Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 64: Querfurt (2006)
Nr. 62 Dornstedt, ev. Kirche (St. Pankraz) 1506
Beschreibung
Glocke, Bronze. Um die Schulter verläuft die von einem Gießer-, einem Pilgerzeichen, einem Kruzifixus und einem Wappenschild unterbrochene Inschrift, die neben dem Gußjahr den Kreuztitulus sowie zwei Anrufungen enthält. Am unteren der zwei begleitenden Stegpaare hängen in regelmäßigem Abstand acht doppelstielige Weinblätter. Die schräg ansteigende Haube sowie der Wolm tragen zwei weitere Stegpaare. Die Flanke ist oberhalb des Wolmes durch das medaillonartige, mit einem großen Nimbus versehene Brustbild Gottvaters verziert. In der Linken hält er das Zepter, die undeutlich ausgegossene Rechte ist im Segensgestus erhoben.1) In dem von einem hochrechteckigen Rahmen umgebenen Pilgerzeichen auf der gegenüberliegenden Flankenseite ist eine Kreuzigungsgruppe dargestellt. Das Haupt des Erlösers flankieren zwei auf dem Querbalken des Kreuzes sitzende Engel.
Maße: H.: 100 cm; Dm.: 130 cm; Bu.: 4,7 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal.
Annoa) ·b) dom(in)ic) moccccc ·d) vi ·e) ih(esv)s +f) nasare(nvs)g) //h) rex ·d) //i) ivdeorv(m)j)2) ·e) annak) marial)
Übersetzung:
Im Jahr des Herrn 1506, Jesus von Nazareth, König der Juden, Anna, Maria.
Stadt Halle.3) |
Textkritischer Apparat
- Anno] Vor dem Versal das Gießerzeichen, vgl. Fig./Stz./M. 15; die Abb. in Kdm. (Mansf. Seekr.) 1895, S. 53 unzutreffend. Das A in Form eines Minuskel-a, dessen unterer Bogenabschnitt des gebrochenen unteren Bogens fehlt und dessen oberer Bogen als linksschräger Schaft ausgeführt ist. Den unteren Bogen schließt in der Mitte ein waagerechter Zierstrich ab.
- Worttrenner in Form eines breiten Ringes in Zeilenmitte.
- dom(in)i] Abk. durch ein etwas nach links versetztes Quadrangel über dem i.
- Worttrenner in Form einer breiten Schlinge.
- Breiter, in der Mitte mit einem Nodus versehener Schaft, dessen Enden sich keilförmig verbreitern.
- Lateinisches Kreuz, dessen Stamm unten spitz und oben in einem Dreipaß endet.
- nasare(nvs)] Das s retrograd und schräg durchstrichen. Die Abk. durch einen spitzovalen, liegenden Ring über dem e.
- Unterbrechung durch ein fast vollplastisches Kruzifix ohne erkennbares Kreuz.
- Unterbrechung durch gekrönten Wappenschild.
- ivdeorv(m)] Abk. durch Quadrangel über der Fahne des r.
- · anna] ianua Kdm.; LfD Halle, Glockenbestandserfassung 1. Wk.
- maria] Nach dem Wort ein ädikulaförmiges, horizontal geteiltes Pilgerzeichen, dessen Giebel mit Krabben besetzt ist. Im Inneren nur Maria mit dem Christusknaben auf ihrem rechten Arm erkennbar; das abgeteilte untere Drittel unkenntlich. Das gleiche Pilgerzeichen von demselben Gießer auch auf den Glocken in Obergreißlau (Gem. Langendorf, Lkr. Weißenfels, 1507) und in Schlettau (Stadt Löbejün, Saalkreis) verwandt, vgl. DI 62 (Weißenfels) 2005, Nr. 86; Liebeskind 1905, Nr. 15, S. 119 (Abb. 11); Schröder 1933 (Mersebg.), S. 57. Zu weiteren vom Halleschen Gießer benutzten Pilgerzeichen vgl. Schröder 1933, S. 107.
Anmerkungen
- Vgl. die Abb. in Schubart 1896, S. 142. Dasselbe Zeichen auf Glocken in Bernburg (St. Ägidien, 1475), Zerbst (Lkr. Anhalt-Zerbst, St. Nicolai, 1477) und Elsdorf (Stadt Köthen, Lkr. Köthen, 1483), vgl. ebd., S. 142, 520, 213.
- Io 19, 19.
- Vgl. Siebmacher 1/4, 1885, S. 77, Taf. 110. Hier gekrönt.
- Vgl. Nr. 75, DI 62 (Weißenfels) 2005, Nr. 86, 87, 92, 93, 97, 100, 103. Die von Schubart 1896, S. 84f. vorgenommene Identifzierung mit einem Gießer Jaur oder Jar beruht auf einer Fehldeutung. Der stets hinter der Jahreszahl genannte Begriff ist lediglich die auch in anderen Inschriften anzutreffende deutsche Wiederaufnahme des lateinischen Anno, vgl. Nr. 65 Anm. 6; Bergner 1903, 238f.
- Vgl. zum Werk ThB 36, 1947, S. 226 (Lit.); LfD Dresden, Jungwirth 1941, S. 31f.; Schubart 1896, S. 84f., 141f.
- Vgl. Liebeskind 1905, Nr. 15, S. 117 mit Anm. 5; Kdm. (Querfurt) 1909, S. 190; Kdm. (Naumburg) 1905, S. 23, 237.
- Vgl. die Inschrift auf einer Glocke in Neustadt a. d. Orla (Lkr. Saale-Orla) von 1479 in Walter 1913, S. 262: J. N. R. J. / titulus triumphalis / custodiat nos ab omnibus malis. S. a. ebd., S. 298, 343.
- Vgl. dazu Nr. 59 mit Anm. 5.
Nachweise
- Kdm. (Mansf. Seekr.) 1895, S. 53.
- LfD Halle, Glockenbestandserfassung 1. Wk., Aufnahmebogen zu Dornstedt vom 15. 3. 1917.
- LfD Halle, Glockenaktenslg. (ungeord.), Glockenbestandsaufnahme 1942, Aufnahmebogen Nr. 6/6/27 C.
Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 62 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0006200.
Kommentar
Die Schrift prägen breite, jedoch nur äußerst flach hervortretende Buchstaben und Zeichen. Die Schäfte sind mitunter leicht eingeschnürt und münden an den Enden in kräftige Quadrangel. Der Balken des e ist zu einem steil rechtsschräg gestellten Haarstrich reduziert, der den Schaft nicht berührt. Der Bogen des h wurde bis unter die Grundlinie gezogen. Das x verfügt über einen leicht rechtsschräg verlaufenden Balken.
Das Wappen und die Weinblätter lassen keinen Zweifel daran, daß es sich hierbei um ein Werk des namentlich nicht bekannten Halleschen Gießers handelt, dem auch im weiteren Umkreis seiner Heimatstadt eine Vielzahl von Glocken zuzuweisen ist.4) Die früheste Arbeit scheint der Guß von 1475 für die Laterne der Bernburger St.-Ägidien-Kirche gewesen zu sein; nach 1520 verlieren sich allmählich seine Spuren.5) Ob die u. a. auf den Glocken zu Pödelist (Burgenlandkreis) oder Abtlöbnitz (Burgenlandkreis) verzeichnete Signatur GW Liebeskind und Bergner zu Recht dazu veranlaßte, in dem Gießer einen Vorfahren des erst um 1600 tätigen Meisters Georg Wolgast zu sehen, ließ sich bisher nicht verifizieren.6)
Der Kreuztitulus ist ein auf Glocken häufig anzutreffendes Apotropaion.7) Die Anrufung der hl. Anna noch vor Maria zeugt von der stark zunehmenden Annenverehrung seit dem Ende des 15. Jahrhunderts.8)