Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 141 Hornburg, ev. Kirche (St. Ulrich) 1593

Beschreibung

Glocke, Bronze. Sie ist die einzige der drei früheren Turmglocken, die von beiden Weltkriegen verschont blieb. Sie hat eine waagerechte Deckplatte, eine fast rechtwinklige Schulter sowie eine sich gleichmäßig verbreiternde Flanke. Direkt am Schulteransatz verläuft zwischen zwei Stegen der Gußvermerk (A). Auf der sonst schmucklosen Flanke befindet sich im oberen Drittel ein 14 cm großes Medaillon, das in einem Lorbeerkranz die reliefierte Kreuzigungsszene wiedergibt. Über dem Haupt Christi ist das Schild mit dem Kreuztitulus (B) als entrolltes Schriftband wiedergegeben. Links und rechts des sich zum Weinstock verwandelnden Kreuzes stehen in fußlangen Gewändern Maria und Johannes. Sie sind mit Nimben versehen und halten die Hände vor der Brust im Betgestus zusammen. Hinter ihnen schweben zwei Engel heran, um mit je einem Kelch das aus den durchbohrten Händen fließende Blut des Gekreuzigten aufzufangen. Unter dessen Oberarmen liest man zwei Initialen (C). Die Figurengruppe umgeben am Rand zwei Blütenornamente sowie Sonne, Mond und Sterne. Den unteren Abschnitt des Bildes füllt das zweizeilige Bibelzitat (D). Den Wolm der Glocke verziert ein Bündel von drei Stegen. Nahe der Schärfe umlaufen den Schlag zwischen zwei begleitenden Stegen zwei weitere Bibelzitate unter Hinzufügung einer Namensangabe und der Datierung (E).

Maße: H.: 75 cm; Dm.: 97 cm; Bu.: 2,7 cm (A), 1,9 cm (E), 0,6 cm (B), 0,5 cm (C, D).

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Ilas Bartusch) [1/2]

  1. A

    AVS · DEN · FEVER · BIN · ICH · GEFLOSSENa) · HANS · BECK · VON · LEIPZIGK · HAT · MICH · GEGOSEN ·

  2. B

    I(ESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDEORVM)b)1)

  3. C

    N //c) L2)

  4. D

    IOH 1d) SIHE DAS IST DAS [LA]/ ·e) [MM]f) GOTTESg) W[E]3)

  5. E

    HIEMMEL · VNT · ERDEN · VERGEHEN · AVER · MEINE · WORT · VORGEHEN · NICHT4) · V(ERBVM)h) T(OMINI)i) M(ANET) I(N) ET(ERNVM)5) · DOWIASj) · HARTMAN · ZV · TISER · ZEIT · IN HORWERKk) · 15 · 93l) ·

Übersetzung:

Das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit (E).

Versmaß: Zwei freie, gereimte Knittelverse (A).

Kommentar

Die Lettern sind bis auf wenige Ausnahmen, deren Wachsmodelle beim Auflegen etwas verrutscht waren, senkrecht und in regelmäßigen Abständen auf die Glocke gebracht worden. In Inschrift (E) sind die Spatien allerdings ungewöhnlich breit ausgefallen. An charakteristischen Buchstabenformen fällt vor allem das asymmetrisch aus der Achse verschobene A auf, dessen rechter Schaft deshalb senkrecht steht. Die Schrägschäfte des K sind geradlinig oder wenig gewölbt. Das M ist schwach konisch gebildet, der Mittelteil endet in der Zeilenmitte. Das W ist verschränkt, das Z besitzt einen Mittelbalken. Im Unterschied zu (A) und (E) erscheint in Inschrift (D) ein offenes D. Als Worttrenner dienen kräftige, paragraphzeichenförmige Quadrangel in Zeilenmitte.

Die hier verwandte Glockenrede (A) läßt sich auch sonst in verschiedenen Varianten zahlreich belegen.6) Hans Beck (oder Becke bzw. Becker) gehört zu den weniger bekannten Gießern Mitteldeutschlands. Er erhielt am 25. April 1590 das Bürgerrecht der Stadt Leipzig.7) Bisher ist aus seiner Werkstatt neben der Hornburger Glocke nur noch eine Uhrschlagglocke in Düben (Lkr. Anhalt-Zerbst) von 1594 bezeugt.8)

Tobias Hartmann wurde in Artern um das Jahr 1556 geboren.9) Nach dem Studium der Theologie trat er 1589 sein erstes Pfarramt in Hornburg an.10) Ein Jahr später heiratete er Maria, die Tochter des Eislebener Buchdruckers Andreas Petri, mit der er bis zu seiner 1606 erfolgten Übersiedlung nach Alberstedt acht Kinder hatte.11) Die inschriftliche Erwähnung seines Namens, vor allem aber sein Ringsiegel, das einen Wappenschild mit einer Glocke zeigte,12) deuten darauf hin, daß er zur Finanzierung der Glocke maßgeblich beigetragen hatte.

Textkritischer Apparat

  1. GEFLOSSEN] gegossen Schmeißer.
  2. Der gesamte Kreuztitulus nur äußerst schwach erkennbar.
  3. Unterbrechung durch den Kreuzstamm.
  4. 1] Fehlt in Kdm., Schmeißer.
  5. Blütenornament.
  6. [LA] / · [MM]] Ergänzung nach Jh 1, 29.
  7. GOTTES] Das G spiegelverkehrt.
  8. V(ERBVM)] Der Buchstabe etwas nach oben und zugleich in eine linksschräge Lage verrutscht.
  9. T(OMINI)] Lies: D(OMINI).
  10. DOWIAS] Das D spiegelverkehrt. Dorvias Schmeißer; Tobias LfD Halle, Glockenbestandsaufnahme.
  11. HORWERK] So für HORNBVRG oder HORNBERG; zu den verschiedenen Schreibvarianten des Ortsnamens vgl. Kdm. (Mansf. Seekr.) 1895, S. 278.
  12. 15 · 93] Der Schaft der 1 oben nach links umgebrochen und unten mit einem Zierhaken versehen; die 9 geschlossen, die 3 spitz.

Anmerkungen

  1. Io 19, 19.
  2. Initialen nicht auflösbar. Möglicherweise handelt es sich um die Signatur des unbekannten Medaillon-Formschneiders.
  3. Jh 1, 29.
  4. Mt 24, 35.
  5. 1 Pt 1, 25. Siehe dazu Nr. 114.
  6. Vgl. DI 49 (Darmstadt) 1999, Nr. 275; DI 11 (Merseburg) 1968, Nr. 120; DI 39 (Lkr. Jena) 1995, Nr. 208, 323, 336, 337; Kdm. (Nordhausen) 1888, S. 98; Kdm. (Hohenstein) 1889, S. 24.
  7. Vgl. LfD Dresden, Jungwirth 1941, S. 44.
  8. Vgl. Eichler 2003, S. 39; AKL 8, 1994, S. 137.
  9. Vgl. Biering 1742, S. 154; Etzrodt 1940, Nr. 9, S. 70: Er war zu Beginn des Jahres 1620 im 64. Lebensjahr.
  10. Vgl. PfA Hornburg, Kb. 1, o. S.; Biering 1742, S. 154.
  11. Vgl. Etzrodt 1940, Nr. 9, S. 67–72. Am 2. März 1606 verabschiedete er sich von seiner Gemeinde in Hornburg, vgl. PfA Hornburg, Kb. 1, o. S., Beichtliste. S. a. Nr. 167.
  12. Vgl. Etzrodt 1940, Nr. 9, S. 65, 70.

Nachweise

  1. Kdm. (Mansf. Seekr.) 1895, S. 281 f.
  2. Schmeißer 1927, Nr. 2, S. 8.
  3. Etzrodt 1940, S. 67.
  4. LfD Halle, Glockenbestandserfassung 1. Wk., Aufnahmebogen zu Hornburg vom 9. 3. 1917.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 141 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0014106.