das Essener Stift. Dies bezeugen die Inschriften auf einer Ende des 13. Jahrhunderts gegossenen Glocke und auf einem Reliquiar aus dem 14. Jahrhundert.8)

Die Erweiterung der Krypta wurde im Auftrag der Äbtissin Theophanu (1039–1058) vorgenommen. Die Weihe erfolgte 1051 durch Theophanus Bruder, den Kölner Erzbischof Hermann II., und ist durch die Weiheinschrift (Nr. 13) über dem Kapitell des zweiten Wandpfeilers von Norden überliefert. Die drei Reliquienbezeichnungen (Nr. 14, 15, 16) und der Weihevermerk stimmen im Schriftspiegel, in der Verwendung vorwiegend kapitaler Buchstaben und im Anbringungsort an einem der Kryptapfeiler überein, weshalb sie in Anlehnung an das Weihedatum der Krypta in das Jahr 1051 datiert werden.

Klaus Lange plädierte dafür, die erweiterte Krypta als von Theophanu initiierten Memorialbau für die Äbtissin Mathilde (um 973–1011) zu sehen, und weist darauf hin, dass auch in der Aschaffenburger Stiftskirche St. Peter und Alexander, in der Mathildes Bruder Otto bestattet ist, Reliquien der Heiligen Nereus und Achilleus im nördlichen Altar enthalten sind.9)

Textkritischer Apparat

  1. Buchstabenbestand in griechischen und lateinischen Buchstaben: XPOPHORI. Kraus vermerkt ein kleines hochgestelltes I zwischen X und P.
  2. CYRINI KDM Essen, Arens.
  3. Nach Kraus wurde Y in Form eines X dargestellt.
  4. L nachträglich zu E umgewandelt, bei späterer Korrektur Balken nur teilweise zugespachtelt.
  5. Sic! Die Oberfläche ist stark beschädigt, die Buchstaben sind nachträglich eingehauen. Edition nach Kraus.

Anmerkungen

  1. An drei weiteren Wandpfeilern an der Ostwand befinden sich vergleichbare Inschriftentafeln, auf zweien sind ebenfalls Reliquienbezeichnungen eingehauen, auf der dritten der Weihevermerk der Krypta. Vgl. Nr. 13, 15, 16.
  2. Conrad, Epigraphik, S. 31, Anm. 7, beklagt 1931 den „bejammernswerten Zustand“ der mit Ölfarbe bemalten Tafeln.
  3. Arens, Liber ordinarius, S. 265. Zum Unterschied zwischen vorhandenen Reliquien und Altar- bzw. Kirchenpatrozinien vgl. Favreau, Épigraphie, S. 609f.; Michaud, Culte, S. 205.
  4. Arens, Liber ordinarius, S. 268.
  5. Klinkhammer, Inschriften, S. 177. KDM Essen, S. 24 (1893) bieten CYRINI; Kraus, Inschriften 2, S. 294, Nr. 640,2 (1894) CYRICI.
  6. Bodarwé, Martyrs, S. 356, 365.
  7. Reliquien des hl. Christophorus in Nr. 17, der hl. Cyriacus und Pancratius in Nr. 34.
  8. Vgl. Nr. 47, 59
  9. Lange, Krypta, S. 176f.

Nachweise

  1. KDM Essen, S. 24.
  2. Kraus, Inschriften 2, S. 294, Nr. 640,2.
  3. Arens, Liber ordinarius, S. 265.
  4. Braun, Altar 1, S. 723.
  5. Zimmermann, Münster, S. 250.
  6. Klinkhammer, Inschriften, S. 178, mit Abb. 2, S. 190, und Übersetzung.
  7. Funken, Bauinschriften, S. 88, Nr. 8,1.
  8. ders., Anmerkungen, S. 333, mit Abb. 4.
  9. Bodarwé, Martyrs, S. 365.
  10. Lange, Krypta, S. 162.
  11. Bodarwé, Sanctimoniales, S. 203.

Zitierhinweis:
DI 81, Stadt Essen, Nr. 14 (Sonja Hermann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di081d007k0001404.