Inschriftenkatalog: Enzkreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 22: Inschriften Enzkreis (1983)

Nr. 11 Maulbronn, Klosterkirche um 1280

Beschreibung

Stiftergrabstein für Bischof Günther von Speyer aus dem Hause der Henneberg. Am Eingang des Querhauses an der Südwand (Triumphbogenpfeiler). Bildnisgrabstein in flachem Relief, gelber Sandstein. Der Bischof ist stehend wiedergegeben, er trägt bischöflichen Ornat, Pedum und Buch. Umschriftleiste nur im oberen Drittel ausgeführt, zwei Worte im Mittelfeld rechts und links zu Häupten des Bischofs. Beschädigungen an Gesicht, Händen und an der Krümme des Pedums (abgeschlagen).

Maße: H. 210,5, B. 81,5, Bu. 4,5–5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

© Württembergische Landesbibliothek Stuttgart [1/2]

  1. + GUNTHER(US) / SPIREN(SIS) EP(IS)C(OPUS) FUN/ DATOR // H(UIUS) / DOM(US)

Übersetzung:

Bischof Günther von Speyer, Stifter dieses Hauses.

Kommentar

Die Platte gehörte ursprünglich sicher zu einem frei stehenden Denkmal (Tischgrabmal?), das im Chor aufgestellt war. Sie zeigt ein bearbeitetes Randprofil, das umläuft. Ein Tisch- und Tumbengrab würde auch der Würde des bischöflichen Stifters entsprechen, für den außerdem noch ein Grabstein und ein Gedenkstein in deutscher Sprache existieren1. Günther von Henneberg (in der Maulbronner Überlieferung häufig falsch als Graf von Leiningen bezeichnet) hatte als Bischof von Speyer wesentlichen Anteil an der Verlegung des in Eckenweiher durch den Edelfreien Walter von Lomersheim gegründeten Zisterzienserklosters Maulbronn2. Er starb 1161 und wurde auf eigenen Wunsch in Maulbronn bestattet.

Der Bildnisgrabstein ist nach seiner Darstellung wie auch nach der Schrift wesentlich später anzusetzen, zumal im 12. Jahrhundert noch alle skulpierten Grabplatten in Zisterzienserklöstern unter das Verbot dekorativer Ausschmückungen in den Gotteshäusern fielen3. Man kann annehmen, daß auch der Stifter zunächst unter einer einfachen Grabplatte bestattet war4. Erst die Lockerung der Generalkapitelsstatuten (1253) machte den Weg frei für einen aufwendigen Gedenkstein. Die unbeholfen-teigige Ausführung des Reliefs hat zu verschiedenen Zeitansätzen geführt, die voneinander beträchtlich abweichen. Sie ist aber vermutlich – wie an anderer Stelle ausgeführt – eher eine Folge „provinzieller Abgeschiedenheit“ der Steinmetzen (bezogen nur auf figürlichen Schmuck), denen für diese Arbeit die Erfahrung fehlte. So erklärt sich auch die streng frontale Darstellung mit den ungeschickt abgewinkelten Armen, die auf Anregung durch Ritzgrabsteine schließen lassen könnte5.

Die Schrift legt eine Datierung ins letzte Viertel des 13. Jahrhunderts nahe: alle Buchstaben sind dem unzialen Formenbestand verpflichtet, der kapitale Buchstabenbestand tritt demgegenüber ganz zurück oder ist – etwa beim F – durch Bauchungen und Schwellungen oder Sporenansätze an den Hasten verändert. E und C sind durch vordere Abschlußstriche geschlossen, M hat einen Fußstrich, das unziale U einen Deckstrich. Jeder Buchstabe ist bereits in sich abgeschlossen, auffallend besonders bei dem unzialen T des Namens GUNTHERUS, wo der an sich nach rechts offene Bogen des T mit einem Abschlußstrich versehen ist, so daß eine dem unzialen U sehr ähnliche Form entstanden ist, zu unterscheiden nur durch den leicht geschweiften Deckstrich des T. Abkürzungen sind mehrfach gebraucht; vergleichbare Schriften weist der Stein für Conrad und Ludwig von Luneburg auf, der aber in der Entwicklung noch nicht so weit fortgeschritten ist6. Die sehr abgetretene Grabplatte für Conrad von Bernhausen kann wegen der fast abgeschliffenen Buchstabenkonturen kein Vergleichsmaterial bieten, obwohl ganz ähnliche Schrift- bzw. Buchstabenformen noch zu identifizieren sind7.

Wenn stilkritische Argumente und schriftgeschichtliche Einordnung für eine Entstehung im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts sprechen, so entstand die Bildnisplatte kurz nach der Bildnisplatte für Bischof Ulrich von Speyer und ist dem deutlichen Bestreben nach verstärktem Stiftergedenken innerhalb der klösterlichen Gemeinschaft einzuordnen8.

Anmerkungen

  1. Vgl. nrr. 75, 80.
  2. Dazu vor allem Gohl, in: Katalog Maulbronn (1978) 25ff.
  3. ‚Lapides positi super tumulos defunctorum in claustris nostris coaequentur terrae, ne sint offendiculo transeuntium‘ verordnen die Statuten noch 1194 nachdrücklich: J. M. Canivez, Statuta Capitulorum Generalium Ordinis Cistericiensis, Tom. I (Louvain 1933) p. 172 nr. 7.
  4. Neumüllers-Klauser, Maulbronner Stifterdenkmäler passim.
  5. Baum, Gotische Bildwerke Schwabens 94. – Bauch, Grabbild 284f.
  6. Vgl. nr. 17.
  7. Vgl. nr. 6.
  8. Neumüllers-Klauser a. a. O. 37f.

Nachweise

  1. Jenisch 4.
  2. Jenisch II p. 5.
  3. WürttLB. Cod. hist. 2° 311, 103.
  4. WürttLB. Cod. hist. 4° 217, 6v.
  5. Wickenburg II 289.
  6. Klunzinger, ArtBeschr. 3a.
  7. OABMaulbronn 142.
  8. Paulus, Maulbronn 2(1884) 83. - Bräutigam S. 91 nr. 4.

Zitierhinweis:
DI 22, Inschriften Enzkreis, Nr. 11 (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di022h008k0001106.