Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 194† Querfurt, ev. Kirche (St. Lambert) 1619

Hinweis: Die vorliegende Katalognummer weicht in ihrer Darstellung aus technischen Gründen von der Druckfassung ab.

Beschreibung

Glocke. Zwei Glocken des ehemals mehrstimmigen Geläutes stammten aus der Gießerei Möring in Erfurt.1) Die größere E-Glocke wies unterhalb des Gußvermerkes und der anschließenden Devise (A) auch die Namen der damaligen Ratsmitglieder auf (B). Da sie 1688 einen Riß bekommen hatte, wurde sie zwischen dem 26. und 30. Mai desselben Jahres in Zeitz umgegossen.2)

Inschrift nach Webel [1714/15].

  1. A

    Anno Domini M. DC. XIX. goß mich Melchior Möring zu Erffurt im Nahmen Gottes. V(erbum) D(omini) M(anet) I(n)a) E(ternum)b)3)

  2. B
    R. Z. Q.c)     
    Wenceslaus Linck     
    Bartholomaeus Schultes Schulteisend) 
    Heinrich Neumanne)     
    Hans George Schel     
    George Riese Obermüntzmeistered) 
    David Weichmuth untermüntzm(eister) 

Übersetzung:

Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit (A).

Kommentar

Über die Zusammensetzung des Querfurter Rates unterrichtet als früheste Quelle das 1460 begonnene Schöppenbuch.4) Aus dem Titelblatt geht hervor, daß er sich damals aus neun Mitgliedern konstituierte, einem Schultheißen, zwei Münzmeistern, einem Zollmeister, dem Baumeister und vier weiteren Ratsmännern. Etwa zweihundert Jahre später beziffert Caspar Schneider die Anzahl der Ratsangehörigen mit 27 Personen.5) Sämtliche administrativen Stellen waren inzwischen dreifach besetzt worden, damit sich die berufenen Magistrate in der Amtsführung jährlich abwechseln konnten.6) Aus der Glockeninschrift wird nun ersichtlich, daß diese städtische Machtverteilung zumindest schon seit 1619 üblich war, denn es werden drei Schultheißen genannt. Wenzeslaus Linck läßt sich bereits 1601 in der Funktion des Aedils (Baumeister) nachweisen, als er am 7. Mai u. a. mit dem Quaestor (Münzmeister) Heinrich Naumann den öffentlichen Schulexamina beiwohnte.7) 1604 wird er außerdem als Diakon8) und ab 1610 mehrfach als Münz- bzw. Zollmeister erwähnt.9) Aus seinem Privatleben ist überliefert, daß er die Vormundschaft für Katharina, die spätere Ehefrau seines Kollegen David Weichmuth, übernommen hatte.10) Letzterer war wiederum der Stiefvater einer Anna, der Gemahlin des Bürgermeisters Barthol Schultheiß, und ist für 1613 nicht nur als Ratsangehöriger, sondern auch als Gerichtsschöppe bezeugt.11) Sein Schwiegersohn entstammte der bekannten Querfurter Ratsherrenfamilie Schultheiß und schlug wie sein Vater und Bruder die städtische Ämterlaufbahn ein.12) Bevor er 1612 erstmals als Bürgermeister Erwähnung findet, fungierte auch er zunächst als Münzmeister.13) An Besitz wird ein „Heuslein“ angeführt, dessen vorgesehene Ausbesserung sich Ratmann Kluge am 9. Juni 1613 in der Hoffnung auf Unterkunft bestätigen ließ.14) Auch Heinrich Naumann nennen die Ratsprotokolle zu Anfang des 17. Jahrhunderts mehrfach in der Funktion des Münzmeisters.15) Er gehörte zudem wie Georg Riese der Querfurter Spendebrüderschaft an.16) 1610 gelang es ihm, einen Streit mit Heinrich und Hieronymus Heine um Besitzrechte an einem Acker durch einen Vergleich beizulegen.17) Georg Riese stammte aus dem sächsischen Annaberg (Lkr. Annaberg-Buchholz) und erhielt 1598 an der Querfurter Stadtschule eine Anstellung als Kantor.18) Im Jahre 1608 wurde er in den Rat gewählt und bekleidete zwischen 1610 und 1613 das Amt des Stadtbaumeisters, bevor er 1614 Obermünzmeister wurde.19) 1621 starb er als Bürgermeister.18) Zu Hans Georg Schel haben sich indes bisher keinerlei Nachweise finden lassen.

Der Gußvermerk Melchior Mörings entspricht dem für ihn typischen Formular.20)

Textkritischer Apparat

  1. I(n)] T. Webel 1687; fehlt in Heine, Kdm.
  2. E(ternum)] Fehlt in Heine, Kdm.
  3. R. Z. Q.] Aufzulösen in: R(at) Z(u) Q(uerfurt) o. ä. Die folgenden Namen fehlen in Kdm.; die übrige Überlieferung gibt sie in unterschiedlicher Schreibung an.
  4. Es bleibt unsicher, ob die Amtsbezeichnungen zur Inschrift gehörten oder lediglich erklärende Zusätze Webels sind.
  5. Neumann] Naumann Webel 1687. Naumann 1920, S. 28 bestätigt die Lesart Naumann, doch variiert die Schreibung des Namens in den Archivalien, vgl. StdtA Querfurt, Ratsprotokolle 1624, fol. 37 v ( Heinrich Neumann), 42 v ( D. Heinricus Naumann).

Anmerkungen

  1. Vgl. Webel (wie unten), Heine (wie unten), Kdm. (wie unten); zur kleineren Glocke vgl. Nr. 192, zu den übrigen vgl. Einl. Kap. 6 Nr. 13; Nr. 24; Webel [1714/15], S. 128–130; Voigt 1928, S. 331.
  2. Vgl. Webel [1714/15], S. 129 f.
  3. I Pt 1, 25. S. a. Is 40, 8; Ps 119, 89. Zur Devise siehe Näheres unter Nr. 114.
  4. Vgl. StdtA Querfurt, Schöppenbuch 1460–1570, fol. 1 r; Naumann 1920 (Schöppenbuch), S. 10.
  5. Vgl. Schneider [1654], S. 19.
  6. Vgl. Ahrendt 1985/86, S. 53; Liebelt 1818, S. 20.
  7. Vgl. StdtA Querfurt, Ratsprotokolle 1624, fol. 42 v. Zu den Amtsbezeichnungen vgl. Zedler 1, 1732, Sp. 614; ebd. 30, 1741, Sp. 47 in Verbindung mit Liebelt 1818, S. 21.
  8. Vgl. StdtA Querfurt, Ratsprotokolle 1624, fol. 43 r.
  9. Vgl. StdtA Querfurt, Ratsprotokolle 1610–13, o. S. (passim, z. B. Deckblatt); StdtA Querfurt, Ratsprotokolle 1624, fol. 37 r.
  10. Vgl. StdtA Querfurt, Ratsprotokolle 1613–15, o. S.; StdtA Querfurt, Ratsprotokolle 1610–13, fol. 78 r.
  11. Vgl. StdtA Querfurt, Ratsprotokolle 1610–13, o. S. u. S. 222.
  12. Vgl. zur Familie Schultheiß Voigt 1928, S. 237; Naumann 1920, S. 28.
  13. Vgl. StdtA Querfurt, Ratsprotokolle 1610–13, o. S.: „1612 Beij regierung Herrn Bartholl Schultheßens (...)“ sowie S. 222. S. a. Urk. Querf. 1921, S. 11.
  14. Vgl. StdtA Querfurt, Ratsprotokolle 1624, fol. 14 v.
  15. Vgl. StdtA Querfurt, Ratsprotokolle 1624, fol. 36 r, 42 v; Naumann 1920, S. 28, 30. S. a. Urk. Querf. 1921, S. 11.
  16. Vgl. Naumann 1920, S. 30. Zur Spendebrüderschaft vgl. Voigt 1928, S. 273.
  17. Vgl. StdtA Querfurt, Ratsprotokolle 1610–13, fol. 104 r.
  18. Vgl. Webel [1714/15], S. 172; Voigt 1928, S. 251, 382.
  19. Vgl. Webel [1714/15], S. 172; StdtA Querfurt, Ratsprotokolle 1610–13, o. S.; Urk. Querf. 1921, S. 13.
  20. Vgl. zum Gießer Nr. 192 und zum typischen Formular des Gußvermerkes Nr. 183 mit Anm. 1.

Nachweise

  1. Webel 1687, S. 73.
  2. Webel [1714/15], S. 129.
  3. Heine 1880, S. 40.
  4. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 199.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 194† (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0019404.