Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 77 Querfurt, ev. Pfarramt um 1520

Beschreibung

Kelch, Silber, gegossen, getrieben, graviert, vergoldet. Die kegelförmige, unten aber ausgerundete Kuppa liegt in einer körbchenartigen Fassung, die aus einem mehrfach verschlungenen Spruchband mit der Inschrift (A) gebildet ist. Oberhalb des Nodus sind auf den Feldern des sechskantigen Schaftes die Initialen des Kreuztitulus und der Namen der Gottesmutter und der hl. Anna (B) eingraviert. Der relativ flache Knauf ist an den Seiten durch sechs rautenförmige Rotuli verziert, die je einen Buchstaben der Anrufung (C) tragen. Dazwischen treffen die Spitzen getriebener Lanzetten aufeinander, die von floralen Gravuren bedeckt sind. Auf der Unterseite weisen drei von ihnen Schriftbänder mit den Anrufungen (D) auf. Unterhalb des Nodus umläuft den Stilus die Anrufung (E). Der Fuß fächert sich zu sechs Pässen auf, die durch schwach hervortretende Grate voneinander abgesetzt sind. Auf einem Feld ist ein gegossener Kruzifix appliziert, an dem sich das Titulusschild (F) entrollt (links beschädigt). Unter der senkrechten Zarge, die mehrfach profiliert und von einem einfachen gepunzten Strichmusterband umgeben ist, schließt sich ein breiter, geschweifter Stehrand an, der geringfügig ausgebessert wurde. Sämtliche Inschriften wurden eingraviert, darunter (B), (C) und (E) in Kontur und vor einem gitterartig schraffiertem Hintergrund.

Maße: H.: 19 cm; Dm.: 11,3 cm1); Bu.: 0,4 cm (A), 1,0 cm (B, E), 0,8 cm (C), 0,2 cm (D, F).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Ilas Bartusch) [1/3]

  1. A

    SANT/VS / ·a) / LA/M/P/E/R/TVSb) / OR/A PR/O N/OBIS

  2. B

    I(ESVS)c) / N(AZARENVS) / R(EX) / I(VDEORVM)d)2) / M(ARIA) / A(NNA)e)

  3. C

    I//H//E//S//V//Sf)

  4. D

    · IESV·/·S· // MAR/·IAIg)· ·h) // A/·ENNAi)· ·h) ·

  5. E

    ·j)/M/A/R/I/Ak)

  6. F

    [I(ESVS)]l) N(AZARENVS)m) R(EX) I(VDEORVM)2)

Übersetzung:

Heiliger Lambert, bitte für uns (A). Jesus von Nazareth, König der Juden (B, F),

Kommentar

Die Schrift zeichnet sich bis auf (D) und (F) durch breit konturierte, teilweise doppelt umrissene Buchstaben aus, deren Schrägschäfte sich zu den freien Enden hin keilförmig verbreitern. Balken und gerade Schäfte sind in der Mitte schwach eingeschnürt. Der Mittelteil des konischen M reicht bis zum unteren Drittel der Zeile. Das spitze, nur in (D) trapezförmige A hat einen beiderseits überstehenden Deck- und einen gebrochenen Mittelbalken. Die Cauda des R ist schwach gewölbt. Der Schrägschaft des N wurde nur als Haarlinie ausgeführt. Als Worttrenner dienen größtenteils Punkte.

Aus Inschrift (A) geht hervor, daß dieser Kelch bereits ursprünglich für den Hauptaltar der Querfurter Stadtkirche St. Lamperti angefertigt wurde. Für seine Datierung stellt vor allem der Schnellrodaer Kelch von 1519 ein wertvolles Vergleichsstück dar.3) Übereinstimmungen in vielen Details sprechen dafür, daß beide Geräte aus etwa derselben Zeit stammen. Dabei sei vor allem auf die beinahe identischen Schriftformen und schraffierten Hintergründe, aber auch auf die Gestaltung der Cuppae, Zargen und Standringe verwiesen.

Textkritischer Apparat

  1. Konturiertes Quadrangel.
  2. LAMPERTVS] Das epsilonförmige E retrograd.
  3. I(ESVS)] Das I mit Nodus.
  4. I(VDEORVM)] Das I mit Nodus.
  5. M(ARIA) / A(NNA)] Auflösung analog zu Inschrift (D); denkbar wäre auch nur: M/A(RIA).
  6. IHESVS] Das epsilonförmige E retrograd, der Balken des H nach oben ausgebuchtet.
  7. MAR·IAI] Lies: MAR·IA; MARIA Kdm.
  8. Doppelpunkt.
  9. AENNA] Lies mit Kdm.: ANNA. Beide N retrograd.
  10. Blütenornament. Nah am Zentrum der Kopf einer Niete, vgl. Anm. k.
  11. MARIA] Das I mit Nodus. Unter der Cauda des R der Kopf einer Niete, vgl. Anm. j.
  12. [I](ESVS)] Dieser Teil des Titulusschildes weggebrochen.
  13. N(AZARENVS)] Das N retrograd.

Anmerkungen

  1. Kuppa.
  2. Io 19, 19.
  3. Vgl. Nr. 76.

Nachweise

  1. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 198f.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 77 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0007701.