Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 126 Querfurt, Burgmuseum 1564–15791)

Beschreibung

Ofenplatte, Gußeisen. Die querrechteckige, dunkelgrau gefaßte Tafel wurde an der inneren Nordwand des heutigen Museumscafés in der ersten Etage des sog. Kornhauses zwischen zwei Fenstern aufgehängt. Über ihre Herkunft ließ sich nichts ermitteln; nach Auskunft des Museumspersonals gehöre sie allerdings nicht zum ursprünglichen Burginventar.2) Die von einem schmalen Rahmen umgebene Fläche schildert in einem Relief, das mehrere chronologisch aufeinander folgende Szenen umfaßt, die alttestamentarische Erzählung um Judith und Holofernes.3) Der linke Bereich zeigt das Feldlager der Belagerer, an deren Zeltspitzen Fahnen mit den Symbolen des Teufels, zumeist Schlangen und Drachen, wehen. Zwei Zelte geben den Blick in das innere Geschehen frei: Im hinteren sieht man Judith und Holofernes am Tisch speisen.4) Im vorderen hat die Israelitin bereits das Haupt des Feldherren mit einem Schwert vom Rumpf getrennt und birgt es in dem von einer Magd bereitgehaltenen Sack.5) Beide Zelte tragen ein Phantasiewappen.6) Den rechten Bildhintergrund füllt die turmreiche Silhouette der Stadt Bethulia, in der man am Horizont das Antlitz Jahwes erkennt, der die Handlung überschaut. Aus zwei Toren sprengen die Belagerten den assyrischen Truppen entgegen und richten ihre Lanzen auf die zurückweichenden Feinde. Auf der hinteren Torbrücke ist der Name der Stadt bezeichnet (A). Direkt davor sieht man Achior gefesselt an einem Baum stehen.7) Unter seinen Füßen liest man seinen Namen (B). Im rechten Bildvordergrund richten sich zwischen Munitionsvorräten fünf Kanonen und ein Mörser bedrohlich auf Bethulia, werden allerdings von niemandem mehr bedient. Über der unteren Randleiste verläuft ein Schriftband mit der Bildbeischrift (C). Sämtliche Inschriften sind erhaben ausgeführt.

Maße: H.: 63 cm; B.: 85 cm; Bu.: 1,2 cm (A), 1,5 cm (B), 2 cm (C).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Ilas Bartusch) [1/1]

  1. A

    BETHVLIAa)

  2. B

    ACHIOR

  3. C

    IVDITH BITTET FLEISICH ZV IREM HERN VND GOTT ·b) HOLOFERNS VORLVSTc) KHOP VMETd) IVDID

Kommentar

Die Schrift kennzeichnen typische Merkmale der Frühhumanistischen Kapitalis: das epsilonförmige E und die Ausbuchtungen am Schaft des I, am Mittelbalken des H sowie am Schrägschaft des Z. Hinzu kommt das halbunziale B. Deutlich ausgebildete Sporen finden sich nur am S. Die Cauda des G ist unten rechtwinklig nach links umgebrochen; der waagerechte Abschnitt verläuft entlang der Grundlinie bis vor den Bogen und knickt dort schräg nach unten ab. Der Mittelteil des schwach konischen M endet im oberen Zeilendrittel. Der Deckbalken des T wurde gelegentlich rechtsschräg gestellt.

Es handelt sich hierbei um den zu unbestimmter Zeit erfolgten Abguß eines von Heinrich Bunsen gefertigten Models.8) Er war ein Schüler des bekannten Formschneiders Philipp Soldan, dessen Werke er häufig imitierte und variierte.9) Auch dieser Ofenplatte liegt eine Arbeit Soldans zugrunde, die in mehreren Abgüssen erhalten ist.10) Der Meister hatte für die bildliche Wiedergabe der Juditherzählung einen Stich von Israhel von Meckenem gewählt, den Bunsen bis auf die Figurengruppe der Judith und ihrer Dienerin, die er nach einem Holzschnitt Jost Ammans aus der Frankfurter Bibel von 1564 abwandelte, in gleicher Weise übernahm.11) Außerdem verwandte er einen abweichenden Bildtext, den er zudem in anderen Buchstabenformen wiedergab. Ein weiterer Abguß desselben Negativs findet sich an dem 1579 gefertigten Ofen im Rathaus zu Grebenstein (Lkr. Kassel), so daß sich die Fertigung des Models in die Zeit zwischen 1564 und 1579 einordnen läßt.12)

Textkritischer Apparat

  1. BETHVLIA] Der Deckbalken des trapezförmigen A verschmilzt mit einem oberen Begrenzungssteg.
  2. Ein mit einem Punkt besetztes Quadrangel (Blütenornament?).
  3. VORLVST] 3. Pers. Sg. Präs. Ind. Akt. von vorliusen (= verlieren). In dieser dialektal geprägten Form des mittelhochdeutschen Verbs verliusen ist der Rhotazismus noch nicht eingetreten. Vgl. Grimm/Grimm 12, 1956, Sp. 794 ff.
  4. VMET] Wohl dialektal im Sinne von wegen.

Anmerkungen

  1. Datierung des verwendeten Models.
  2. Für diese Auskunft danke ich Herrn Heiko Einecke, Burg Querfurt.
  3. Zur Ikonographie vgl. LCI 2, 1994, Sp. 454–458; Sachs/Badst./Neum. 1988, S. 202 f.
  4. Vgl. Jdt 12, 20.
  5. Vgl. Jdt 13, 9–10.
  6. Als Wappenbild ist am hinteren Zelt eine Deichsel, am vorderen ein Drache erkennbar.
  7. Vgl. Jdt 6, 8.
  8. Vgl. Kippenberger 1928, Taf. 32.
  9. Vgl. Kippenberger 1931, S. 177 ff. Zu Soldan vgl. ebd., S. 141 ff.; Kippenberger 1926; ThB 31, 1937, S. 234 f.; von Brockhusen 1970, S. 75 ff.; Brandt 1984.
  10. Vgl. Kippenberger 1926, S. 13 ff.; Kippenberger 1928, Taf. 30.
  11. Vgl. Kippenberger 1926, Taf. 32; Guthmann 1970, S. 54. Zu Israhel von Meckenem vgl. ThB 24, 1930, S. 325 f.; zuletzt u. a. Lymant, Brigitte, Die sogenannte „Folge aus dem Alltagsleben“ von Israhel van Meckenem: ein spätgotischer Kupferstichzyklus zu Liebe u. Ehe, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 53, 1992, S. 7 ff. Zu Jost Amman vgl. ThB 1, 1907, S. 410 ff.; zuletzt u. a. Falk, Tilman, Jost Amman, in: Print quarterly 12, 1995, Nr. 1, S. 78 ff.
  12. Vgl. Kippenberger 1931, S. 183 (Abb. 129).

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 126 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0012609.