Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 157 Obereichstädt (Gem. Langeneichstädt), ev. Kirche (St. Nikolaus) 1602

Beschreibung

Schrifttafel, Sandstein. An der äußeren Südseite des Kirchturms ist in etwa 9 m Höhe eine quadratische Platte in das Mauerwerk eingelassen. Das von schmalen Leisten gerahmte Feld trägt in erhabenen Lettern die Bauinschrift. Der Text verteilt sich über 9 Zeilen, die durch Stege voneinander abgesetzt sind.

Maße: H.: ca. 70 cm; B.: ca. 70 cm; Bu.: ca. 6 cm.1)

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Ilas Bartusch) [1/1]

  1. ANNO · 1 · 6 · 0 · 2a) · / DER · ZEIT · ALTERL(EVT)b) / PAVL(VS)c) · HEINRICH · / VRBAN(VS)d) GAEPELERe) · / BAVHERNNf) · / ZIRIACVS · SEBVRK · / GEORGI(VS)c) · BORNHACKg) / ZACAR(IAS)d) GALENDER / BARTHEL · GEPLERh) · B · Fi) ·

Kommentar

Die Buchstaben berühren oben und unten die Zeilenstege. Sie stehen teils senkrecht, teils haben sie eine geringe Rechtsneigung. Ihre Bestandteile sind gleichbleibend schmal, aber ziemlich unbeholfen geschlagen. Die Cauda des R ist geschwungen, mitunter auch stachelförmig gestaltet. Als Worttrenner dienen Quadrangel in Zeilenmitte.

Ob der bezeugte Umbau nur den Turm betraf2) oder die Kirche einbezog,3) ist ungewiß. Die benannten Alterleute und Bauherren4) lassen sich im ältesten Obereichstädter Kirchenbuch mehrfach nachweisen: Paul Heinrich5) und Urban Gepler6) werden 1610 als „custer frinde“ genannt.7) In ihrer Funktion als Alter- bzw. Altarleute verwalteten sie das Kirchenvermögen und trugen damit die Verantwortung für die Baufinanzierung.8) Allerdings könnte sich die Amtsbezeichnung als Plural von „Altermann“ auch auf die beiden Bürgermeister beziehen.9) Merkwürdigerweise ist aber Urban Gepler außerdem als Knecht Georg Bornhackes des „vordersten“ bezeugt.10) Möglicherweise handelt es sich hierbei nicht um dieselbe Person. Nach 1615 erscheinen die Namen der Alterleute in den Kirchenbucheinträgen nicht mehr.11)

Innerhalb der Familie Bornhack(e) hießen zu Anfang des 17. Jahrhunderts mehrere Angehörige Georg, weshalb man zwischen dem „jüngeren“, dem „vordersten“ und dem „obersten“ unterschied.12) Von Cyriakus Seburg ist lediglich überliefert, daß er einen Sohn Steffen und eine Tochter Margareta hatte.13) Zacharias Galander starb am 11. November 1613 im Alter von 49 Jahren.14) Barthel Gepler iunior findet bereits 1586 als Taufpate Erwähnung.15) Nachdem seine erste Frau im Pestjahr 1611 gestorben war, heiratete er 1613 Marianne, die Tochter Matias Apels.16)

Textkritischer Apparat

  1. 1 · 6 · 0 · 2] Der Schaft der 1 ohne Anstrich, unten weit nach links gebogen. Der Balken der 2 nach unten gezogen. 1665 Kdm.
  2. ALTERL(EVT)] Abk. durch einen linksschrägen Doppelstrich. ATEPL Kdm.
  3. Abk. durch einen frei stehenden, stark gebogenen us-Haken.
  4. Abk. durch Doppelpunkt.
  5. GAE] GAEBELER Kdm.
  6. BAVHERNN] Das Wort in der Mitte der Zeile.
  7. BORNHACK] BOPIHACK Kdm.
  8. GEPLER] GEDLER Kdm.
  9. B · F] Abk. unbekannt.

Anmerkungen

  1. Maße nach Foto errechnet, da Schriftplatte unzugänglich ist.
  2. So Kdm. (Querfurt) 1909, S. 57; Dehio 1999, S. 408.
  3. Ältere Chroniken oder publizierte Bauforschungen, die diesbezüglich Auskunft geben könnten, liegen zu Langeneichstädt nicht vor. Allg. zur Ortsgeschichte siehe Neuß 1987 (La.), S. 267; Roßberg 1935, 5, o. S.; Kdm. (Querfurt) 1909, S. 57 f.
  4. Der Begriff Bauherr bezeichnet in der Regel denjenigen, der den Bau finanziert, vgl. Grimm/Grimm 1, 1854, Sp. 1186: aedificator, der bauen läszt. S. a. Binding 1993, S. 15 ff. Da hier aber von einer Finanzierung aus dem Kirchenfonds auszugehen ist, wird es sich bei den genannten Personen um Amtsträger handeln, die mit der Bauaufsicht betraut waren, vgl. dazu die Glockeninschrift in DI 62 (Weißenfels) 2005, Nr. 280: VERORDNETE BAVHERRN.
  5. Paul Heinrichs Ehefrau hieß Gertrud. Zu ihren Kindern vgl. PfA Langeneichstädt, Kb. 1, Obereichstädt, S. 8, 21, 50, 55, 63, 67. Im Jahre 1610 war Paul Heinrich schon zu gebrechlich, um als Pate ein Kind aus der Taufe zu heben, vgl. ebd., S. 31.
  6. Zu Urban Gepler vgl. PfA Langeneichstädt, Kb. 1, Obereichstädt, S. 8, 19, 27, 74.
  7. Vgl. PfA Langeneichstädt, Kb. 1, Obereichstädt, S. 27, 31, gemeint ist wohl: Küsterfreunde. Dieser Begriff dürfte hier wohl weniger zwei Küster bezeichnen, denn in der Regel gab es davon in jeder Gemeinde nur einen, sondern im eigentlichen Wortsinn zwei Vertraute des Küsters. Möglicherweise handelt es sich um ein Synonym für ALTERL(EVT). Zum Küsteramt allg. vgl. Grenacker-Berthoud 1976; Grimm/Grimm 5, 1873, Sp. 2880 f.; DRW 8, 1991, Sp. 222–225.
  8. Über die Aufgaben der Alter- bzw. Altarleute vgl. Schröcker 1934, S. 123 ff.; 147 ff. S. a. DRW 1, 1932, Sp. 524.
  9. Vgl. Haberkern/Wallach 1995, S. 85 (hier unter dem Lemma „Bürgermeister I“).
  10. Vgl. PfA Langeneichstädt, Kb. 1, Obereichstädt, S. 15.
  11. Vgl. PfA Langeneichstädt, Kb. 1, Obereichstädt, nach S. 85.
  12. Vgl. PfA Langeneichstädt, Kb. 1, Obereichstädt, S. 2, 19 („der jüngere“), 15 („der vuderste“), 26, 49 etc. („der oberste“).
  13. Vgl. PfA Langeneichstädt, Kb. 1, Obereichstädt, S. 56, 64.
  14. Vgl. PfA Langeneichstädt, Kb. 1, Obereichstädt, S. 70. Zu seiner Frau Anna und ihren Kindern vgl. S. 8, 16, 20, 36, 50 ff., 64.
  15. Vgl. PfA Langeneichstädt, Kb. 1, Obereichstädt, S. 1.
  16. Vgl. PfA Langeneichstädt, Kb. 1, Obereichstädt, S. 42, 64.

Nachweise

  1. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 57.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 157 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0015704.