Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 227 Kleineichstädt, ev. Kirche (St. Nikolaus) 2. H. 16.–1. H. 17. Jh.

Beschreibung

Taufschale, Messing. Die Bodenmitte zeigt die getriebene Darstellung des Sündenfalls.1) Im Zentrum ist der Baum abgebildet, dessen Stamm die Schlange in ganzer Länge umwunden hat und dessen Krone voller Früchte hängt. Rechts hält Eva bereits den Apfel in der Hand, um ihn Adam auf der linken Seite zu reichen. Beide Figuren stehen inmitten verschiedener Blumen und Pflanzen. Im Hintergrund ist die turmartige Paradiespforte mit einem seitlich emporragenden Aufsatz (?) angedeutet. Die Szene umrahmen zwei konzentrische Stege, zwischen denen sich eine Folge von sieben Zeichen im Stil der Gotischen Minuskel fünfmal mit geringfügigen Abweichungen wiederholt und eine Inschrift vortäuscht. Um den äußeren Reif verläuft in fünf Sequenzen Inschrift (A). Beide Zeichen- bzw. Buchstabenfolgen wurden mittels Stempel in den Schalenboden getrieben. Der 6 cm breite Beckenrand trägt an der Innenkante den eingravierten Namen (B). Nach außen hin schließen sich zwei gepunzte Friese aus m-förmigen Buchstabenornamenten und zweistieligen Blättern an. Auf der Stellfläche der Schale liest man ca. 1 cm vor der Außenkante einen einzelnen eingeritzten Buchstaben (C).

Maße: H.: 6 cm; Dm.: 44,5 cm; Bu.: 1,3 cm (A), 0,7 cm (B), 0,5 cm (C).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis (A), Kapitalis (B/C).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Ilas Bartusch) [1/1]

  1. A

    GI · SCALa) · REKORb) · DE · N GI · SCALa) · REKORb) · DE · N GI · SCALa) · REKORb) · DE · N GI · SCALa) · REKORb) · DE · N GI · SCALa) · REKORb) · DE · NREKORc)

  2. B

    ·d) JOHANN=JACOB SCHVLTZEe) ·d)

  3. C

    Ef)

Kommentar

Während es sich nach dem derzeitigen Forschungsstand bei der inneren Truginschrift um nicht identifizierbare Zierelemente handelt,2) gestatten die dem lateinischen Alphabet entnommenen Lettern in (A) zumindest eine Schriftbeschreibung. Sie weisen kräftige Bogenschwellungen auf und besitzen deutliche Sporen. Das spitze A verfügt über einen beiderseits überstehenden Deck- und einen gebrochenen Mittelbalken. Das E ist epsilonförmig gestaltet, die Cauda des G fast bis zum oberen Bogenabschnitt herangeführt. Der obere Schrägbalken des K ist nach innen eingerollt. Als „Worttrenner“ dienen paragraphzeichenförmige Quadrangel. Die Buchstabenbestandteile in (B) und (C) sind hingegen hauptsächlich linear geritzt. Sie tragen überwiegend rechtwinklig, jedoch nicht immer symmetrisch anliegende Sporen, die mitunter auch geschwungen sind. Die Versalien überragen die übrigen Lettern um etwa 0,1 cm. Der rechtsschräg gestellte Deckbalken und der Schaft des J sind nach links durchgebogen; letzterer ist in der Mitte mit einem Zierstrich versehen.

Beckenschlägerschüsseln wurden im 15. und 16. Jahrhundert in Massenproduktion hergestellt und mit immer wiederkehrenden Motiven bzw. Inschriften versehen.3) Ursprünglich für den Hausgebrauch gedacht, fanden sie sehr schnell auch als Taufschalen eine sakrale Verwendung.4) Während die Deutung der Bildnisse in den meisten Fällen keine Probleme bereitet, hat die nicht abbrechende Forschung5) über die damit verbundenen Inschriften noch zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt. Die Namensangabe JOHANN=JAKOB SCHVLTZE dürfte entweder den früheren Besitzer oder den Stifter bezeichnen, obgleich ein ausdrücklicher Verweis auf die Schenkung fehlt.6) Eine Familie Schultze ist jedoch in den seit 1575 überlieferten Kleineichstädter Einwohnerverzeichnissen nicht nachzuweisen,7) so daß die Schale vermutlich von außerhalb an die Pfarrgemeinde gelangt ist. Eine Datierung kann sich folglich nur auf die kaum genauer eingrenzbaren Schriftformen stützen: Die Kapitalis im allgemeinen und speziell das mit einem Zierstrich versehene J deuten auf eine Entstehungszeit etwa zwischen 1550 und 1650.8)

Textkritischer Apparat

  1. SCAL] Das C geschlossen, in der Mitte haben Bogen und Abschlußstrich einen nach innen gerichteten Halbnodus.
  2. REKOR] Die inneren Spornabschnitte an den Bögen des E nach innen umgebogen. Zwischen E und K ein runder Punkt, vermutlich ein schriftunabhängiger Stempelabdruck.
  3. NREKOR] Der Einschub der zusätzlichen Buchstabenfolge REKOR zeigt an, daß die Sequenzen auf den Stempeln jeweils mit GI begannen und mit N endeten.
  4. Drei waagerechte, fächerförmig sich nach außen aufspaltende Striche.
  5. SCHVLTZE] Schulze Kdm (Querfurt). Der untere Balken des E doppelt gezogen.
  6. E] Der Schaft doppelt gezogen.

Anmerkungen

  1. Zu diesem Motiv auf Beckenschlägerschüsseln vgl. Lockner 1982, S. 62.
  2. Vgl. Lockner 1982, S. 43 f. Siehe zu ihrer Verwendung auf Gewandsäumen DI 39 (Lkr. Jena) 1995, Nr. 85 mit Anm. 5. Zu Gewandsauminschriften vgl. Arnold 1976, S. 116–120; Meurer 1997, S. 261–267.
  3. Vgl. zur Typologie und chronologischen Einordnung zuletzt Lockner 1996, S. 2953–2957. Er vermutet als einzigen Herstellungsort Nürnberg. Zur Lokalisierung der Produktionsstätten vgl. auch Wiswe 1985, S. 323–326. Im historischen Landkreis Querfurt finden sich solche Beckenschlägerschüsseln außerdem in den Kirchen zu Oechlitz und Obereichstädt (Sündenfall), vgl. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 58, sowie zu Niedereichstädt (Josua und Kaleb mit der Weintraube).
  4. Vgl. Lockner 1982, S. 30.
  5. Vgl. u. a. DI 55 (Rügen) 2002, Nr. 67 (Lit. in Anm. 5); DI 39 (Lkr. Jena) 1995, Nr. 8589; Lockner 1982, S. 43 f. (Lit. in Anm. 5); RDK 2, 1948, Sp. 151–163; Straube 1931, S. 5–16; von Moltheim 1927, S. 9 f.; Joosting 1902, S. 669 f.; Lehfeldt 1898, S. 237–241; Otte/Wernicke 1, 1883, S. 434 f. (hier der Deutungsvorschlag zu Inschrift (A): „ik scal rekorden = souvenir“).
  6. Vgl. dazu die Stifterinschrift in DI 9 (Lkr. Naumburg) 1965, Nr. 529.
  7. Vgl. Könnecke 1892, S. 6, 71 ff.
  8. Vgl. das früheste nachweisbare Auftreten einer gravierten Kapitalis im Querfurter Raum in Nr. 166 (16. Jh. – um 1606). Zum J mit Mittelbalken vgl. Nr. 137 (1588); DI 39 (Lkr. Jena) 1995, Nr. 341 (1650), 301 (1629).

Nachweise

  1. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 56.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 227 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0022701.