Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 114 Vitzenburg, ev. Kirche (St. Johannes d. Täufer) 1573

Beschreibung

Glocke, Bronze. Sie ist die kleinere des zweistimmigen Geläutes im Glockenstuhl des Turmes. Die Schulter umlaufen zwischen zwei Steg-Paaren das Gußjahr und ein Bibelzitat. Die flach abfallende Haube trägt in der Mitte einen, der Wolm drei und der Schlag zwei Stege. Die unverzierte Flanke nimmt erst im unteren Bereich stärker an Breite zu.

Maße: H.: 48 cm; Dm.: 63 cm; Bu.: 2,4 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Ilas Bartusch) [1/2]

  1. · Ma) · D · LXXIII · VERBVMa) · DOMINIb) · MANNETc) · IN · AETHERNVMd) 1)

Übersetzung:

1573. Das Wort der Herrn bleibt in Ewigkeit.

Kommentar

Die Bestandteile der mit deutlichen Sporen ausgestatteten Buchstaben sind gleichbleibend schmal. Der verkürzte Mittelbalken des E ist am Ende leicht gespalten. Bis auf zwei Formen zeichnet sich das gerade M, dessen Mittelteil die Grundlinie erreicht, durch eine Linksschrägenverstärkung aus. Der Balken des A sitzt oberhalb der Zeilenmitte; die geschwungene Cauda des R endet knapp über der Grundlinie. Als Worttrenner dienen Rauten.

Gußjahr, künstlerische Gestaltung und Inschriftenformular lassen keinen Zweifel daran, daß diese Glocke wie ihr gleichaltriges Pendant ein Werk des Gießers Eckhart Kucher ist.2) Das von ihm häufiger verwendete Bibelzitat3) war ursprünglich der persönliche Wahlspruch Kurfürst Friedrichs des Weisen von Sachsen (1486–1525).4) Mit dem Wormser Reichstag (1521) entwickelte er sich allmählich zur verbindenden Devise aller Protestanten, die sowohl die Bauern des Bundschuh wie auch später die Mitglieder des Schmalkaldischen Bundes für sich in Anspruch nahmen.5) Schon seit 1522 ist sie auf einer Vielzahl an Münzen, Fahnen, Handwaffen, Kanonen, liturgischen Geräten etc. nachweisbar.6) Auf dem Reichstag zu Speyer (1526) trugen die Vertreter der evangelischen Partei die entsprechende Abkürzung VDMIA bzw. VDMIE ostentativ auf ihrer Kleidung.7) Eine Beziehung zu Luther läßt sich allerdings nur im allgemeinen herstellen; eine gesonderte Abhandlung hat er dem Jesaja-Wort nirgends gewidmet.8) Doch klingt darin der sola-scriptura-Gedanke so deutlich an, daß es als Kurzformel für Luthers Reformationsprogramm und protestantisches Gedankengut besonders geeignet schien. Die Verbreitung dieser Devise wuchs im 16. Jahrhundert so stark, daß der ursprüngliche Sinn mit der Zeit immer mehr verblaßte. Indessen stillte die Formel zunehmend wieder das alte, nie völlig abgeklungene Bedürfnis nach einem magischen Wortzauber.9) Aus dieser Perspektive ist wohl ihre häufige Verwendung als Glockeninschrift zu verstehen.10)

Textkritischer Apparat

  1. M] bzw. VERBVM] Der Mittelteil des schwach konischen M endet im oberen Zeilendrittel.
  2. DOMINI] Dei EGB, LfD Halle, Glockenbestandserfassung 1. Wk.
  3. MANNET] Lies: MANET.
  4. AETHERNVM] Lies: AETERNVM.

Anmerkungen

  1. I Pt 1, 25. S. a. Is 40, 8.
  2. Vgl. Nr. 113. Siehe hier auch zum Gießer Eckhart Kucher.
  3. Vgl. die Zusammenstellung in DI 39 (Lkr. Jena) 1995, Nr. 159 Anm. 8; DGM Greifenstein, Eichler 1989, S. 186 mit Anm. 3, 4.
  4. Vgl. Dielitz 1888, S. 348; Löbe 1883, S. 165 f.; Löbe 1878, S. 4, 6, 8, 45.
  5. Vgl. allg. Stopp 1969, S. 123–135, hier insbes. S. 127, 130. S. a. DI 41 (Göppingen) 1996, Nr. 421; RDK 3, 1954, Sp. 1350.
  6. Vgl. als Beispiel für die Verbreitung der Devise DI 39 (Lkr. Jena) 1995, Nr. 137, 250 Anm. 3 (s. a. im Register 7d auf S. 311); DI 9 (Lkr. Naumburg) 1965, S. 164 (Register „Sprüche und Devisen“).
  7. Vgl. Stopp 1969, S. 128f.; Löbe 1883, S. 166; Dörr 1992, S. 306; Beintker 1982, S. 163 mit Anm. 8.
  8. Vgl. Stopp 1969, S. 124 mit Anm. 8.
  9. Vgl. Stopp 1969, S. 131f., insbes. Anm. 18 u. 25.
  10. Eine Zusammenstellung von Glocken mit dieser Inschrift bietet Walter 1913, S. 295 Anm 1.

Nachweise

  1. Plath 1891, S. 277.
  2. Plath 1893, S. 358.
  3. Grössler 1904, S. 122.
  4. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 285.
  5. EGB 1917, Nr. 7, o. S.
  6. LfD Halle, Glockenbestandserfassung 1. Wk., Aufnahmebogen zu Vitzenburg vom 11. 3. 1917.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 114 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0011409.