Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 184(†) Querfurt, ev. Pfarramt 1615

Beschreibung

Altarretabel, Holz. Der bis auf wenige Einzelteile verlorene Altaraufsatz aus mehreren qualitätvoll geschnitzten Relieftafeln mit figürlichen Bildnissen aus dem Alten und Neuen Testament gehörte ursprünglich zur Ausstattung der St.-Georgs-Kirche in Gatterstädt (Stadt Querfurt). Hier wurde er noch im Jahre 1828 von Ortsrichter Pfeiffer durch die Bemerkung bezeugt, daß außer „einem in Hulz geschnitzten schönem Altarblatt, einer von Liebenrothschen frommen Stiftung, weiter nichts Merckwürdiges“ in diesem Gotteshaus vorhanden sei.1) Im Zuge des Neubaus von 1853/562) muß das Retabel dann auseinandergenommen, in die Friedhofskapelle St. Peter überführt und dort eingelagert worden sein. Dies geht aus einer mit Bleistift aufgezeichneten Notiz auf der Rückseite der noch vorhandenen querovalen Rollwerkkartusche mit der erhaben geschnitzten und schwarz gefaßten Jahreszahl (A) hervor, wonach dieses Täfelchen am 7. Mai 1853 an unbestimmter Stelle der Kapelle angenagelt worden sei.3) Zwei Bildreliefs befestigte man auf der Orgelempore rechts und links von einem Balken an der Wand.4) Das eine von beiden zeigte den hl. Georg im Harnisch, wie er den Drachen tötet, das andere Judas Ischariot beim Empfang der dreißig Silberlinge.5) Darunter brachte man separat eine dritte Tafel mit der in goldenen Lettern auf schwarzem Grund6) gemalten Stiftungsinschrift (B) an.5) Im Jahre 1909 bezeugte Bergner die Existenz weiterer Altarbestandteile, die „zu einer Art Verschlag im zweiten Turmgeschoß zusammengesetzt“ worden waren.6) Außer den Inschriften registrierte er jedoch nur „Christus, Eva, Adam, zwei Karyatiden, das Abendmahl, Gottvater.“6) Jene Bildnisse sind bis auf die Figur Adams auch heute noch in stark beschädigtem Zustand vorhanden, daneben ein zusammengehöriges Paar an Fragmenten mit der Taube des Hl. Geistes. Diese lassen sich zwei der übrigen Reliefplatten so anfügen, daß sich trotz einiger Fehlstellen eine Darstellung der Hl. Dreifaltigkeit ergibt. Darin hält Gottvater in der Linken die Weltkugel und segnet mit der Rechten seinen neben ihm im Himmel thronenden Sohn, beide von der Taube überhöht und von engeltragenden Wolken umrahmt. Die längs zersägte Abendmahlsszene setzt sich aus zwei hochrechteckigen Teilstücken zusammen, von denen das linke oben beschnitten ist. Der mit Tellern und einem Kelch gedeckte Tisch ist vor einer Tempelfassade schräg und perspektivisch ins Bild gestellt. Während die ringsum daran speisenden Jünger im Gespräch vertieft sind, reicht Christus seinem Verräter, der ihm gegenüber an der linken Langseite der Tafel als einziger steht, das Brot. Das dritte erhaltene Bildnis zeigt Eva unter dem von der Schlange umwundenen Baum der Erkenntnis. Sie greift mit ihrer linken Hand nach einem Apfel, um ihn Adam zu geben, der links des Stammes gestanden haben muß, von dem jedoch nur noch ein Arm zeugt. Außer den Karyatiden, die durch Buch und Anker als Allegorien der Tugenden Klugheit und Hoffnung gekennzeichnet sind, existieren schließlich zwei Rahmenteile aus von Blättern umgebenem Rollwerk. Da neben Bergner auch Hiecke, der Konservator der Denkmäler der Provinz Sachsen, nach Besichtigung der Gatterstädter Friedhofskapelle im Jahre 1910 die Altarteile mit den Figuren der Heiligen Georg und Judas Ischariot nicht angibt, dürften diese bereits zuvor abgegangen sein.7) Der Verlust der Stiftungsinschrift (B) und des Adam-Reliefs trat indes erst später ein. Nach einem Besichtigungsprotokoll, das die Stücke leider nicht einzeln aufführt, befanden sich die Altarteile 1972 noch immer im ersten Turmgeschoß der St.-Petri-Kapelle.8) Später wurden die vorhandenen Fragmente in das evangelische Pfarramt Querfurt überführt.

Inschrift (B) nach Kdm.

Maße: H.: 12,5 cm; B.: 50 cm; Bu.: 5,5 cm.9)

Schriftart(en): Kapitalis (A).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Ilas Bartusch) [1/1]

  1. A

    MDCXV.a)

  2. B †

    GOTT VND SEINER KIRCHEN ZV EHREN HAT DER EDLE GESTRENGE VND ERNVHESTE IOST VON LIEBENROD VOR SICH VND WEGEN SEINES SELIGEN VETTERN GEORGEN VON LIEBENRODS GEORDNETEN LEGATI10), DIESE ALTAR TAFFEL VERFERTIGEN VND ANHER SETZEN LASSEN

Kommentar

Die mit deutlichen Sporen versehenen Buchstaben der Jahreszahl (A) zeichnen sich durch starke Bogen- und Linksschrägenverstärkungen aus. Der untere Bogenabschnitt des C verjüngt sich zu einer spitz endenden Haarlinie.

Das Geschlecht von Liebenroth gehörte zum alteingesessenen Adel von Gatterstädt.11) Georg von Liebenroth und seine Frau Katharina werden bereits im ersten, 1575 einsetzenden Gatterstädter Kirchenbuch mehrfach genannt.12) Über den Tod des Junkers im Jahre 1611 und die dadurch in Kraft tretende Stiftung berichtet der damalige Gatterstädter Pfarrer Gregor Rudolphi ausführlich im Sterberegister: „Septembris 18. huius Den Edelen Juncker Georg von Lieberoht, Adelich Zur Erden bestetiget, uf den Kirchhof Sankt Georgen, wart fluchs oben bey der thuer begraben, welchen den 9 huius (...) ein kalter flus uf die brust gefallen, daran er zwei tage sprachlos gelegen, (...) Donnerstages, war der 12 Septembris Zu abent fluchs nach acht Vhr in meiner vndt ander Gegenwart gar sanft entschlaffen nach vorgehabter grosser Herzens Angst: Requiescat in pace et resurgat in gloria. Hat bei seinem Leben, 5 Jahr für seinem Thode, hundert fl. Zum Pfarrgebede verehret, nach seinem Thode aber, hat die Kirche noch hundert fl., so gedachter von Lieberoht ihr im Testament vermachter, da das Testament nach ausgehendt 4 Wochen eroffnet, Empfangen, Welche Zu verfertigung der Althar Taffel seint angewandt worden.“13) Wie im Zusammenhang mit der Inschrift ersichtlich wird, war das Retabel also schon 1611 in Auftrag gegeben und erst 1615 fertiggestellt worden. Da der im Kirchenbuch bezüglich der Altarstiftung nicht erwähnte Jost von Liebenroth auf der Tafel namentlich zuerst erscheint, ist anzunehmen, daß die tatsächlichen Kosten den Betrag von 100 fl. deutlich überschritten und der Vetter für die Differenz aufkam. Jost von Liebenroth überlebte seinen Cousin um 16 Jahre und wurde am 25. April 1627 in Weischütz (Burgenlandkreis) begraben.14)

Der Erwerb des neuen Altars steht wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Renovierung der älteren St.-Georgs-Kirche in den Jahren 1595 bis 1599.15) Der Künstler der Bildwerke ist nicht überliefert. Bergner erkannte jedoch in den Reliefs die Hand desselben Meisters, der auch die Schnitzereien am Oberfarnstädter Altar schuf.16) Die Verifizierung dieser Vermutung bedürfte eingehender stilistischer Untersuchungen, jedoch deuten auch die wenigen vergleichbaren Buchstaben darauf hin, die dort in sehr ähnlicher Form zu beobachten sind.17) Zudem liegt beiden Darstellungen des Abendmahls dieselbe graphische Vorlage zugrunde.

Textkritischer Apparat

  1. Der quadrangelförmige Punkt nicht schwarz gefärbt.

Anmerkungen

  1. Vgl. LHASA Merseburg, Landraths Acta 1828, fol. 49 v.
  2. Zum Neubau der St.-Georgs-Kirche vgl. Dehio 1999, S. 200.
  3. Die handschriftliche Notiz lautet: Bei dem Neubau der Kirche St Georgi wurde diese Blatte von der Altartafel in diese Kirche von Ludwig Karl Heisse festgenagelt. Gatterstädt den 7. Mai 1853. Hugo Lorbeer 1888.
  4. Vgl. zur Lokalisierung RdG Gatterstädt, Ortschronik, S. 50; PfA Gatterstädt, Theuner 1896, o. S. Provinzial-Konservator Theuner äußerte in diesem Brief aus Unkenntnis der übrigen Reliefs die irrtümliche Ansicht, daß die beiden Tafeln ehemals Bestandteile des noch heute vorhandenen und mit acht spätgotischen Heiligenfiguren ausgestatteten Kanzelaltars der St.-Petri-Kirche gewesen wären.
  5. Vgl. RdG Gatterstädt, Ortschronik, S. 50.
  6. Vgl. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 110.
  7. Vgl. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 110; LHASA Merseburg, Hiecke 1910, fol. 43 r: „Als Hauptstücke desselben [d. h. des Altars] werden die jetzt an einem Unterzug des Zwischenbodens im Thurm befestigten Theile eines vortrefflich geschnitzten, von Jost von Liebenrod 1615 gestifteten Altars wieder zu Ehren zu bringen sein. Vorhanden sind, außer einer mit schöner Schrift versehenen Widmungstafel und einem Täfelchen mit der Jahreszahl, eine Tafel mit dem Gottvater, eine gleiche mit dem thronenden Christus, eine mit der Darstellung Adam und Eva, eine mit dem Abendmahl und Bruchstücke von Umrahmungen mit Engeln, die in den Wolken schweben.“
  8. Vgl. PfA Gatterstädt, Besichtigungsprotokoll 1972, o. S.
  9. Die Maße beziehen sich lediglich auf die Rollwerkkartusche mit der Jahreszahl (A).
  10. Genetiv von lat. legatum, d. i. Vermächtnis, Testament.
  11. Vgl. Rühlemann 1925, S. 37. Vgl. die Genealogie der Familie von Liebenroth auf Gatterstädt seit 1470 in Sächs. StA Leipzig, ASTAKA L 141, o. S.
  12. Vgl. PfA Gatterstädt, Kb. 1, o. S. Einträge im Taufregister zum 3. 3. 1576, 22. 3. 1576 und passim.
  13. Vgl. PfA Gatterstädt, Kb. 1, o. S. Eintrag im Sterberegister zum 18. 9. 1611.
  14. Vgl. PfA Gatterstädt, Kb. 1, o. S. Eintrag im Sterberegister zum 25. 4. 1627. S. a. Sächs. StA Leipzig, ASTAKA L 141, o. S.
  15. Vgl. PfA Leimbach, Chronik 1714/17, S. 48.
  16. Vgl. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 60, 331.
  17. Vgl. Nr. 164.

Nachweise

  1. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 110.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 184(†) (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0018401.