Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 64: Querfurt (2006)
Nr. 65 Schraplau, ev. Kirche (St. Johannes d. Täufer) 1506
Beschreibung
Glocke, Bronze. Sie ist die größte des dreistimmigen Geläutes im Glockenstuhl des Turmes. Unter einer gewölbten Haube sind an der Schulter zwischen zwei lilienbesetzten Doppelstegen der Gußvermerk, mehrere Heiligenanrufungen und Namen zu lesen. Die Inschrift setzt sich im oberen Drittel der Flanke fort, wo unter ihren letzten Worten ein reliefiertes Kruzifix über einem nahezu unkenntlichen, gelehnten Wappenschild angebracht ist. Zu beiden Seiten des Kreuzstammes befinden sich je ein flaches Medaillon ohne erkennbare Verzierung und ein ädikulaförmiges Pilgerzeichen. Im rechten Wallfahrtssignet ist eine stehende Figur wiedergegeben.1) Das linke ist horizontal in zwei Bereiche gegliedert, wobei die größere obere Zone ebenfalls von einer menschlichen Gestalt, vermutlich von Maria mit dem Jesuskind, ausgefüllt wird.2) Das untere Drittel ist deutlich abgesetzt, jedoch ohne wahrnehmbare Binnenzeichnung. Die Glocke ist reich an Stegen: Die Haube umlaufen zwei Paar flacherer Ausprägung, ein stärker hervortretendes Dreierbündel den Wolm, ein Viererbündel die Schärfe.
Maße: H.: 110 cm; Dm.: 137 cm; Bu.: 3,3 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal.
· Anno · domini · m · cccccvi · ior · hilf · got · maria · anna · iohannes · osanna · pl(eba)n(vs)a)3) · fredericvs · lae(n)geb) · bastigankc) · hans h · kvrt k · hence s //d) elisabet hans · g · vitvee)
Querfurt (?).4) |
Textkritischer Apparat
- pl(eba)n(vs)] pia (mit waagerechtem Strich über i) (oder pta) Kdm., LfD Halle, Glockenbestandserfassung 1. Wk. Vgl. ähnliche Abk. auf Mas-Glocken in Lipprechterode (Lkr. Nordhausen; hier: ple); Tettenborn (Lkr. Osterode; hier: p) in Kdm. (Hohenstein) 1889, S. 100, 165. S. a. Nr. 69.
- lae(n)ge] Das n aus dem Kürzungsstrich über dem e erschlossen. laelte (mit waagerechtem Balken) LfD Halle, Glockenaktenslg. (ungeord.).
- bastigank] bastchank Kdm., bastiank LfD Halle, Glockenaktenslg. (ungeord.). Zu weiteren Formvarianten des Namens Sebastian vgl. Gottschald 1982, S. 454: u. a. Baschting, Baschang.
- Ab hier Fortsetzung der Inschrift auf der Flanke.
- vitve] Die drei letzten Buchstaben durch zwei weite Spatien auseinandergerückt.
Anmerkungen
- Vermutlich identisch mit dem unbekannten Pilgerzeichen in Nr. 59 Anm. 2.
- Die Gestaltung ähnelt dem Wallfahrtszeichen auf den Glocken in Dornstedt, vgl. Nr. 62 Anm. l, Obergreißlau (Gem. Langendorf, Lkr. Weißenfels), Schlettau (Stadt Löbejün, Saalkreis) und Schwerz (Saalkreis), vgl. DI 62 (Weißenfels) 2005, Nr. 86; Liebeskind 1905, Nr. 15, S. 119 (Abb. 11); Schilling 1988, S. 231 (Abb. 461), Abb. 182.
- D. i. Pfarrer.
- Anscheinend mehrfach geteilt; Identifizierung aber durch den unsauberen Guß unsicher.
- Vgl. Kdm. (Mansf. Seekr.) 1895, S. 130; Kdm. (Hohenstein) 1889, S. 101, 190f. Zum Gießer siehe Nr. 69. Bezüglich des Formulars vgl. die Mas-Glocken zu Eisleben in Kdm. (Mansf. Seekr.) 1895, S. 148 sowie jene zu Liebenrode (Lkr. Nordhausen), Lipprechterode (Lkr. Nordhausen), Tettenborn (Lkr. Osterode) in Kdm. (Hohenstein) 1889, S. 97, 100, 165.
- Vgl. z. B. Nr. 59, die Inschrift der Glocke zu Lißdorf (Stadt Eckartsberga, Burgenlandkreis) in DI 9 (Lkr. Naumburg) 1965, Nr. 423, die Bauinschrift zu Predel (Gem. Reuden, Burgenlandkreis) in Kdm. (Zeitz) 1879, S. 26. S. a. Bergner 1903, S. 238 f.
- Vgl. Nr. 60, 63, 69. S. a. Nr. 84 mit Anm. 6; Walter 1913, S. 168 Anm. 1.
- Vgl. Nr. 59 mit Anm. 5; Hornemann 2000, S. 307–325; allgemein zur Annenverehrung vgl. Dörfler-Dierken 1992.
- Vgl. dieselbe Übereinstimmung zwischen dem Patron der Kirche und dem angerufenen Heiligen auf den MasGlocken zu Eisleben in Kdm. (Mansf. Seekr.) 1895, S. 148, zu Liebenrode (Lkr. Nordhausen), Lipprechterode (Lkr. Nordhausen), Mauderode (Lkr. Nordhausen) und Tettenborn (Lkr. Osterode) in Kdm. (Hohenstein) 1889, S. 97, 100, 115, 165.
- Vgl. Mt 21, 9; Mc 11, 9f.; Missale Romanum 1926, S. 466.
- Vgl. hierzu ausführlicher DI 1 (Bad. Main- u. Taubergrund) 1942, Nr. 426; DI 9 (Lkr. Naumburg) 1965, Nr. 402; Walter 1913, S. 218 Anm. 4, 261 Anm. 1.
- Vgl. Walter 1913, S. 202, 218, 261, 263f., 267, 291.
Nachweise
- Kdm. (Mansf. Seekr.) 1895, S. 356.
- LfD Halle, Glockenbestandserfassung im 1. Wk., Aufnahmebogen zu Schraplau vom 15. 3. 1917.
- Burkhardt 1935, S. 144.
- LfD Halle, Glockenaktenslg. (ungeord.), Glockenbestandsaufnahme 1942, Aufnahmebogen zu Schraplau Nr. 6/6/88 C.
Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 65 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0006501.
Kommentar
Die Schriftformen in Verbindung mit dem Formular der Inschrift verweisen auf den Gießer Paul Mas in Eisleben.5) Zu den deutlichsten Indizien zählen hierbei das pseudounziale A mit den zwei rechtsschräg verlaufenden Mittelbalken, die rechtwinklig umgebrochenen oberen Bogenabschnitte der c sowie der als waagerechter Balken ausgeführte untere Bogen des g. Bemerkenswert sind weiterhin der nach rechts gekrümmte Zierstrich an der Fahne des r und die gespaltenen Enden des die Grundlinie überlaufenden h-Bogens und des p-Schaftes. Als Worttrenner dienen hier Brakteatenabdrücke und vielstrahlige Sterne.
Deutsch-lateinische Dopplungen sind gerade bei der Jahresangabe keine Seltenheit.6) Auch die Anrufung hilf got maria (berat) mit dem Zusatz einer ganzen Reihe von Heiligen erscheint im 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts bemerkenswert häufig.7) Auf der Schraplauer Glocke schlägt sich darüber hinaus eine verstärkte Hinwendung zur hl. Anna nieder, die sich zu dieser Zeit auch anderweitig nachweisen läßt.8) Mit Johannes ist der Schutzpatron der Kirche, der hl. Johannes der Täufer, gemeint.9) Der Jubelruf Osanna entstammt dem Matthäus- bzw. Markusevangelium und findet sich ebenso innerhalb des „Sanctus“ der Messe.10) Als gräzisierte Form des hebräischen Imperativs הוֹׁשִיה נָּא bedeutet der Begriff eigentlich „hilf doch!“.11) Er wurde deshalb als Glockenname häufiger verwendet.12)
Die nach den Heiligen genannten Namen bezeichnen neben dem Pfarrer vermutlich die Bürger, die sich an der Finanzierung der Glocke beteiligten. Dafür spricht vor allem die Erwähnung einer Frau, der Witwe Elisabeth, wodurch der Gedanke an kirchliche oder städtische Amtsinhaber in den Hintergrund rückt.