Inschriftenkatalog: Enzkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 22: Inschriften Enzkreis (1983)

Nr. 209† Maulbronn, Herrenhaus vor 1553(?)

Beschreibung

Glasfenster (in der Kapelle des Herrenhauses?). Die Nachricht über die Existenz von Glasgemälden in der ‚Hofkanzleikammer‘ des Klosters Maulbronn ist nur in den Aufzeichnungen des Archivars Rüttel von 1625 überliefert1. Den Chronisten des 18. Jahrhunderts ist nichts zu entnehmen, was zur Identifizierung dieser Räumlichkeit helfen könnte, die Fenster selbst waren damals sicher bereits zerstört. Dabei geben die Darstellungen und Texte im Zusammenhang mit der Bezeichnung des Raumes Probleme auf: sie weisen eindeutig auf ihre Bestimmung für einen sakralen Raum hin und müssen noch während der katholischen Zeit des Klosters entstanden sein. Denkbar wäre, daß sie zur Kapelle des Herrenhauses gehörten2. Möglicherweise wurde sie in der evangelischen Zeit profaniert und für Zwecke der Verwaltung genutzt. Eine eindeutige Klärung ist nicht möglich. – Nach Rüttel waren drei Fenster an der Nordseite vorhanden, die Glasgemälde trugen.

A. Darstellung des heiligen Jakobus mit Kreuz. Eine vor ihm knieende Adorantenfigur (Stifter?) war zerstört, die Stelle mit weißem Glas ersetzt. Darunter stand die Inschrift:

  1. Aspice me grato pro meque piisime vultu Widero fidas funde Jacobe preces.

Übersetzung:

Blicke mit gütigem Angesicht auf mich, frommer Jakobus, und lasse treue Gebete hören, für mich, den (Stifter) Wider.

B. Darstellung des heiligen Johannes d. T., dahinter ein Schild mit den Buchstaben:

  1. J W

Möglicherweise waren A und B vom selben Stifter (derselben Stifterfamilie? Für J W könnte nach der Darstellung des Heiligen auch Johannes Wider in Frage kommen.) Eine Familie Wider, ursprünglich in Österreich ansässig, ist im 16. und 17. Jahrhundert in Württemberg nachweisbar, kann aber kaum mit den Gemälden in Zusammenhang gebracht werden, weil sie erst nach Mitte des Jahrhunderts zu belegen ist3. Inschrift A ist ein Distichon.

C. Darstellung der Muttergottes mit dem Jesuskind, davor Stifterfigur eines Deutschordenspriesters; hinter ihm Wappenschild, das eine Umschrift zeigte:

  1. Frater Georius de Munderstat ordinis Theutunicorum plebanus in Vehingen.

Über dem Priester ein Spruchband (‚zedel‘) mit der Schrift:

  1. Eram quod sum et vado mori ut vocer.a)

Übersetzung:

Ich war was du bist und gehe sterben, da ich gerufen werde.

Kommentar

Die Person des Georius de Munderstat ist vermutlich personengleich mit Georg von Dachenhausen, 1575–1586 als Komtur zu Münnerstadt bezeugt. Er stammte aus Württemberg4. Wenn er als junger Priester die dem Deutschen Orden inkorporierte Pfarrei in Vaihingen bis zu ihrer Aufhebung 1553 versehen hat, müßte die Stiftung des Maulbronner Fensters in diese Zeit fallen. Befremdlich ist die sprachliche Formulierung des Spruchbandes, da eine Version des Spruches der drei Toten an die drei Lebenden einem Lebenden in den Mund gelegt ist; auch die Anknüpfung des ‚vado mori‘Gedankens ist ungewöhnlich5.

Textkritischer Apparat

  1. sum falsch überliefert statt es?

Anmerkungen

  1. Anhang bei Paulus, Maulbronn 3(1889) 106f.
  2. Dörrenberg, Maulbronn 146f.
  3. Deutsches Geschlechterbuch 110 (1940) 643ff.
  4. Freundliche Mitteilung von Dr. Hartmann-Bechtheim.
  5. Vgl. W. Goez, Die Einstellung zum Tode im Mittelalter, in: Der Grenzbereich zwischen Leben und Tod (Göttingen 1976) 118ff. (Lit.).

Nachweise

  1. Paulus, Maulbronn 3(1889) 106f.

Zitierhinweis:
DI 22, Inschriften Enzkreis, Nr. 209† (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di022h008k0020903.