Inschriftenkatalog: Enzkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 22: Inschriften Enzkreis (1983)

Nr. 100 Tiefenbronn, kath. Pfarrkirche 1469

Beschreibung

Retabel des Hochaltars. Flügelaltar aus Holz. Mittelschrein mit geschnitzten Figuren und bemalter Rückseite, gemalte Predella, gemalte Flügel. Darstellungen: der Schrein ist mehrfach gegliedert, in der Mitte oben Kreuzabnahme, unten Beweinung; rechts und links in tabernakelförmigen Nischen vier Standfiguren. Links oben heilige Katharina, rechts oben heilige Dorothea, links unten Johannes der Täufer, rechts unten Johannes Evangelist. Auf der Rahmung des Mittelteils Engelsfiguren mit Leidenswerkzeugen. Auf den Flügeln innen vier Passionsszenen (Christus vor Pilatus, Kreuztragung, Grablegung, Auferstehung). Auf den Flügeln außen die Kindheitsgeschichte Jesu. Links oben Verkündigung, rechts oben Heimsuchung, links unten Verehrung des Kindes, rechts unten Anbetung der Könige. Auf der Predella Apostelhalbfiguren, Gottvater. Auf der Rückseite des Schreins (in Bildfelder unterteilt) Heilige, Erzengel Michael, der tote Christus, Maria als Schmerzensmutter.

Inschriften: auf den Nimben der Schreinfiguren, gemalt auch die Tabernakelrückwand (A); auf den Fußständern der Pfosten, die den Schrein untergliedern (B); Nimbeninschriften auf den Außenseiten der Flügel, im Bild der Verkündigung Spruchbandinschrift des Engels (C); auf der Rückseite des Schreins im Bildfeld Spruchband des toten Christus (D); unten auf der Schreinrückseite Meisterinschrift (E).

Maße: H. (Schrein) 395, (Flügel) 381, B. (Schrein) 305, (Flügel) 151, Bu. 5–6 (A), 9 (B), 4–5 (C), 4 (D), 9 (E) cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel, Bastard-Kapitalis.

  1. A

    sancta · katherina · viergo SANCTA · THORADEA · VIRGO SANCTVS · IOHANNES · BAPTISTA SANCTVS · IOHANNES · EVANGELISTA

  2. B

    M / CCCC / lxvi / iii

  3. C

    · SANCTA · MARIA · VIRGO A(VE) G(RATIA) P(LENA) D(OMINUS) T(ECUM) SANCTA E[.]SA [.]R [.]BETa) SANCTA · ELLISABETA · SANCTA · MARIA · VIRGO · SANCTA · MARIA · VIRGO · SANCTA · MARIA · VIRGO ·

  4. D

    O sonder min sich anmich. was ich erliten ha[b] durch deich.

  5. E

    Anno domi(ni) MCCCCLX / Xiiii Jare / ward dißi daffel vffgesetz vn(d) gantz / vßgema[lt v]ff sant steffans tag des / bapst vn(d) ist / gemacht ze vlm vo(n) hannße(n) schüchlin mälern.

 
Wappen (aufgelegt auf die Rahmung des Mittelteils):
Württemberg, Baden-Sponheim, Abt Bernhard von Hirsau (?), Gemmingen.

Kommentar

Der Altar ist nachweislich im 19. Jahrhundert restauriert worden. Dabei wurden die Inschriften übergangen. Die Inschriften der Nimben mit dem byzantinischen M (H mit einem ‚Tropfen‘ am Mittelteil) müssen aber weitgehend den alten Bestand wiedergeben, da die Formung der Buchstaben mit Knoten in Schaftmitte, theta-förmiges E und das M der Schriftform früher Renaissance-Kapitalis entsprechen, wie sie etwa 1434 schon für Ulm nachweisbar ist1. Auch die sehr schmalen Buchstaben lassen sich in diese Zeit einordnen. Sichtbar übergangen und kaum den alten Bestand wiederholend ist zumindestens die Datierung auf der Rückseite des Altars, während der Text der Meisterinschrift wohl dem alten Bestand entspricht2. Ebenso scheint die Datierung auf den Fußständern des Schreins neuzeitlich übergangen. Ohne Eingriffe geblieben ist offenbar das Spruchband des Christusbildes auf der Rückseite. Eine sinnlose Buchstabenreihung in Kapitalis zeigt eine Mantelsauminschrift auf der Rückseite der Predella (Kirchenväter, stark übergangen)3.

Die Meisterinschrift bezieht sich offenbar auf die Aufrichtung und damit Vollendung des Altars am Stephanstag (August 2) des Jahres 1469; die Inschrift besagt ausdrücklich, daß der Altar in Ulm angefertigt wurde. Hans Schüchlin erwarb vor 1480 in Ulm das Bürgerrecht und starb 15054. Weitere Werke sind ihm nicht mit Sicherheit zuzuweisen.

Die Wappendarstellungen müssen nicht unbedingt als Stifterwappen zu deuten sein, sondern können sich auch auf die Lehens- bzw. Zehntherrschaft und das Kirchenpatronat beziehen5.

Textkritischer Apparat

  1. Mantelsauminschrift, übergangen und undeutlich.

Anmerkungen

  1. Vgl. Kloos, Epigraphik 155.
  2. Dazu Piccard, Magdalenen-Altar 148 und Tafel 14.
  3. Vgl. W. Arnold, Gemälde-Inschriften, in: Pantheon 34 (1976) 116–120.
  4. F. Haack, Hans Schüchlin (Studien zur Deutschen Kunstgeschichte 62). Straßburg 1905. – Thieme-Becker Bd. 30 (1936) 309f. – A. Stange, Deutsche Malerei der Gotik. Bd. VIII: Schwaben. München-Berlin 1957, 13ff. u. Abb. 26–29.
  5. Im Jahr 1439 hatte Dietrich VII. von Gemmingen seinen Ortsanteil an Tiefenbronn an Markgraf Jakob I. von Baden verkauft, den er 1461 als Lehen zurückerhielt; Württemberg war über Kloster Hirsau Patronatsherr; vgl. Hofmann 50f.

Nachweise

  1. KdmBaden IX 7, 218ff.

Zitierhinweis:
DI 22, Inschriften Enzkreis, Nr. 100 (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di022h008k0010008.