Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 76 Schnellroda (Gem. Albersroda), ev. Kirche 1519

Beschreibung

Kelch, Silber, gegossen, getrieben, graviert, vergoldet. Ursprünglich für die St.-Katharinen-Kirche zu Magdeburg vorgesehen, gelangte er zu unbestimmter Zeit nach Schnellroda.1) Die kegelförmige, unten aber ausgerundete Kuppa sitzt auf einem sechseckigen Schaft, der ober- und unterhalb des flachen Nodus mit gravierten Sternblüten verziert ist. Der Knauf selbst weist sechs lanzettförmige Zungenpaare auf, die von Maßwerk durchbrochen sind. Den Rand zieren sechs rautenförmige Rotuli, in die Inschrift (A) vor einem gitterartig schraffierten Hintergrund in Kontur eingraviert ist. Die Fugen zwischen den einzelnen Bestandteilen des Kelches werden von Rundstäben oder abgetreppten Leisten verdeckt. Der im unteren Drittel ansetzende Fuß fächert sich zu einem Sechspaß auf, dessen Segmente mittels verschiedener Gravuren gestaltet sind. Gegen den Uhrzeigersinn folgt einem zur Blüte stilisierten Tatzenkreuz der tartschenförmige Wappenschild des Stifters mit den in Kontur gravierten und ineinander verschlungenen Namensinitialen (B). Auf den anschließenden Feldern erkennt man drei im Halbkreis die Paßränder begleitende und an den Enden eingerollte Schriftbänder, über die sich die Stifterinschrift (C) verteilt. Über dem mittleren Band befindet sich die Jahreszahl (D). Der letzte Paß zeigt die nimbierte Figur der heiligen Apollonia2). Sie trägt ein eng geschnürtes Kleid mit geschlitzten Puffärmeln und hält in ihrer Linken Zange und Zahn. Um die mehrfach profilierte Zarge verläuft ein tremoliertes Lanzettmusterband; der geschweifte Stehrand des Fußes zeugt von Reparaturen.3)

Maße: H.: 17,8 cm; Dm.: 10,3 cm; Bu.: 0,7 cm (A), 1,6 cm (B), 0,3 cm (C); Zi.: 0,3 cm (D).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Ilas Bartusch) [1/2]

  1. A

    I//H//E//S//V//Sa)

  2. B

    C(IRIACVS) I(ANS)b)

  3. C

    · D(OMI)N(V)S · CIRIACVS · IANS · // · MAGDEBVR(GENSIS)c) · AD · ALTARE · // · S(ANCTORVM)c) · MATHEII · ET · MATHIE ·

  4. D

    · 1 · 5 · 1 · 9 ·d)

Übersetzung:

Herr Cyriax Jahns aus Magdeburg für den Altar der Heiligen Matthäus und Matthias.

Wappen:
Jahns.4)

Kommentar

Die Schrift darf als Musterbeispiel der frühhumanistischen Kapitalis gelten, da sie über beinahe alle typischen Zierelemente verfügt: Das retrograde N, das epsilonförmige E, der Nodus in der Schaftmitte des I sowie die Ausbuchtung am Balken des H. Während die Buchstaben in (A) und (B) in Kontur erscheinen und mehrfach sogar doppelt umrissen sind, wurden die übrigen Inschriften lediglich linear eingraviert. Das trapezförmige A besitzt einen beiderseits oder einseitig nach rechts überstehenden Deck- und einen gebrochenen Mittelbalken. Das unziale D ist offen, das G leicht eingerollt, das mit kurzem Mittelteil ausgestattete M konisch. Die Schaft-, Balken- und Bogenenden sind teils gespalten, teils durch Sporen begrenzt. Die Worttrenner wurden um den Stifternamen als angedeutete Blüten, sonst als Häkchen ausgeführt.

Die inschriftliche Widmung des Kelches galt bisher als das einzige Indiz dafür, daß die Schnellrodaer Kirche den Schutzpatronen Matthäus und Matthias geweiht sei.5) Diese Vermutung läßt sich nach den vorgenommenen Recherchen nicht mehr aufrechterhalten, da der Kelch keineswegs für den Altar dieser Kirche gestiftet worden war. Da die Initialen des Namens im Wappen nochmals erscheinen, läßt sich schlußfolgern, daß Magdebur die Herkunft des Stifters bezeichnet und kein weiterer Nachname ist.6) So ist ein Cyriax Jahns auch 1525 als Stiftsherr am Kollegiatstift St. Gangolf in Magdeburg nachweisbar.7) Er hatte von seiner Haushälterin zwei Kinder und starb vor 1551.8) Außerdem existierte an der Magdeburger St.-Katharinen-Kirche seit 1464 ein Altar, der den Aposteln Matthäus und Matthias, dem hl. Valentin sowie den hl. Jungfrauen Agnes und Apollonia geweiht war.9) Demnach besteht kein Zweifel, daß der Kelch ursprünglich zur Ausstattung dieses Altars gehörte und erst später auf unbekannten Wegen nach Schnellroda gelangte. Der beauftragte Goldschmied dürfte folglich ebenfalls in Magdeburg ansässig gewesen sein.

Textkritischer Apparat

  1. IHESVS] Buchstaben in Kontur, innen gepunktet, das E unzial.
  2. C(IRIACVS) I(ANS)] Buchstaben in Kontur und ineinander verschlungen.
  3. Ohne Kürzungszeichen.
  4. Beide 1 als einfacher Schaft ohne Anstrich, oben und unten gespalten; der Bogen der 5 schwach ausgeprägt, der Deckbalken rechtsschräg; der Bogen der 9 offen, sein Ende gespalten. Zwischen den Ziffern liegen Punkte.

Anmerkungen

  1. Vgl. Kommentar.
  2. Zur Ikonographie der hl. Apollonia vgl. LCI 5, 1994, Sp. 232–236 (Lit.). Bergner in Kdm. (Querfurt) 1909, S. 270 mißdeutet die Figur als hl. Agathe.
  3. Nach 1967 erfolgte eine Restaurierung in Erfurt, vgl. Augustin 1989, S. 34.
  4. In geteiltem Schild die ineinander verschlungenen Initialen C und I mit nach rechts ausgebuchteten Schaft, oben und unten beseitet von je zwei Rosen.
  5. Vgl. Naumann 1881, S. 44; Augustin 1989, S. 34.
  6. Eine Verbindung mit der später in Albersroda ansässigen Familie Meideberg oder Magdeburgk ist deshalb auszuschließen, vgl. die Einwohnerlisten in Augustin 1989, S. 12f.
  7. Vgl. Erzbistum Magdeburg 1/2, 1972, S. 836. Für den Personennachweis danke ich Herrn Dr. Hans Fuhrmann, Halle.
  8. Vgl. Erzbistum Magdeburg 1/2, 1972, S. 836, 839.
  9. Vgl. UB Magdeburg 2, 1894, S. 788 Nr. 867.

Nachweise

  1. Naumann 1881, S. 49.
  2. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 270.
  3. Augustin 1989, S. 34.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 76 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0007604.