Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 64: Querfurt (2006)
Nr. 58† Leimbach, ev. Kirche (St. Matthias) 1503
Beschreibung
Glocke. Sie war die mittlere und älteste des dreitönigen Geläutes. Als sie sprang, ließ man im Jahre 1885 alle drei Glocken von den Gebrüdern Ulrich in Laucha (Burgenlandkreis) ersetzen.1)
Inschrift nach Kdm.2)
Maße: Dm.: 65 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.3)
Anno m . ccccc . iii .sum . quid . eram . ero . quod . dicor . verumq(ue)a) . maria.
Übersetzung:
Im Jahre 1503. Ich bin, was ich war, sein werde und als was man mich bezeichnet: Beides.4) Maria.
Versmaß: Hexameter.5)
Textkritischer Apparat
- verumq(ue)] Auflösung nach der überlieferten Schreibweise verumqz. Lies unter Beachtung des Kommentars: vtrumq(ue).
Anmerkungen
- Vgl. PfA Leimbach, Glocken, o. S.
- Vgl. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 145, leider ohne genaue Quellenangabe. Vgl. das Zitat der Inschrift ohne Herkunftsbezeichnung in Sommer 1889, S. 406, Nr. 36.
- Angaben nach Kdm. (Querfurt) 1909, S. 145.
- Übersetzung der Emendation, vgl. Anm. a.
- Ohne die Jahresangabe. Die Silben vor der Trithemimeres (mit Hiat) und der Hephthemimeres werden gelängt (productio in arsi). Zur Kürze der Endsilbe auf -o bei der Konjugation der lateinischen Verben (hier in ero) vgl. Quicherat 1878, S. XIX–XXII; allg. auch Hartenberger 1911, passim.
- Vgl. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 145. Zum Spruch vgl. LCI 1, 1994, Sp. 550ff.; Bergner 1905, S. 414. Siehe z. B. DI 44 (Günzburg) 1997, Nr. 10; DI 13 (Friedhöfe Nürnberg) 1972, Nr. 944, 1161; DI 33 (Stadt Jena) 1992, Nr. 177; DI 43 (Rheingau-Taunus) 1997, Nr. 477.
- Vgl. CMAPL 2/1, 1963, Nr. 30635a (Übers.: Ich bin, was ich war, aber ich war nicht, was ich bin, nunmehr nennt man mich beides). S. a. die Varianten Nr. 43312a1: „Sum quod eram, sum quod non eram, nunc dicor utrumque“ (Übers.: Ich bin, was ich war, ich bin, was ich nicht war, nun nennt man mich beides); CMAPL 1/1, 1969, Nr. 18727: „Sum, quod eram, nec eram, quod sum“ (Übers.: Ich bin, was ich war, aber ich war nicht, was ich bin). Vgl. den Kommentar in DI 29 (Worms) 1991, Nr. 359.
- Vgl. Bertalot 1921, S. 24, 27.
- Übers.: Erstens: Jungfrau, zweitens: Mutter, drittens: Jungfrau und Mutter.
- Vgl. Concil. Basil. 6/1, 1926, S. LVII, 589; Marienlexikon 6, 1994, S. 331–333; ebd. 3, 1991, S. 483; LThK 6, 1997, Sp. 1323.
- Vgl. DI 29 (Worms) 1991, Nr. 359.
Nachweise
- Kdm. (Querfurt) 1909, S. 145.
Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 58† (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0005806.
Kommentar
Der Spruch ist als Glockenrede ungewöhnlich und in dieser Form bisher einzigartig. Bergners Bezugnahme auf das bekannte memento mori: Sum quod eris, qui es ipse fui o. ä. kann in Verbindung mit Maria allerdings nicht überzeugen.6) Vielmehr wird es sich hierbei um die verderbte Wiedergabe einer seit dem 12. Jahrhundert bezeugten metrischen Redefigur zur unbefleckten Empfängnis handeln: Sum quod eram nec eram quod sum nunc dicor utrumque.7) Gedruckt erschien diese Wendung erstmals in einer von Enea Silvio Piccolomini verfaßten und von Johann Adelphus Muling 1507 herausgegebenen Epitaphiensammlung unter dem Titel „Aeneas Silvius de pravis mulieribus. Epitaphia Clarorum virorum et alia multa“.8) Dort schließt sich dem Hexameter ergänzend die Auflösung des Rätsels an: Primo virgo, secundo mater, tertio virgo et mater.9) Im Jahre 1439 hatte die Entscheidung des Basler Konzils zum Dogma erhoben, daß Maria ohne Erbsünde gewesen sei.10) Dies mag den entscheidenden Impuls für die verstärkte Verbreitung des Rätselspruches im Verlaufe des 15. und 16. Jahrhunderts gegeben haben.11)