Inschriftenkatalog: Enzkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 22: Inschriften Enzkreis (1983)

Nr. 74 Maulbronn, Kreuzgang 1443

Beschreibung

Grabstein des Abtes Johannes II. von Gelnhausen. Im Ostflügel vor dem Kapitelsaal im Boden eingelassen. Die querrechteckige Platte aus grauem Sandstein ist nur fragmentarisch erhalten, die linke Hälfte fehlt. Die Inschrift läuft quer in 6 Zeilen zwischen den Linien, rechts daneben vertikal eingeritzter Abtsstab, daneben in gleicher Richtung das Todesdatum (nachgetragen?).

Ergänzungen nach Jenisch.

Maße: H. 122, B. 69, Bu. 5,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. [Inclytus orator, ab]bas qu(ando)q(ue) iohannes[olim magnanim]us nu(n)c iacet exanimus [qui de Geilhausen]oriundus, basiliensis [concilii missus ce]pit amore die[unius ad fidei cul]tu(m) reuocare bohemos[cui lux aeterna luce]at in patria. Amen.

    O(biit)  1443  c(ra)stino  cyli(ani)

Übersetzung:

Johannes, der weithin berühmte Verkündiger des Wortes, weiland Abt und hochherzigen Geistes, ruht nun entseelt. Aus Gelnhausen gebürtig, begann er als Gesandter des Baseler Konzils die Böhmen aus Liebe zu Gott zur Übung des einen Glaubens zurückzurufen. Ihm möge das ewige Licht in der Heimat leuchten. Er starb 1443 am Tag nach Kiliani (Juli 9).

Kommentar

Johannes von Gelnhausen war zunächst Karthäusermönch, dann Mönch und Prior der Zisterzienserabtei Stams in Tirol, Mönch in Kloster Ebrach, seit 1431 Mönch und seit 1433 Abt in Maulbronn1. Die Grabinschrift nimmt auf seine hervorragende Tätigkeit beim Baseler Konzil Bezug, das ihn 1431 noch als Mönch zu Verhandlungen mit den Hussiten nach Böhmen entsandte, wo er den Abschluß der Prager Kompaktaten (1433, Nov. 30) in die Wege leitete2. 1438 erteilte ihm Papst Eugen IV. – zweifellos als Anerkennung seiner Verdienste – die bischöflichen Insignien. Johannes von Gelnhausen resignierte Ende 1439 oder Anfang 1440.

Die Inschrift besteht aus 3 Distichen; die zeilenweise Anordnung der Grabschrift kommt mehrfach bei Maulbronner Grabsteinen dieser Zeit vor und nimmt offenbar Rücksicht auf die Versform3. Das Todesdatum ist nicht ganz eindeutig: die letzte Ziffer der Jahreszahl könnte auch eine 5 sein; die folgenden (gekürzten) Worte wurden bisher als esti(vali) culm(ine) verlesen.

Anmerkungen

  1. Cottineau II 1791f. (nach Bruschius). – Vgl. auch Gohl, Diss. I 36ff., 199ff.
  2. Dazu L. Walter, Johann von Geilnhausen, Mönch und Abt von Maulbronn auf dem Konzil zu Basel 1431–34, in: Festgabe … P. Gregor Müller (Bregenz 1926) S. 121–126. – Ferner auch Gohl, Diss. II 117, 132, 133ff.
  3. Vgl. die nr. 33.

Nachweise

  1. Jenisch 18.
  2. Jenisch II p. 33.
  3. WürttLB. Cod. hist. 2° 311, 38.
  4. WürttLB. Cod. hist. 4° 217, 9.
  5. Wickenburg II 292.
  6. Klunzinger, ArtBeschr. 5b.
  7. OABMaulbronn 162.
  8. Paulus, Maulbronn 2(1884) 85.

Zitierhinweis:
DI 22, Inschriften Enzkreis, Nr. 74 (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di022h008k0007403.