Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 64: Querfurt (2006)
Nr. 1 Eisleben, Heimatmuseum 4. V. 12. Jh.
Beschreibung
Tympanon, roter Sandstein. Das aus dem Benediktinerinnenkloster St. Maria zu Holzzelle (Gem. Hornburg) stammende Bogenfeld ist in drei Teile zerbrochen, die man zu verschiedener Zeit entdeckte. Das linke und das mittlere Fragment werden bereits 1895 von Brinkmann erwähnt und befinden sich gegenwärtig im Heimatmuseum zu Eisleben.1) Das rechte, 1899 nach dem Abnehmen des Putzes an der Westseite des ehemaligen Pächterhauses zum Vorschein gekommene Ergänzungsstück ist heute leider nicht mehr auffindbar.2) Neubauer lokalisiert es 1972 als vermauerte Spolie in der Westwand eines Holzzeller Wohngebäudes.3) Dieses kleinste Fragment verfügte noch über das sonst völlig abgestoßene, etwa 9 cm breite Rahmenmuster, das sich aus ineinander verschlungenen Perlbändern und Palmetten zusammensetzte. Das eingetiefte Binnenfeld der zwei erhaltenen Bruchstücke zeigt im Halbrelief acht Figuren, die an einer Stiftungs- oder Weiheszene teilhaben. Im Zentrum sieht man als Patronin des Klosters die thronende Gottesmutter. Im Unterschied zu den Profilansichten der übrigen Personen ist sie frontal zum Betrachter gestellt und wie der Jesusknabe mit einem Nimbus versehen. Ihr zugewandt steht links ein Mann, der vermutlich ein Kirchenmodell hält und den eine rechts über dem Haupt eingemeißelte Inschrift als Erzbischof identifiziert. Hinter seinem Rücken umfaßt eine andere Figur fürbittend die Schulter eines kleineren, anscheinend knienden Dritten. Die rechte Bildfläche zeigt neben Maria eine weibliche (?) und dahinter eine männliche Person, die beide ein Buch in den Händen halten. In der linken äußeren Ecke des Bogenfeldes sitzt wiederum frontal eine weitere Figur, die einen Turm mit spitzem Dach präsentierend umfängt. Ein ebenso gestaltetes Pendant war spiegelbildlich im verlorenen rechten Eckstück ausgeführt.4)
Maße: H.: 94 cm; B.: 217 cm5); T.: ca. 15 cm; Bu.: 3 cm.
Schriftart(en): Romanische Majuskel.
ARCHI/EP(ISCOPV)Sa)
Übersetzung:
Der Erzbischof.
Textkritischer Apparat
- Befund: ARCHI/EPC mit waagerechtem Kürzungsstrich durch den bis unter die Grundlinie verlängerten Schaft des P.
Anmerkungen
- Vgl. Kdm. (Mansf. Seekr.) 1895, S. 276.
- Vgl. Grössler jun. 1907, S. 212; ders. 1906, S. 46 (Plan mit Bezeichnung der Auffindungsstelle). Siehe Abb. 81 in CRKSTG B/1, 1972, Taf. XLI.
- Vgl. CRKSTG B/1, 1972, S. 122. Möglicherweise ist diese Lokalisierung mit dem Fundort identisch.
- Siehe eine detailliertere Beschreibung des Tympanons mit Deutungsvorschlägen in CRKSTG B/1, 1972, S. 121–123 (Lit.); Meier 1911, S. 65f.
- Höhe und Breite nach CRKSTG B/1, 1972, S. 122.
- Vgl. CRKSTG B/1, 1972, S. 123; Nickel 1953/54, S. 43–45. Niehr datiert „um 1200“, vgl. ders. 1992, S. 282.
- Vgl. zu Holzzelle zuletzt Schmitt 1995, S. 22–26; Neuß 1987 (Ho.), S. 220 (Lit.); Neuß 2001, S. 19–24. Zur Diskussion, ob eine Urkunde vom 26. Januar 877, UB Mansfeld 1888, S. 301 Nr. 1, die ein Kloster namens „Horenburg in pago North. Thuringa situm“ benennt, auf Holzzelle oder auf Hornburg an der Ilse zu beziehen ist, vgl. Schmitt 1995, S. 23 mit Anm. 3; Neuß 2001, S. 20.
- UB Mansfeld 1888, S. 301 Nr. 2.
- Vgl. zu den historischen Vorgängen Einl. Kap. 2. 2; zur Gründung des Erzbistums Magdeburg Althoff 2001, S. 344–352; Niehr 1992, S. 282 Anm. 7.
Nachweise
- Meier 1911, Taf. XVIII. (Abb. 49).
- Kdm. (Mansf. Seekr.) 1895, S. 276.
- CRKSTG B/1, 1972, S. 122 (Taf. XLI, Abb. 79–81).
- Niehr 1992, S. 282.
Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 1 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0000107.
Kommentar
Die Buchstaben weisen eine gleichbleibend schmale Kerbe und deutlich erkennbare Sporen auf. Die Bögen von P und R setzen unterhalb des oberen Schaftendes an. Die Cauda des R ist geschwungen und weit ausgestellt. An unzialen Lettern begegnet nur das fast kreisrunde und ungewöhnlich breite E ohne Abschlußstrich.
Die von Edith Neubauer vorgeschlagene und hier übernommene Datierung des Tympanons in das letzte Viertel des 12. Jahrhunderts stützt sich vor allem auf den Aspekt der Mehrfigurigkeit, die schon weichere Ausführung der Gewänder und das von Heinrich Nickel als Diamantbogenmotiv bezeichnete Ornamentband auf dem Rahmen.6) Die Buchstabenformen lassen sich mit dieser Zeitstellung gut vereinbaren, gestatten allerdings keine schärfere Eingrenzung.
Über die Gründung des Benediktinerinnenklosters Holzzelle sind keine gesicherten Nachrichten überliefert, weshalb Figuren und Inschrift nicht näher bestimmt werden können.7) Es wäre irreführend, aus der Datierung des Tympanons auf die Zeit der historischen Klostergründung zu schließen, da stets mit einer retrospektiven Darstellung gerechnet werden muß. Dafür spricht, daß ein Holzzeller Propst namens Wolfram bereits in einer Urkunde vom 16. Juni 1147 Erwähnung findet.8) Da jedoch das Gebiet südlich der Mansfelder Seen, abgesehen von der kurzen Zeitspanne zwischen 968 und 981, als es dem neu gegründeten Bistum Merseburg und mithin dem Erzbistum Magdeburg unterstellt war, stets zur Erzdiözese Mainz gehörte, dürfte es sich bei der inschriftlich bezeichneten Figur sehr wahrscheinlich um einen Mainzer Erzbischof handeln.9)