Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 64: Querfurt (2006)
Nr. 85† Niedereichstädt (Gem. Langeneichstädt), ev. Kirche (St. Wenzel) 15.–1. V. 16. Jh. (?)
Beschreibung
Glocke. Auf die an jede Querfurter Gemeinde ergangene Aufforderung des neu gegründeten „Thüringisch-Sächsischen Vereins zur Erforschung des vaterländischen Altertums“, ein Lokalitätsund Geschichtsverzeichnis ihres Heimatortes zu erstellen, schrieben die Verfasser der Ausführungen zu Niedereichstädt am 18. März 1828 u. a.: „Auf dem Kirchthurme befinden sich 5. Glocken, worunter die 2te mit Mönchsschrift: [Inschrift], und mehrern Sinnbildern, ein Alterthumsstück, eben itzt zersprungen und unbrauchbar ist.“1)
Inschrift nach LHASA Merseburg, Landraths Acta.
Vox mea sit grata Maria Virgoa) beata2)
Übersetzung:
Meine Stimme sei (dir) willkommen, Maria, selige Jungfrau.
Versmaß: Leoninischer Hexameter.3)
Textkritischer Apparat
- Maria Virgo] Ergänze auch aus metrischen Gründen zu tibi Virgo Maria. Zu entsprechenden Belegen vgl. Anm. 4.
Anmerkungen
- LHASA Merseburg, Landraths Acta 1828, fol. 82v. Die Verfasser waren Küster Christoph Stock, Dorfschulze Christoph Thieme und Pfarrer Chr. Gottfried Kühne.
- Inschrift aus metrischen Gründen umgestellt; Wiedergabe des Kopisten: Maria, Virgo beata, Vox mea sit grata.
- Unter Berücksichtigung der Ergänzung, vgl. Anm. a und 4.
- Vgl. die Glocken zu Großpaschleben (Lkr. Köthen) und Hecklingen (Lkr. Aschersleben-Staßfurt) in Schubart 1896, S. 283, 299, zu Lössen (Gem. Luppenau, Lkr. Merseburg-Querfurt) in Kdm. (Delitzsch) 1892, S. 157 und zu Zorbau (Lkr. Weißenfels) in DI 62 (Weißenfels) 2005, Nr. 10 bzw. Kdm. (Weißenfels) 1882, S. 86 sowie zu Volkmarode (Stadt Braunschweig) in Böckeler 1882, S. 80 bzw. in Kdm. (Braunschweig) 1900, S. 221f. S. a. Walter 1913, S. 226 Anm. 7; Sommer 1889, S. 406.
- Vgl. den frühesten Beleg im Bearbeitungsgebiet für die Gotische Minuskel allg. in Nr. 30 (1435), auf Glocken in Nr. 38 (1478).
Nachweise
- LHASA Merseburg, Landraths Acta 1828, fol. 82v.
Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 85† (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0008503.
Kommentar
Die überlieferte Inschrift ist eine wohl versehentliche Verkürzung der geläufigen Glockenrede VOX MEA SIT GRATA TIBI VIRGO MARIA BEATA, die hauptsächlich für den mitteldeutschen Raum bezeugt ist.4) Die bekannten Belege stammen allesamt aus dem 13. bzw. frühen 14. Jahrhundert, wobei die Inschriften stets in Gotischer Majuskel in den Glockenmantel geritzt worden waren. Dieser Sachverhalt veranlaßt zu der Vermutung, daß die Niedereichstädter Glocke etwa in derselben Zeitspanne entstanden sei. Dem widerspricht allerdings die Angabe „mit Mönchsschrift“ und die Wiedergabe des inschriftlichen Wortlauts in Minuskeln, so daß eine entsprechend spätere Ausführung in Gotischer Minuskel anzunehmen ist. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Umguß, auf den man die Inschrift der alten Glocke übertragen hatte. Da dieser einerseits noch vor der Reformation vorgenommen worden sein muß, andererseits im Querfurter Raum vor 1400 keine Glockeninschriften in reiner Gotischer Minuskel nachgewiesen sind,5) läßt sich die Entstehungszeit auf das 15. bzw. beginnende 16. Jahrhundert eingrenzen.