Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 164 Farnstädt, ev. Kirche (St. Johannes und Paul) 1606

Beschreibung

Kanzelaltar, Holz. Das ursprüngliche Retabel wurde vermutlich bereits während der grundlegenden Kirchenrenovation von 1698–1706 unter Verwendung seiner Ausstattung zu einem hohen, braun gefaßten Kanzelaltar in Form eines Kreuzes umgebaut.1) Der polygonale Kanzelkorb im Zentrum ist außen durch vorgesetzte Halbsäulen, Karniesprofilleisten und Diamantquader verziert. Auf der Rückseite des Altares steht über dem Kanzelzugang das in schwarzer Farbe aufgemalte Fertigungsjahr (A). Die Frontseiten des polygonalen Schalldeckels, den eine oval geschnitzte Kartusche bekrönt, umläuft in goldenen Buchstaben ein in jüngerer Zeit aufgebrachtes Bibelzitat.2) Auf dem zwischen verschiedenen Zahnschnitten, Karniesprofilen und Perlschnüren eingebetteten Architrav des darunterliegenden Türsturzes verläuft das Exoduszitat (B). Den Korb flankieren zwei Holzrelieftafeln in architektonischer Rahmung, an deren äußeren Längsseiten plastisches, mit Masken verziertes Beschlagwerk angebracht ist. Auf die beiden oberen simsartig ausgeprägten Rahmenleisten verteilt sich das durch die Kanzel unterbrochene Bibelzitat (C). Die linke Tafel zeigt die Taufe Christi, der u. a. der personifizierte Jordan seinen Segen spendet. Im Himmelsbereich sind drei musizierende Engel und in der Mitte das Brustbild einer vierten Figur zu sehen, die in ein geöffnetes Buch schaut und mit der Rechten zu dirigieren scheint. Über ihr tritt der hebräische Gottesname (D) reliefartig aus den Wolken hervor, darunter fliegt die Taube des Hl. Geistes zur Erde. Die untere Rahmenleiste gibt die dem Bild entsprechende Bibelstelle (E) wieder. Auf dem rechten Seitenflügel läßt sich die Beschneidungsszene erkennen, die ebenso durch das darunter verlaufende Bibelzitat (F) erklärt wird. Die Innenwand der Kanzeltür trägt ein weiteres Reliefbild mit der Darstellung des Abendmahls. Das entsprechende Bibelzitat findet sich unter dem Kanzelkorb (G). Über der linken Tafel ist eine vollplastisch geschnitzte Kreuzigungsgruppe aufgestellt, der jedoch die Figur des Johannes fehlt. Auf dem Gebälk des rechten Flügels steht die ebenfalls vollplastisch geschnitzte Figur Christi, wie er mit einer Lanze den Satan niedersticht. Die Predella ist mit einer ovalen, von kräftigem Rollwerk umgebenen Holzkartusche versehen, die die Israeliten beim Passahmahl zeigt. Auch hier findet sich darunter die erklärende Beischrift (H). Die Inschriften (B) bis (H) sind allesamt erhaben geschnitzt und bis auf (D) vergoldet.

Maße: H.: 380 cm; B.: 250 cm; Bu.: 14 cm (A), 2,1–2,8 cm (B–H).

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Ilas Bartusch) [1/4]

  1. A

    1606a)

  2. B

    EXOD: 25b). VON DEM ORTE WIL ICH DIR ZEVGEN VND / MIT DIR REDEN NEMLICH VON DEM GNADENSTVL3)

  3. C

    IOH: 3 WIE MOSESc) IN DER WVSTEN / EINE SCHLANG ERHOHET HAT //d) ALSO MVS DES MENSCHEN SOHN / ERHOHET WERDEN4)

  4. D

    יְהוָֹה 5)

  5. E

    ACT: 2. LASEe) SICH EIN IGLICHER TEVFN AVF DEN / NAMEN IH(ES)V CHR(IST)If) ZVR VER GEBVNG DER SVND6)

  6. F

    IER: 4 BESCHNEIDET EVCH DEM HERENg) VND / THVT WEG DIE VORHAVT EVRES HERZENS7)

  7. G

    MATTH: 26 NEMET ESSET DAS IST MEIN LEIB TRINCKET ALLE / DARAVS DAS IST MEIN BLVT8)

  8. H

    NVMER: 9. WER LESSET ANSTEHEN DAS PASSAHc) ZV HALTEN DES SEELE SOL / AVS GEROTTET WERDEN VON SEINEM VOLCK9)

Kommentar

Die Buchstaben weisen häufig Linksschrägen- und Bogenverstärkungen auf. Alle besitzen mehr oder minder ausgeprägte Sporen. Manche Schäfte weisen Beschädigungen auf, die durch die goldene Farbgebung ausgeglichen wurden. Die Cauda des G ist eingestellt. Die drei Balken des E sind unterschiedlich lang, die Cauda des R und der untere Schrägschaft des K geschwungen. Die Ziffern 2 und 3 sind stets spitz gestaltet. Die Pungierung erfolgte durch Quadrangel. Die Versalien der Bibelstellenangaben und die des jeweils ersten Wortes des Zitats sind regelmäßig um etwa 0,5 cm größer als der übrige Text.

Der Altar war im inschriftlich bezeichneten Jahr 1606 von Georg von Geusau d. Ä. gestiftet worden.10) Der beauftragte Bildschnitzer ist nicht bekannt. Jedoch haben die Bildnisse in Stil und Komposition eine so starke Ähnlichkeit mit den noch erhaltenen Reliefs des verlorenen Gatterstädter Altars (1615), daß sie zweifellos derselben Hand zuzuweisen sind.11)

Textkritischer Apparat

  1. 1606] Die 1 als senkrechter Schaft, ohne Anstrich, unten gespalten. Die letzte Ziffer vom angesetzten Türpfosten halb verdeckt.
  2. 25] Der Bogen der 5 durchkreuzt die Grundlinie.
  3. Der Versal überragt die übrigen Buchstaben um ca. 0,5 cm.
  4. Unterbrechung der Inschrift durch den Kanzelkorb.
  5. LASE] Der Versal L etwas größer ausgebildet; das A teilweise über den Balken gestellt.
  6. IH(ES)V CHR(IST)I] Die Versalien überragen die übrigen Buchstaben um ca. 0,2 cm. Über dem I in CHR(IST)I der Kürzungsbalken.
  7. HEREN] Der Versal reicht um ca. 0,5 cm in die untere Zeile hinein.

Anmerkungen

  1. Vgl. die chronikalische Nachricht zum o. g. Kirchenumbau in Pb. Wolf, Heydrich 1743/44, S. 18: „Altar und Orgelwerk verneuert und vergrößert.“
  2. Es lautet: Herr Dein Wort ist meines Herzens Freude. und Trost., Jer 15, 16. Die Versalien sind in Schwellzüge aufgelöst und mit vielen geschwungenen Zierlinien versehen.
  3. 2 Mo 25, 22.
  4. Jh 3, 14.
  5. Lies: ‎‏יְהוָֹה‏‎. Der Gottesname (Jahwe, Jehova) ist gemeint.
  6. Apg 2, 38.
  7. Jer 4, 4.
  8. Mt 26, 26–28 (nicht vollständig).
  9. 4 Mo 9, 13.
  10. Pb. Wolf, Heydrich 1743/44, S. 17. Zu Georg von Geusau d. Ä. vgl. Nr. 158.
  11. Vgl. Nr. 184. Auf die stilistische Übereinstimmung wurde bereits von Bergner hingewiesen, vgl. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 60.

Nachweise

  1. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 59 f.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 164 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0016409.