Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 160 Leimbach, Dorfstr. 24 1604, nach 1604

Beschreibung

Schrifttafel, roter Sandstein. Über dem Türsturz des westlichen Hauseinganges ist innerhalb eines vermauerten und verputzten Bogenfeldes eine querrechteckige Schriftplatte eingelassen. Das eingetiefte Binnenfeld, das von einem ca. 4 cm breiten, oben teilweise beschädigten Rahmen umgeben ist, trägt eine zeilenweise eingemeißelte Inschrift, die aus Jahresangabe, Bibelzitat und zwei Namen besteht (A). Die linke obere Ecke weist eine kleine trapezförmige Aussparung auf, die offensichtlich später ausgeführt wurde, aber die ältere Inschrift nur unmaßgeblich beschädigt hat. Darin sind in erhabenen Lettern drei Buchstaben ausgehauen (B).

Maße: H.: 37 cm; B.: 62 cm; Bu.: 3,8–4,8 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Ilas Bartusch) [1/1]

  1. A

    [...]a) ANNOb) 1604c) / GOD · BEHIDE · DINEN / EIN · GACH · VND · AVSGACHD1) / IOCODVSd) FRIDERICHe) · / UNICHELf) · KEISER NEFg)

  2. B

    JORh)

Kommentar

Die Inschrift (A) wurde ungleichmäßig geschlagen, wobei die Qualität der Ausführung zum Textende hin abnimmt. Die Kerben der Buchstaben, die über unauffällige Sporen verfügen, sind konstant schmal geschlagen. Hervorzuheben ist die Tendenz zu nahezu kreisrunden, unverstärkten Bögen. Der Bogen des G endet rechts oberhalb der senkrecht gestellten, nicht umgebrochenen Cauda. Die Schrägschäfte des K sind stark gewölbt. Der Schaft des L verläuft rechtsschräg. Die gewölbte und ausgestellte Cauda des R setzt eigenständig am Schaft an. Als Worttrenner dienen jeweils zwei senkrecht übereinandergesetzte Dreiecke. Die beschriebenen Schriftbesonderheiten sind in fast identischer Form auf den Querfurter Grabsteinen für Bron Merman und einen Unbekannten zu beobachten, so daß alle drei Inschriften wohl ein und demselben Steinmetz zugewiesen werden können.2) Seiner Anonymität wegen soll er hier vorläufig als „Querfurter Steinmetz des Bron-Merman-Grabsteins“ bezeichnet werden.3)

Der Psalmvers findet sich an Portalen häufiger.4) Hier ist allerdings auf einige sprachgeschichtliche bzw. dialektale Besonderheiten zu verweisen, die am Anfang des 17. Jahrhunderts im mitteldeutschen Raum ungewöhnlich sind.5) Dazu zählen die fehlende Rundung des /i/ in BEHIDE, das noch nicht diphthongierte /i/ in DINEN sowie vor allem die Verwandlung der sonst nasal gesprochenen Endungen in EIN · GACH und AVSGACHD zu velaren Frikativen, von denen einer sogar mit einem Plosiv schließt. Dies überrascht vor allem deshalb, weil Luthers Bibelausgabe letzter Hand von 1545/46 schon alle frühneuhochdeutschen Formen enthält und auch die epigraphischen Sprachzeugnisse des Querfurter Raumes schon im 16. Jahrhundert keine vergleichbaren Fälle mehr bieten.6) Möglicherweise stammen die Auftraggeber der Inschrift, die sicher mit den in ihr genannten Personen zu identifizieren sind, ursprünglich aus dem niederdeutschen Raum. Sie lassen sich in den ab 1608 überlieferten Kirchenbüchern nicht nachweisen, jedoch werden mehrfach jüngere Familienangehörige genannt.7)

Textkritischer Apparat

  1. Beschädigung durch später hinzugefügte Aussparung mit Inschrift (B). Vermutlich fehlt dadurch lediglich ein Kreuz.
  2. ANNO] Der linke Schrägschaft des A hakenförmig nach außen umgebogen.
  3. 1604] Die 4 stark beschädigt und nur schwach erkennbar. 1607 Unser Kreis Querfurt; Einecke/Jakob/Leopold. Der Schaft der 1 oben gespalten, unten nach links umgebogen und als große, kreisrunde Schlinge ausgeführt.
  4. IOCODVS] So statt IODOCVS.
  5. FRIDERICH] Das D aus einem verschlagenen E korrigiert.
  6. UNICHEL] So statt MICHEL. MICHEL Unser Kreis Querfurt; Einecke/Jakob/Leopold.
  7. NEF] IEF 160[?] Unser Kreis Querfurt; Einecke/Jakob/Leopold. Der Schrägschaft des N ist nur noch sehr schwach erkennbar; gemeint ist vielleicht NEF(FE).
  8. JOR] In der Aussparung erhaben ausgehauen. Am oberen Schaftende des J ein kreisrunder Zierhaken. Das O kleiner ausgeführt. Vermutlich so für JAHR oder die ersten drei Buchstaben von JORG.

Anmerkungen

  1. Ps 121, 8.
  2. Vgl. Nr. 150, 152.
  3. Vgl. Einl. Kap. 5. 4. 2.
  4. Vgl. u. a. Nr. 187; DI 39 (Lkr. Jena) 1995, Nr. 177; DI 11 (Merseburg) 1968, Nr. 57.
  5. Vgl. zu den sprachlichen Erscheinungsformen inschriftlicher Bibelzitate Schmid 1998, 1–41 (Lit.).
  6. Vgl. Biblia [1545], S. 1077; vgl. den letzten epigraphischen Beleg zur noch nicht eingetretenen Diphthongierung in Nr. 30 (1435).
  7. Vgl. PfA Leimbach, Kb. 1, o. S., siehe die Sterbevermerke zu: Martin Friedrich (gest. 16. 9. 1611), Jacob Friederich, Merten Friederichs Sohn (gest. 15. 3. 1612), Regina Friedrich (gest. 10. 5. 1618); Maria, Jeremias Keißers Tochter (gest. 6. 8. 1629) etc. Weitere Namen im dazugehörigen Namensregister belegt.

Nachweise

  1. Unser Kreis Querfurt 1956, S. 122.
  2. Einecke/Jakob/Leopold 1993, S. 25.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 160 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0016001.