Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 128† Göhrendorf (Gem. Nemsdorf-Göhrendorf), ev. Kirche (St. Nikolaus) 1580

Beschreibung

Glocke. Sie wurde 1777 durch einen in der Gießerei Ulrich zu Laucha (Burgenlandkreis) angefertigten Neuguß ersetzt.1) Die Leimbacher Chronik führt über die Göhrendorfer Kirche hinsichtlich ihres Geläutes aus: „(...) und sind darinnen befindlich drey Glocken. Davon die größte im Perimetro 12 Fuß, und in der Höhe 4 Fuß ist, und ist Anno 1580 gegossen, wie solches die Schrifft auff derselben anzeiget, welche also lautet [Inschrift (A) mit Amtsträgernennung und Gießervermerk]. Unter dem Crantzel2) stehet das Crucifix mit Zweyn Marienbildern, und darüber [Inschrift (B) mit der Bibelparaphrase].“3)

Inschrift nach PfA Leimbach, Chronik.

Maße: H.: ca. 120 cm; Dm.: ca. 115 cm.

  1. A

    JOCHEIM FRIDRICH ADMINISTRATOR MAGDEBURG(ENSIS)a) MARCHIO BRAND(ENBURGENSIS)a) ANNO M. D. LXXX. GOS MICH MELCHIOR MÖRING IN ERFURT.b)CHRISTIANUS SCHULTES AMTSCHREIBER BROSIUS LASSE ENBc) CHRISTOPHORUS HARTMANN ARNSTADIENS(IS) DIE ZEIT PFARRER.d)

  2. B

    DAS BLUT JESU CHRISTI REINIGET UNS VON ALLEN SÜNDEN.5)

Übersetzung:

Joachim Friedrich Administrator von Magdeburg und Markgraf von Brandenburg (A).

Kommentar

Die Glocke zählt zu den bisher unbekannten Arbeiten des Erfurter Glockengießers Melchior Möring und dürfte – soweit dies aus dem Umfang der Beschriftung hervorzugehen scheint – zu den aufwendiger gestalteten Werken gehört haben.6) Als dem Landesherrn7) und Patron der Nemsdorfer Pfarre8), durch die Göhrendorf seit 1563 als Filiale9) betreut wurde, gebührte dem Administrator des Erzbistums Magdeburg Joachim Friedrich selbstverständlich die erste Stelle unter den inschriftlich bezeugten Personen. Christian Schultes (auch: Schultheis o. ä.) senior war bereits 1554 Querfurter Amtsschreiber gewesen und übte diese Funktion etwa 50 Jahre lang aus.10) Ihm ist größtenteils die Anfertigung des Manuskripts „Memorabilia Querfurtensia“ zu verdanken, in das zahlreiche Urkundenabschriften und Anmerkungen zur Querfurter Geschichte Eingang fanden, nachdem Cyriacus Spangenberg das Burgarchiv 1563 wiederaufgefunden hatte.11) Ambrosius Lasse entstammte einer alteingesessenen Göhrendorfer Familie, deren Angehörigen häufiger das Schöffenamt übertragen wurde.12) Der Begriff „Heimbürge“ bezeichnet hier den von der Gemeinde bestellten Schultheißen, der in der Regel mit der niederen Gerichtsbarkeit und der Überwachung der öffentlichen Finanzen betraut war.13) Christoph Hartmann hatte die Nemsdorfer Pfarrstelle als Nachfolger von Blasius Kling im Jahre 1555 angetreten und bis 1586 allein versehen.14) Danach wurde ihm bis zu seinem Tod 1602 ein Substitut beigegeben.

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung im Ms. durch Punkt auf der Grundlinie.
  2. MÖRING IN ERFURT] Die Silben bzw. Wörter RING IN ERFURT im Ms. zentriert in die Zeile gesetzt. Danach ein Absatz.
  3. ENB] Der Schreiber setzte in Klammern offenbar erklärend hinzu: (Heimbürge); vgl. zu den Schreibvarianten DRW 5, 1953, Sp. 592 f. Neben mehreren Formen, die anstelle eines M ein N aufweisen, ist allerdings keine Variante ohne das Anfangs- H bezeugt; vgl. auch Grimm/Grimm 10, 1877, Sp. 867 f.
  4. DIE ZEIT PFARRER.] Im Ms. zentriert in die Zeile gesetzt.

Anmerkungen

  1. Vgl. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 115.
  2. D. h. unter der Schulter auf der Flanke.
  3. Vgl. PfA Leimbach, Chronik 1714/17, S. 4. S. a. Nr. 7.
  4. Maße nach der oben angeführten Überlieferung errechnet und gerundet. 1 Fuß entsprach etwa 29–31 cm, vgl. Meß- u. Währungssysteme 1998, S. 19.
  5. Paraphrase nach 1 Jh 1, 7. S. a. Nr. 222.
  6. Zu Gießer und Werk vgl. Nr. 192.
  7. Vgl. zu Joachim Friedrich Nr. 124 mit Anm. 4.
  8. Vgl. das Protokoll der Kirchenvisitation zu Querfurt im Jahre 1555 im Querfurter Amtshandelbuch, abgedr. in Voigt 1928, S. 311.
  9. Vgl. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 114.
  10. Vgl. Voigt 1928, S. 213, 231; s. a. Webel [1714/15], S. 43.
  11. Vgl. StdtA Querfurt, Mem. Querf.; Voigt 1928, S. LXXIII.
  12. Vgl. PfA Nemsdorf, Neuß 1939/48, S. 26, 26/2, 46. S. a. PfA Leimbach, Chronik, S. 9. Anna Regina Lasse, eine spätere Verwandte, kam 1678 in Querfurt bei einer Feuersbrunst ums Leben und erlangte durch ihr Grabmal auf dem Querfurter Stadtgottesacker als sog. „Brandjungfrau“ traurige Bekanntheit, vgl. Voigt 1928, S. 267; Jahns 1990, S. 41 f.; Otto 1982, S. 62.
  13. Vgl. HRG 2, 1978, Sp. 50 f. (Lit.); Haberkern/Wallach 1, 1995, S. 276; DRW 5, 1953, Sp. 592 f.; Wiemann, Harm, Der Heimbürge in Thüringen und Sachsen (Mitteldeutsche Forschungen 23), Köln/Graz 1962, insbes. S. 80–112.
  14. Vgl. Voigt 1928, S. 311 Anm.★★ ; Webel 1708, S. 14 f.

Nachweise

  1. PfA Leimbach, Chronik 1714/17, S. 4.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 128† (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0012803.