Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 64: Querfurt (2006)
Nr. 16† Obhausen, ev. Kirche (St. Johannes) A. 14. Jh. (?)
Beschreibung
Glocke. Sie war die mittlere des Geläutes. Über ihren Verbleib ist nichts bekannt. Ab 1839 nahm ihre Stelle eine Glocke der Gebrüder Ulrich in Laucha ein.1)
Inschrift nach Abzeichnung in PfA Leimbach, Chronik.
Schriftart(en): Gotische Majuskel (?).
+a) UOXb) DEIc) · · PAX D(O)MINId) AѠe)2)
Übersetzung:
Die Stimme Gottes, der Friede des Herrn. AѠ.
Textkritischer Apparat
- Tatzenkreuz, konturiert wiedergegeben.
- UOX] Das U auf dem Kopf stehend.
- DEI] Der obere freie Bogenabschnitt des unzialen D fehlt. Der Abschlußstrich des unzialen E und der Schaft des mit i-Punkt ausgestatteten I sind doppelt gezogen.
- D(O)MINI] Ohne Kürzungszeichen überliefert. Das erste I ist konturiert wiedergegeben und wird in der Mitte von zwei Punkten flankiert, die durch einen halbkreisförmigen Zierstrich verbunden sind. Das zweite I ist ein schmales, hochgestelltes Rechteck, dessen senkrechte Linien doppelt gezeichnet sind. Es wird links von einer 3-förmigen Zierlinie begleitet.
- AѠ] Das Ѡ konturiert wiedergegeben. Auf beiden Zeichen steht ein ebenfalls konturiert abgebildetes Kreuz.
Anmerkungen
- Vgl. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 180.
- Vgl. Apc 1, 8; 21, 6; 22, 13.
- Vgl. zu dieser Technik Schilling 1988, S. 138–144. Fraglich ist, ob die Teilkonturierung in der Zeichnung den originalen Buchstabenformen entsprach oder ob sie lediglich eine breitere Strichstärke andeuten sollte.
- Vgl. Schubart 1896, S. 166f. (Brambach, Lkr. Anhalt-Zerbst), 179 (Crüchern, Gem. Wohlsdorf, Lkr. Bernburg), 289 (Wülknitz, Lkr. Köthen), 355 (Meilendorf, Lkr. Köthen), 366 (Neeken, Gem. Brambach, Lkr. Anhalt-Zerbst), 458 (Steckby, Gem. Steutz, Lkr. Anhalt-Zerbst). S. a. Kdm. (Halle/Saalkr.) 1886, S. 589 (Trebnitz, Gem. Kloschwitz, Saalkreis); Kdm. (Delitzsch) 1892, 98 (Gerbisdorf, Lkr. Delitzsch); Kdm. (Bitterfeld) 1893, 4 (Altjessnitz, Lkr. Bitterfeld).
- Vgl. Schubart 1896, S. 166 f.
- Vgl. Schubart 1896, S. 179 (Abb. 39), 355 (Abb. 144).
- Vgl. Schubart 1896, S. 289 (Abb. 112).
- Dagegen spricht vor allem die Verwendung verschiedener Beschriftungstechniken: Während die Buchstaben der Glocke zu Brambach geritzt wurden, hat man für die Crücherner Glocke ausgeschnittene Wachsformen verwendet, vgl. wie Anm. 4. Auch aus den Buchstabenformen allein läßt sich die enge Datierungsspanne nicht ableiten: So finden sich Bogenschwellungen und Halbkontur selbstverständlich auch auf nach 1320 gegossenen Glocken, vgl. z. B. die Mühlhausener Glocke (Lkr. Mühlhausen; 1345) oder die Steudener Glocke (Saalkreis; 1336) in Schilling 1988, S. 145 (Abb. 275), 149 (Abb. 289).
- Vgl. Walter 1913, S. 224, 226, 284, 305, 338, 362, 519 etc. S. a. Nr. 7, 85.
- Vgl. hierzu Nr. 7.
- Vgl. Jungmann 1, 1962, S. 302 Anm. 120.; zur Pax Domini ders. 2, 1962, S. 399–413. Vgl. hierzu auch die Inschrift auf einer alten Glocke zu Regensburg in Walter 1913, S. 168 (Anm.): QVANDO · PVLSETVR · PAX · ET · CONCORDIA · DETVR · AMEN. Mit PAX (...) DETVR kann hier nur der Friedenskuß in der Messe gemeint sein.
- Vgl. Demski 1903, S. 270f.; Otte 1884, S. 36; Schubart 1896, S. 540f. unter Berufung auf Rocca 1612, S. 186.
- Vgl. wie Anm. 12; Schubart 1896, S. 167.
Nachweise
- PfA Leimbach, Chronik 1714/17, S. 72.
Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 16† (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0001608.
Kommentar
Die in der Abzeichnung leicht nach rechts geneigten Buchstaben sind an wenigen Stellen konturiert, hauptsächlich jedoch in einfachen Linien wiedergegeben, so daß sie vermutlich in den Glockenmantel geritzt worden waren.3) Die Schäfte laufen meist in hakenförmig gekrümmte Zierlinien aus. Das fast vollrunde A verfügt über einen halbkreisförmig nach oben gebogenen, beiderseits überstehenden Deck- und einen gebrochenen Mittelbalken. Das D, das geschlossene E und das offene M sind unzial, das N ist rund. Als Worttrenner dienen Punkte in Zeilenmitte.
Dieser seltener bezeugte Glockenspruch ist bisher nur im Raum Sachsen-Anhalt nachweisbar.4) Schubart nimmt deshalb für alle bekannten Glocken nur einen Gießer an, der etwa zwischen 1280 und 1320 gearbeitet habe.5) Seine Hypothese stützt sich vor allem auf die Buchstabenformen, die stets der Gotischen Majuskel angehören und in der Regel mit deutlichen Bogenschwellungen versehen sind. Die Glocken von Crüchern (Gem. Wohlsdorf, Lkr. Bernburg) und Meilendorf (Lkr. Köthen) zeigen im Vergleich zu der hier wiedergegebenen Inschrift die ganz ähnlich gestalteten apokalyptischen Zeichen A und Ѡ mit aufgesetzten Kreuzen.6) Die Glocke in (Groß-)Wülknitz (Lkr. Köthen) weist daneben ein spiegelverkehrtes U in UOX und ein O statt D in DEI auf.7) So scheint ein Werkstattzusammenhang durchaus denkbar, wenngleich nicht alle betreffenden Glocken auf den genannten Zeitraum eingrenzbar sind.8) Die Zeichnung der Obhäuser Glocke zeigt indes nur sehr bescheidene Bogenschwellungen, so daß auch in Anbetracht der vermuteten Ritztechnik eine Datierung in das beginnende 14. Jahrhundert zutreffen könnte.3)
Obwohl der Begriff „vox“ auf zahlreichen Glocken deren Klang bezeichnet, findet sich bisher nirgends ein Beispiel dafür, daß der Glockenton konkret als Stimme Gottes verstanden wurde.9) Insofern wird man auch hier eine Identifizierung von UOX DEI und Glocke ablehnen und dafür eine Übersetzung ohne primären Bezug zum Inschriftenträger bevorzugen.10) UOX DEI PAX DOMINI ist somit vielmehr im Sinne einer klar formulierten Aufforderung als Wille Gottes zum Frieden Christi aufzufassen, wozu die Glocke beständig ermahnen soll. Diese allgemeine Botschaft könnte jedoch in der Junktur PAX DOMINI auch eine direkte Beziehung zur Meßliturgie beinhalten. Noch heute wird in den Gemeinden Mittelamerikas zur Pax Domini geläutet, und da die Glockenzeichen während der Messe regional stets unterschiedlich gehandhabt wurden, läßt sich aus der Inschrift vielleicht auch diese spezielle liturgische Funktion der Glocke ableiten.11) Papst Nikolaus III. hatte 1280 veranlaßt, daß zwischen der Pax Domini und dem Agnus Dei ein Friedensgebet eingeschoben wurde.12) Das seit dem 15. Jahrhundert als „Pro pace schlagen“ bezeichnete, jedoch sehr viel ältere drei- oder neunmalige Glockensignal könnte damals ins Leben gerufen worden sein.13)