Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 52† Querfurt, ev. Burgkirche (St. Maria, Peter und Paul) 2. H. 15. Jh.

Beschreibung

Vergoldete Tafel. Der Schreiber der „Memorabilia Querfurtensia“ überliefert unter der Überschrift „Inn der Schlos Kirchen ufm Schlos Querffurdt“1) die Sterbevermerke für Brun VI. und Brun VII. von Querfurt2) und ergänzt diese nach der Notiz „An einer vorgulten Taffeln abgeschriben“1) durch die Wiedergabe von vier Bildtituli.

Inschrift nach StdtA Querfurt, Mem. Querf.

  1. A

    Hie Predigt S(anct) Brun Zu Pragaa) Jn Vngern Vnd die Jn todten wolten, stunden Vnbeweglich vnd begerten von Jhme die taufe3)

  2. B

    Hie suchet Zebbde, Konnigs Boslaij bruder S(anct) Brun Zu todten4)

  3. C

    Hie wirdt S(anct) Bruno Jn der messe seine handt vnd sein heupt abgehauen vnd von dem altar gestossen, do die handt gleichwol das Ambt volb(rac)htb)5)

  4. D

    Sanct Bruno Im feur gestanden tag Vnd Nacht vnd vnuorsehret geblibenn.c)6)

Kommentar

Leider läßt sich anhand der spärlichen Angaben kein eindeutiges Bild von dieser „vorgulten Taffel“ gewinnen. Feststeht, daß die Burgkirche seit dem 12. Jahrhundert auch dem heiligen Brun geweiht war,7) da auf ihn die Einrichtung oder Erweiterung des vierköpfigen Priesterkollegiums zurückging.8) Dementsprechend darf man auch einen ihm geweihten Altar annehmen,9) über dessen Verwendung nach der Reformation neu entschieden werden mußte. Da das Martyrium des hl. Brun besonders eng mit der Querfurter Ortsgeschichte und Tradition verknüpft war, ist durchaus denkbar, daß das Retabel als Ganzes oder Teile davon in der Kirche belassen wurden. Für eine solche Identifizierung des Inschriftenträgers spricht außerdem, daß ein Altar in der Regel in Gold gefaßt war und mit dem Begriff „Tafel“ präzise bezeichnet wird.10) Eine passende Ergänzung findet diese Hypothese in Spangenbergs Bemerkung über ein „Gemelde“, das Brun unzutreffend als Erzbischof von Trier ausweise.11) Jenes Gemälde könnte deshalb in Bezug zu der in Querfurt vorhandenen Lebensbeschreibung Bruns stehen, die denselben falschen Sachverhalt schildert.12) Diese Biographie setzt sich aus zwei Teilen zusammen, einer „Vita“ und einer „Passio sancti Brunonis episcopi et martyris“. Da nun das von Spangenberg genannte „Gemelde“ einer Nachricht aus der „Vita“ folgt und die vier Szenen der „vergulten Taffel“ ihre Entsprechungen in der „Passio“ finden, lassen sich beide Bilder auf diese Quelle beziehen und könnten ursprünglich als Flügel ein- und desselben Altares zusammengehört haben. Ein zweifelsfreier Nachweis läßt sich freilich dafür nicht erbringen.

Mindestens ebenso vage muß der Datierungsvorschlag bleiben. Als Indizien kommen nur die Einführung der Reformation 154213) als terminus ante quem und das verstärkte Einsetzen der deutschen Sprache in Inschriften der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts14) als terminus a quo in Betracht. Da aber das Apostolische Glaubensbekenntnis am Niedereichstädter Altar von ca. 1435 die Diphthongierung des /i/ in synen (d. i. seinen) noch nicht aufweist,15) diese aber in den Bildtituli mehrfach belegt ist, wird die Tafel sicher nicht vor der Mitte des 15. Jahrhunderts erstellt worden sein. Andererseits ist die Anfertigung eines so wertvollen Stückes, die ja in der Regel auf einer außerordentlichen Stiftung basiert, nach dem Aussterben der Edlen von Querfurt (1496)16) auch nicht anzunehmen, so daß die Entstehungszeit grob auf die zweite Hälfte des 15. Jahrhundert eingegrenzt werden kann.

Textkritischer Apparat

  1. Praga] Lies: Praso, denn gemeint ist das ungarische Kronstadt bzw. Brassó, heute Braşov (Rumänien); vgl. Voigt 1927, S. 102f., 130 Anm. 28.
  2. volbracht] volzog Voigt.
  3. Die gesamte Inschrift (D) im Ms. wohl von anderer Hand nachgetragen, vermutlich aber nicht viel später.

Anmerkungen

  1. StdtA Querfurt, Mem. Querf., fol. 80v.
  2. Vgl. Nr. 46 u. 48.
  3. Vgl. dazu den Passus aus der Passio S. Brunonis episcopi et martyris in: Voigt 1927, S. 130 cap. 1, 2: „Vir autem dei deuote suscipiebat euangelium praedicationis ac felici itinere ad opidum, quod dicitur Prago, peruenit (...).“ Ebd., cap. 2, 5: „Quidam autem ex eis adheserunt, confitentes Iesum Christum, et baptismi gratiam perceperunt.“ Vgl. auch Vita et Passio 1934, S. 1364.
  4. Vgl. dazu ebd., S. 132 cap. 6, 1: „Zebeden uero frater eius, audiens conversionem fratris [i. e. Boslaii], graui ira commotus, misit milites, qui ut sanctum virum raperent suique praesentie praesentarent.“ Vgl. auch Vita et Passio 1934, S. 1365. König Boleslaus I. von Polen (vgl. Europäische Stammtafeln NF, hg. v. Detlev Schwennicke, Bd. 2: Die außerdeutschen Staaten. Die regierenden Häuser der übrigen Staaten Europas, Marburg 1984, Taf. 120) hatte den hl. Brun nach Preußen gerufen. Sowohl in der Handschrift als auch auf der Tafel ist sein Name irrtümlich auf den preußischen Fürsten übertragen worden, der sich als erster von Brun taufen ließ, vgl. Vita et Passio 1934, S. 1364 Anm. 9. Zur unsicheren Identifikation seines Bruder Zebedäus vgl. ebd., S. 1365 Anm. 5 (Lit.).
  5. Vgl. dazu ebd., S. 132 cap. 6, 3ff.: „At unus ex eis improbe cum maxima audacia sanctum uirum incurrit, manum, cum qua sacrificium benedixit, ferro abscidit et deinde ui ab altari eum pepulit. Mox, ut idem uidit manum pendentem signa supra sancta facientem, commotus obstupuit (...). Cetera multitudo cum irrumperet, vnus ex eis exempto gladio amputauit caput eius (...).“ Vgl. auch Vita et Passio 1934, S. 1365f.
  6. Vgl. dazu ebd., S. 131f. cap. 5, 2f.: „(...) intrepidus ignium flammas intrauit, stetit ac immobilis permansit diem integrum et noctem totam, quasi in loco frigido (...). At uero cum secunda die primo mane de flamma quasi de rore flante illesus progrederetur (...).“ Vgl. auch Vita et Pasio 1934, S. 1365.
  7. Vgl. Schmitt 2002, S. 29; Voigt 1907, S. 91 mit Anm. 382.
  8. Vgl. Voigt 1907, S. 88 unter Bezugnahme auf die Fundacio ecclesie collegiate Querfurtensis, abgedruckt in Holstein 1871, S. 78–85. Siehe hierzu auch Pätzold 1999, S. 37–65. Zum hl. Brun allgemein vgl. TRE 7, 1981, S. 233–236 (Lit.); Einl. Kap. 2.3.
  9. Reinhard Schmitt wirft die Frage auf, ob der Hauptaltar neben Maria auch dem hl. Brun geweiht war, vgl. Schmitt 2002, S. 30.
  10. Vgl. Grimm/Grimm 21, 1935, Sp. 17 (hier speziell die Belege in Bezug auf Altäre).
  11. Vgl. Spangenberg 1590, S. 129; Voigt 1928, S. 324. Voigts Hinweis auf die mögliche Deutung des Wortes Gemelde im Sinne von ‚Meldung‘ ist nirgends belegt; vgl. Voigt 1927, S. 120 Anm. 48. Mhd. ‚gemelden‘ ist nur als Verb bezeugt, vgl. Lexer 1986, S. 60.
  12. Vgl. Voigt 1927, S. 94; Vita S. Brunonis episcopi et martyris, cap. 4, 1ff., in: Voigt 1927, S. 127; vgl. auch Vita et Passio 1934, S. 1350–1367.
  13. Vgl. Delius 1934, S. 79; Ihle 1926, o. S.
  14. Vgl. Nr. 8, 26, 30. S. a. Voigt 1915, S. 90.
  15. Vgl. Nr. 30 B. Zur Diphthongierung von /i/ vgl. Mettke 1989, S. 67.
  16. Vgl. Nr. 48.

Nachweise

  1. StdtA Querfurt, Mem. Querf., fol. 80v.
  2. Voigt 1927, S. 99.
  3. Voigt 1928, S. 324.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 52† (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0005204.