Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 66 Querfurt, ev. Burgkirche (St. Maria, Peter u. Paul) um 1506 (?)

Beschreibung

Altarretabel, Holz. Das vierflügelige, aus der Kirche zu Alberstedt stammende Retabel ist in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts in der Burg Querfurt sichergestellt und gereinigt worden.1) Schrein und Innenflügel befinden sich an der Ostwand der Grabkapelle Gebhards XI. (XIV.) von Querfurt2); Predella und Außenflügel werden im Museum verwahrt. Hinter vorgeblendetem Rankenwerk birgt der Schrein drei bekrönte und in Brokatgewänder gehüllte Heiligenfiguren. In der Mitte steht die Muttergottes auf der Mondsichel, flankiert von der hl. Katharina (links) und der hl. Margaretha (rechts). Die hl. Katharina hält die Symbole ihres Martyriums in den Händen; zu ihren Füßen streckt der überwundene Kaiser Maxentius mit hoher, breitkrempiger Kappe die Rechte zu ihr empor.3) Die hl. Margareta drückt mit der Linken ein geöffnetes Buch an sich und sticht mit einem Stab in das Maul des am Boden liegenden Drachens.4) Katharinas und Marias Kleider sind auf den horizontal vor der Brust verlaufenden Säumen mit Nameninschriften versehen (A, B). Daneben sind Katharinas und Margaretas Rocksäume oberhalb ihrer Füße ebenfalls mit den entsprechenden Namen verziert (C, D). Alle drei Figuren stehen auf polygonalen Podesten, auf denen Anrufungen die Heiligen zur Fürbitte bewegen sollen (E, F, G). An den Postamenten der zwölf Apostel, die in zwei Reihen die beiden inneren Altarflügel füllen, wiederholen sich unter Verwendung des entsprechenden Namens die Anrufungen; im linken Flügel oben liest man v. l. n. r. (H, I, J), unten (K, L, M), im rechten Flügel in gleicher Reihenfolge (N, O, P) und (Q, R, S). Während die Inschriften (A) bis (G) in den zum Teil punzierten Hintergrund trassiert wurden, sind die übrigen Texte mit schwarzer Farbe aufgemalt. Die Außenflächen der Innenflügel zeigen die Verkündigungsszene. Auf der linken Seite verweist Gabriel – den Blick Maria zugewandt – auf ein gewundenes Schriftband, auf dem der Anfang des Bibelzitates (T) erkennbar ist. Auf der rechten Seite sitzt die Jungfrau betend zwischen einem Lesepult und einem Lilienstrauß und empfängt von Gottvater den sein Kreuz tragenden Jesusknaben. Auf den zwei Innenseiten der Außenflügel sind der von Pfeilen durchbohrte hl. Sebastian und ein Bischof mit Kelch und Krummstab dargestellt. Neben dem letzteren liegt eine kleine Person rücklings am Boden, die eine Identifikation der Hauptfigur mit dem hl. Valentin oder mit dem hl. Martin von Tours nahelegt.5) Die Predella zeigt in gemalten Rundbogenfenstern die hl. Ursula mit dem Pfeil und die hl. Barbara mit Kelch und Hostie. In der dazwischen eingelassenen Nische stand ehemals eine geschnitzte Figur der Anna selbdritt.6)

Maße: H.: 175 cm; B.: 148 cm; T.: 21,5 cm; Bu.: 2,0 cm (A), 1,0 cm (B), 2,9 cm (C), 2,5 cm (D), 4,5 cm (E), 5,0 cm (F), 5,1 cm (G), 1,8–2,0 cm (H–S), 3,3 cm (T).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis (A–F, T);Gotische Minuskel mit Versalien (G–S).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Ilas Bartusch) [1/7]

  1. A

    · IHESV(S)

  2. B

    MARIA · MATER ·

  3. C

    · S(ANCTA) · KATER(INA)

  4. D

    S(ANCTA) · MARGAR(ETA)

  5. E

    S(ANCTA) / · KA/THERIN/A · O/RA

  6. F

    · S(ANCTA) · / MA/RIA · O/RA · / P(R)Oa)

  7. G

    S(ancta) / · Ma/rgare/ta · / ora

  8. H

    ·b) / S(anctus) · / Thomasc) · / or/a ·

  9. I

    S(anctus) · / petrvs · / ora / pr(o)

  10. J

    S(anctus) · / paulus · / ora / · p(ro)

  11. K

    S(anctus) / · Jvdas · / ora · / pr(o)

  12. L

    S(anctus) · / Jacobus / · mi/no(r)

  13. M

    S(anctus) · / Jacob(us) / · ma/io(r)

  14. N

    S(anctus) · / ioha(n)nes / · or/a ·

  15. O

    S(anctus) · / philippus / · o/ra ·

  16. P

    S(anctus) · / andrea/s · or/a · p(ro)

  17. Q

    ·b) / S(anctus) · / Bartolo/me/vsd)

  18. R

    S(anctus) · / Matia/s · o/r(a)

  19. S

    S(anctus) / · symon · ora / · p(ro)

  20. T

    AVE7)

Übersetzung:

Maria, Mutter (B). – Heilige(r) [Name], bitte (E/G/H/N/O/R).8) – Heilige(r) [Name], bitte für (F/I/J/K/P/S).8) – Heiliger Jacobus der Jüngere (L).8) – Heiliger Jacobus der Ältere (M).8) – Gegrüßt seist du (T).

Kommentar

Die Buchstaben der Frühhumanistischen Kapitalis weisen die typischen Charakteristika auf: Die Schrägschäfte des trapezförmigen A in (T), das einen beiderseits überstehenden Deck- sowie einen gebrochenen Mittelbalken besitzt, sind leicht nach innen eingebogen. Das E ist epsilonförmig gestaltet, das G eingerollt. H und N haben einen nach unten ausgebuchteten Balken bzw. Schrägschaft. Bemerkenswert sind zudem das spitzovale O und die Cauda des R, deren gewölbte Form auch die Schrägbalken des K kennzeichnet. Innerhalb der Gotischen Minuskel fallen vor allem die S-Versalien auf, deren Bögen sich zu einem Oval vereinigen, mit Zierpunkten und parallelen bzw. entgegenlaufenden Zierstrichen oder Bogenleisten versehen sind. Das J wird durch einen gebogten, das B durch einen gezackten Schaft hervorgehoben. Das ovale, geschlossene M besitzt oben und unten einen Abschlußstrich, dessen Enden zwei Halbnodi markieren. Die Fahne des r ist paragraphzeichenförmig gestaltet und das Bogen- s regelmäßig rechtsschräg durchstrichen. Als Worttrenner dienen Quadrangel, die bisweilen paragraphzeichenförmig ausgeführt, zum Teil auch mit vier an den Ecken ansetzenden Zierhäkchen ausgestattet sind.

Stilistische Vergleiche veranlassen Hornemann zu der Vermutung, die Schnitzplastik des Altares könnte von dem 1497 in Zeitz nachweisbaren Meister Matts Plowner geschaffen worden sein, während die Gemälde aus derselben Werkstatt wie das Eislebener Annenkirchen-Retabel stammen.9) Letzteres wird in die Jahre um 1510/15 datiert.10) Die Entstehung des Alberstedter Altaraufsatzes könnte folglich mit der inschriftlich bezeugten Erneuerung des Chores von 1506 zeitlich zusammenfallen.11)

Textkritischer Apparat

  1. P(R)O] Der Bogen des P offen und eingerollt; als Kürzungszeichen dient das pro-Silbenkürzel (ein dem unteren Schaftbereich entspringender und denselben durchkreuzender Haken), das hier zusätzlich durch das an sich überflüssige O ergänzt wird.
  2. Ornament aus fünf strahlenförmigen Linien, die von einem zentralen Punkt ausgehen; dazwischen jeweils ein weiterer Punkt.
  3. Thomas] Das T besitzt einen kurzen geraden Schaft, der von einem längeren, nach links ausholenden und in der Mitte der Zeile gebrochenen Schaft umfangen ist.
  4. Bartolo/me/vs] Der einseitig gezackte Schaft des B im oberen Bereich doppelt, der obere Bogen dreieckig ausgeführt.

Anmerkungen

  1. Für die Auskunft danke ich Herrn Heiko Einecke, Querfurt.
  2. Vgl. dazu Nr. 27.
  3. Das Schwert in ihrer Rechten ist verloren, die Hand teilweise ersetzt. Zur Ikonographie der hl. Katharina vgl. LCI 7, 1994, Sp. 289–297.
  4. Auf einem Foto von 1971, vgl. LfD Halle, Fotoarchiv (wie unten), hält sie einen Kreuzstab. Zur Ikonographie der hl. Margareta vgl. LCI 7, 1994, Sp. 494–500.
  5. Vgl. zur Ikonographie des hl. Valentin LCI 8, 1994, Sp. 529f.; zu der des hl. Martin LCI 7, 1994, Sp. 572–579. Grössler hingegen sieht in der Figur den hl. Wigbert, vgl. Kdm. (Mansf. Seekr.) 1895, S. 3.
  6. Vgl. LfD Halle, Fotoarchiv, Aufn. von 1973/74, o. Neg.-Nr.
  7. Vgl. Lc 1, 28.
  8. In Anbetracht des Imperativs ora wird hier der Nominativ im Sinne eines Vokativs übersetzt.
  9. Vgl. Hornemann 2000, S. 313 mit Anm. 45.
  10. Vgl. Dehio 1999, S. 459.
  11. Vgl. Nr. 61.

Nachweise

  1. Kdm. (Mansf. Seekr.) 1895, S. 3.
  2. Schmeißer 1922, Nr. 41, S. 164.
  3. LfD Halle, Fotoarchiv, 2 Aufn. (1971), o. Neg.-Nr.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 66 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0006608.