Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 44† Schraplau, Burg 1489

Beschreibung

Wappentafel, Sandstein. Die um 12001) errichtete mittelalterliche Burganlage war zu Beginn des 18. Jahrhunderts schon stark zerfallen2) und ist heute nur noch anhand der massiven Grundmauern erkennbar. Im Hof der Kernburg befand sich ein Bergfried3), auf den sich Biering bezieht, um die Lage einer älteren Inschrift zu beschreiben: „(...) an der Auslage gegen den Thurme über ein mittleren Geschoß gegen Morgen ist ein großer Sandstein eingemauert. Mitten inne siehet man das gräflich Mansfeldische Wappen und diese Nebenschrift.“4) Unter der Bauinschrift (A) waren nebeneinander vier Namen (B–E) mit den jeweiligen Wappenschilden angebracht.

Inschriften nach HB Eisleben, Biering.

  1. A

    Nobiles et generosi Comites et Domini Fratres in Mansfeld Albertus Anno: 1484 et Ernestus 81a) qualeb) Hoigeri Albertic) natorum Ernesti 89d) opus id construi egerunt

  2. B

    Rudolf von / Wazdorff5)

  3. C

    Hans von / Latorf6)

  4. D

    Cnute von / Herbelstein7)

  5. E

    Cunz von / Wazdorf5)

Übersetzung:

Die edlen und wohlgeborenen Grafen und Herren zu Mansfeld, die Brüder Albrecht und Ernst, ließen im Jahre 1484 und 1481 dieses Bauwerk errichten, wie es 1489 Hoyer (...) Albrecht, den Kindern von Ernst, gehörte (?).

Wappen:
Mansfeld;8)
Watzdorf9), Lattorf10), Herbilstatt (?)11), Watzdorf9).

Kommentar

Der überlieferte Text der Inschrift (A) läßt sich zwar notdürftig übersetzen, wenn man im Nebensatz ein est oder erat ergänzt und die Namen als Genetivi possessivi interpretiert, jedoch erscheint die Formulierung ungewöhnlich verknappt und die Bedeutung in Bezug auf die historischen Tatsachen dunkel. Insofern ist eine größere Lücke anzunehmen. Der Burgbezirk Schraplau gehörte infolge der Erbteilungen in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zum Besitz des Grafen Günther II. von Mansfeld.12) Dieser legte in einer Regiments- und Hausordnung von 1470/71 testamentarisch fest, daß seine Söhne Albrecht III. und Ernst I. das Erbe zunächst für 12 Jahre ungeteilt verwalten und die Regierung des Landes abwechselnd stets für jeweils drei Jahre übernehmen sollten, bevor sie von der Möglichkeit einer gerechten Landesteilung Gebrauch machen dürften.13) Diese Verordnung trat mit dem Tode Günthers II. 1475 in Kraft. Da Albrecht die Herrschaft als erster antrat, führte er auch im inschriftlich bezeichneten Jahr 1484 die Amtsgeschäfte, Ernst entsprechend 1481. Am 3. Dezember 1484 verstarb Albrecht III. Er hinterließ die drei unmündigen Söhne Günther III., Ernst II. und Hoyer III., die nun zunächst unter der Vormundschaft seines Bruders standen.14) Ernst I. verschied kaum ein oder zwei Jahre später.15) Für zwei seiner ebenfalls noch unmündigen Nachkommen, Albrecht IV. und Gebhard VII., sind als Vormünder Rudolf von Watzdorf und Paul Moßhauer überliefert, ein dritter Sohn hieß Volrad.16) Da Rudolf von Watzdorf auch in der Inschrift erscheint, darf angenommen werden, daß im Nebensatz mit Alberti sein Mündel Albrecht IV., also der Sohn Ernsts I., gemeint ist. Weil nun aber Hoyer kein Sohn Ernsts I. war, sondern dessen Bruder Albrecht III. zum Vater hatte, der Plural natorum jedoch auf die Nennung weiterer Söhne Ernsts I. schließen läßt, ist die Lücke vermutlich hier anzunehmen. Analog zu den Angaben zur genealogischen Abkunft der Kinder Ernsts ist mit einem Hinweis auf den Vater Hoyers, Albrecht III., zu rechnen. Unter dieser Voraussetzung ließe sich der Textverlust leicht durch Augensprung erklären, da die Namensform Alberti dann zweimal in der Inschrift verwendet worden wäre: zunächst in Bezug auf den Vater Hoyers, Albrecht III., danach in Hinblick auf den Sohn Ernsts I., Albrecht IV. Man könnte folglich davon ausgehen, daß bis Hoigeri eine korrekte Textfassung vorläge und die im folgenden angeführten Kinder des Grafen Ernst I. dem Kopisten entgangen wären. Der ergänzte Nebensatz könnte demnach in etwa gelautet haben: quale Hoigeri, [Alberti filii, et Gebehardi et Volcradi et] Alberti, natorum Ernesti, 89 [erat].17) Für diese Lesart spräche außerdem, daß dann die Anzahl der Mündel mit der der Vormünder übereinstimmen würde.18) Allerdings nennt Leers als Vormund für Gebhard VII. einen Dr. Paul Moßhauer,19) der in der Inschrift nun nicht in Erscheinung tritt. So sind mit dieser Konjektur freilich nicht alle Zweifel ausgeräumt. Aus dem überlieferten Text geht aber zumindest soviel hervor, daß es sich hier nicht allein um eine Bauinschrift, sondern vorrangig um eine Manifestation von Besitzansprüchen handelt. Denn im Jahre 1489 waren Albrecht III. und Ernst I. schon lange verstorben. Auftraggeber der Inschrift konnten folglich nur die genannten Vormünder sein, denen es in einer Zeit drohender Erbstreitigkeiten darauf ankam, vereinbartes Recht auf Eigentum für künftige Verhandlungen zu dokumentieren. In der Aufteilung des Mansfeldischen Landes von 1501 kam schließlich das Schloßamt Schraplau an Gebhard VII. und das Unteramt Schraplau an Albrecht IV.20)

Textkritischer Apparat

  1. 81] 87 Kdm. Lies: 1481.
  2. quale] Auch die Lesart quam ist im Manuskript möglich.
  3. Alberti] et Alberti. Kdm. Hier ist durch Augensprung eine größere Lücke anzunehmen, da der Genetiv des Namens Albertus nach dem Formular des Textes zweimal aufgetreten sein dürfte. Lies vermutlich: [Alberti filii et Gebehardi et Volcradi et] Alberti o. ä.
  4. 89] Lies: 1489.

Anmerkungen

  1. Vgl. Wäscher 1, 1962, S. 190 (Lit.). S. a. Grimm 1958, S. 281 (Lit.).
  2. Vgl. Burkhardt 1935, S. 44.
  3. Vgl. Wäscher 1, 1962, S. 190: „von 15m Durchmesser und 30m Höhe“; ders. 2, 1962, Abb. 658. S. a. StdtA Schraplau, Hist. Beschreibung 1724, o. S. (1. Blatt).
  4. Vgl. HB Eisleben, Biering 3, 1724, fol. 618v. Grössler in Kdm. (Mansf. Seekr.) 1895, S. 352 und Neuß 1999, S. 357 zitieren die entsprechende Lokalisierung Cyriacus Spangenbergs aus einem heute verlorenen Teil der Mansfeldischen Chronik: „an dem Ercker der alten Hoffstuben auswendig gegen dem Oberthore werdts unter den Fenstern“. Vgl. hierzu den Grundriß der Burganlage in Wäscher 2, 1962, Bild 658.
  5. Vgl. zum Geschlecht derer von Watzdorf NaDAL 9, 1870, S. 489ff. (Lit.).
  6. Vgl. zum Geschlecht derer von Lattorf Adelslexikon 7, 1989, S. 202 (Lit.). Zu Hans von Lattorf siehe Spangenberg 3/3, 1912, S. 233ff.; König 1729, S. 646.
  7. Spangenberg überliefert Cuntz von Herberstedt, vgl. Kdm. (Mansf. Seekr.) 1895, S. 352 Anm. 2. Gemeint ist wohl kaum das aus der Steiermark stammende Geschlecht von Herberstein, vgl. Adelslexikon 5, 1984, S. 133–135 bzw. Siebmacher 4/5, 1904, S. 113–119, Taf. 36, sondern das fränkische Geschlecht von Herbilstatt, vgl. NaDAL 4, 1863, S. 322.
  8. Vgl. zum Mansfelder Wappen allg. Siebmacher 1/3/3A, 1887, S. 151ff.
  9. Vgl. Siebmacher 6/6, 1884, S. 178, Taf. 116.
  10. Vgl. Siebmacher 6/6, 1884, S. 95, Taf. 61.
  11. Vgl. Siebmacher 6/12, 1907, S. 37, Taf. 28.
  12. Vgl. zu den Erbteilungen im einzelnen Leers 1911, S. 17ff., hier insbes. S. 23. Zur Genealogie und modernen Zählweise vgl. auch im folgenden Europ. Stammtaf. NF 19, 2000, Taf. 85, 86, 89.
  13. Vgl. wie auch im folgenden Leers 1911, S. 32.
  14. Vgl. Spangenberg 3/3, 1912, S. 233.
  15. Er starb zwischen dem 16. 8. 1485 und dem 26. 7. 1486, vgl. Europ. Stammtaf. NF 19, 2000, Taf. 89.
  16. Vgl. Leers 1911, S. 34; Europ. Stammtaf. NF 19, 2000, Taf. 89.
  17. Übers.: „wie es (das Bauwerk) Hoyer, Albrechts Sohn, sowie Gebhard, Volrad und Albrecht, den Söhnen Ernsts, 1489 gehörte“. Vgl. Anm. c.
  18. An männlichen Nachkommen Ernsts I. sind überliefert: Albrecht IV. (gest. 1560), Albrecht (gest. 1485, kommt hier also nicht in Betracht), Gebhard VII. (gest. 1558) und Volrad (gest. nach 1487, könnte also 1489 durchaus noch gelebt haben), vgl. Europ. Stammtaf. NF 19, 2000, Taf. 89.
  19. Vgl. Leers 1911, S. 34.
  20. Vgl. Leers 1911, S. 35.

Nachweise

  1. HB Eisleben, Biering 3, 1724, fol. 618v.
  2. Kdm. (Mansf. Seekr.) 1895, S. 352.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 44† (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0004402.