Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 81 Querfurt, ev. Burgkirche (St. Maria, Peter und Paul) 2. H. 15.–1. V. 16. Jh.

Beschreibung

Gewändequader des Hauptportals, Kalksandstein. Das Rundbogenportal trägt im Bogenfeld ein romanisches Tympanon, das sich seiner geringeren Maße wegen hier nicht in situ befinden kann. Darin erkennt man ein reliefiertes Radkreuz zwischen zwei Sternen bzw. Sonnenrädern. Auf der linken Seite des gestuften Portalgewändes sitzt unterhalb des Kämpfers in etwa 160 cm Höhe ein Steinquader, auf dessen Westseite die zeilenweise eingemeißelte und von dünnen Ritzlinien umgebene Ablaßinschrift erkennbar ist. Die linke obere Ecke ist ausgebrochen und die stark verwitterte Oberfläche scheint durch spätere Einkerbungen zusätzlich beschädigt worden zu sein.

Maße: H.: 39,5 cm; B.: 25 cm; Bu.: 2,5–3,0 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Johann-Jakob Hinz) [1/2]

  1. Jndvlgencie / annos xx + 15 [..]a)1)

Übersetzung:

20 Jahre + 15(...) Ablaß.

Kommentar

Die Kerben der recht uneinheitlich geschlagenen Buchstaben sind größtenteils rechtwinklig ausgehauen und innen nicht geglättet. Dies deutet darauf hin, daß sie ursprünglich mit einer farblich kontrastierenden Masse ausgegossen waren.1)

Auf welchen Ablaß sich diese Inschrift bezieht, läßt sich gegenwärtig nicht mit Sicherheit sagen. Der einzige außerordentliche Sündenerlaß, der in den Chroniken zu Querfurt immer wieder erwähnt wird, steht mit der Sage um die Einrichtung des sog. „Eselstetischen Marktes“ im Zusammenhang2): Der Legende nach war der hl. Brun an einem Donnerstag nach Ostern um das Jahr 1006 auf einem Esel zur Bekehrung der Preußen aufgebrochen. Doch nur wenige Meter hinter dem östlichen Stadttor blieb das Tier auf einer Wiese störrisch stehen. Da der Missionar trotz dieses warnenden Vorzeichens seine Reise einige Tage später fortsetzte und in deren Verlauf den Märtyrertod fand, errichtete man ihm später an gleicher Stelle eine Kapelle.3) Seit dem 12. Jahrhundert wurde hier, in der Stadtkirche St. Lambert, aber auch auf der Burgkirche an jedem Donnerstag nach Ostern ein außerordentlicher päpstlicher Ablaß gewährt, wodurch es zu regelmäßigen Wallfahrten und der Einrichtung des o. g. Jahrmarktes kam.4) Dieser Ablaß erhielt im Jahre 1334 durch eine Urkunde, die mehrere Bischöfe unterzeichnet hatten und die noch 1608 vorhanden war, eine erneute Bestätigung.5) Da für Querfurt sonst keine weiteren Indulgenzien überliefert sind, liegt die Vermutung nahe, daß sich auch diese Inschrift auf jenen Ablaß bezieht. Für ihre Entstehungszeit stellt die Einführung der Reformation den terminus ante quem dar. Da im mitteldeutschen Raum vor der Mitte des 15. Jahrhunderts keine arabischen Ziffern nachzuweisen sind,6) dürfte die Inschrift innerhalb dieser Zeitspanne angefertigt worden sein.

Textkritischer Apparat

  1. Jndvlgencie / annos xx + 15 [..]] Die Ziffern nur unsicher erkennbar. Die letzten unkenntlichen Zeichen vermutlich die Abk. für eine Zeitangabe unter Jahreslänge. [alle]louia chris[ti in] annos XM + IX + Voigt; [.]m aulecum / annos xxLs König. Für den Hinweis auf die Kopialüberlieferung durch König (wie unten) danke ich Herrn Reinhard Schmitt, Halle.

Anmerkungen

  1. Die Entzifferung der Inschrift und die Hinweise zu ihrer ursprünglichen Beschaffenheit verdanke ich Herrn Dr. Harald Drös, Heidelberg.
  2. Vgl. Spangenberg 1590, S. 131ff.; Schneider [1654], S. 20f.; Webel [1714/15], S. 162f; Voigt 1907, S. 87, 265f. Anm. 370; Sagen und Geschichten 1992, S. 29–31. S. a. die gedruckten Versionen der Sage nach den bibliographischen Angaben in Voigt 1928, S. 188–190. Der Abdruck der Version von 1608, die auf der ältesten gedruckten Überlieferung von 1561 beruht, wurde von Richard Jaeckel, Querfurts Wiesenmarkt, in: Die Scheuer 1927, H. 1/2, S. 12–17, vorgenommen.
  3. Vgl. zur sog. Brunskapelle auf der Eselswiese Webel [1714/15], S. 162–164; Heine 1879, S. 81f.; Voigt 1907, S. 266 Anm. 370; Voigt 1928, S. 368–370; Ihle 1932, S. 28f.
  4. Vgl. Webel [1714/15], S. 162f.
  5. Vgl. Anfang und Stifftung des Eselstetischen Oster Jahrmarckts fur Querfurth [1608], abgedr. in Jaeckel (vgl. Anm. 2), S. 16.
  6. Vgl. die Erstbelege für arabische Ziffern in Nr. 51 Anm. 11.

Nachweise

  1. LHASA Merseburg, König 1846, fol. 130v.
  2. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 219 (Fig. 121).
  3. Voigt 1912, o. S.
  4. Voigt 1915, S. 86 u. Taf. XIII (Abb.).
  5. Könnecke o. J., S. 39 (Abb.).
  6. Schmitt 2002, S. 30.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 81 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0008105.