Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 111 Querfurt, Tränkstr. 1 (Gasthof „Zum Goldenen Stern“) 1571

Beschreibung

Schrifttafel, Sandstein. Links vor der Toreinfahrt befindet sich in der Ostwand des in den Gehweg hineinragenden Gebäudetrakts über einem geteilten Rundbogenfenster in einer Höhe von ca. 3,50 m eine querrechteckige Tafel. Diese stammte ursprünglich von dem ehemals am Ostende der Klosterstraße gelegenen und 1655 abgebrannten Vorgängerbau des Wirtshauses.1) Für den 1702 errichteten Neubau wurde sie hierher überführt, zunächst im Hof eingemauert und nach 1930 auf die Straßenseite versetzt.2) Auf dem gerahmten Binnenfeld ist in der Mitte ein sechsstrahliger Stern in Relief herausgearbeitet, um den sich in lockerer Reihenfolge die Devise (A) und darunter die datierte Nameninschrift (B) gruppieren. Beide Inschriften wurden in erhabenen Lettern ausgeführt. Auf der unteren, abgeschrägten Rahmenleiste verläuft eine 1702 hinzugesetzte Bauinschrift.3)

Maße: H.: 31 cm; B.: 95 cm; Bu.: ca. 4,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Ilas Bartusch) [1/1]

  1. A

    W(EN)a) GOT ERHELT //b) BLEIBET WOLL /D(IE)c) · ARMVT //b) NIMANTd) / VERACHTNe) / SOLLf)4)

  2. B

    HANS · MERTENg) / KOCH · 1 · 5 //b) · 7 · 1h) ·

Versmaß: 2 Knittelverse, paarweise gereimt. (A)

Kommentar

Die unterschiedlich großen und unbeholfen gemeißelten Buchstaben weisen keinerlei Verzierungen auf. Die Schrägschäfte nehmen in Richtung ihrer freien Enden an Breite zu. Die senkrecht gestellte Cauda des G wird vom Bogen überwölbt. Die Schrägschäfte des K stehen rechtwinklig zueinander; der Mittelteil des konischen M endet im unteren Drittel der Zeile. Im Unterschied zu Inschrift (B) erscheint das N in (A) stets spiegelverkehrt. Die geradlinig schräge Cauda des R endet oberhalb der Grundlinie. Als Worttrenner dienen kräftige Quadrangel in Zeilenmitte.

Die beschriebenen Schriftmerkmale lassen sich im Landkreis Querfurt einem namentlich nicht bekannten Steinmetzen zuordnen, der auch in Schnellroda und Nemsdorf nachzuweisen ist.5) In Anbetracht der erhaltenen Werkstücke soll er hier vorläufig „Querfurter Steinmetz der Schrifttafeln“ genannt werden.6)

Im ältesten Querfurter Grundbuch von 1570 ist verzeichnet, daß Hans Merten im Stadtgebiet Clostergasse ein Haus mit Hof als Ratslehen besaß.7) Insofern ist der inschriftliche Zusatz KOCH vermutlich als Berufsangabe zu verstehen.8) Der Wirt erwarb 1571 die Gasthofsgerechtigkeit, und schon bald gehörte sein Lokal zu den ersten Adressen der Stadt.9) Das Gebäude wurde allerdings durch den Stadtbrand von 1619 vollständig zerstört.10) Nach dem Wiederaufbau fiel es 1655 dem Feuer erneut zum Opfer, ohne daß ein Versuch der Instandsetzung folgte. Erst 1702 erwarb Andreas Dietrich, der Pächter des Ratskellers, auch die Gasthofsgerechtigkeit des „Goldenen Stern“ und richtete ihn auf dem ehemaligen Grundstück des Diakons Büttner, dem heutigen Standort, neu her.11)

Textkritischer Apparat

  1. W(EN)] Ohne Kürzungszeichen. Auch die Auflösung W(AS) denkbar.
  2. Unterbrechung durch einen sechsstrahligen Stern im Zentrum.
  3. D(IE)] Ohne Kürzungszeichen.
  4. NIMANT] NIWANT Kdm.; nimannt StdtA Querfurt, Ihle.
  5. VERACHTN] verachten Ihle. In der Mitte der Zeile rechts des Sternes.
  6. SOLL] In der rechten Ecke der unteren Zeile, neben der Jahreszahl von (B).
  7. HANS · MERTEN] Links des Sternes in der linken Zeilenhälfte auf der Höhe von VERACHTN, vgl. (A).
  8. 1 · 5 // · 7 · 1] Der sich nach unten verjüngende Schaft der ersten 1 ist nach links gekrümmt, der der zweiten 1 ist ein einfacher senkrechter Schaft. Die 5 besteht nur aus Deckbalken und Bogen.

Anmerkungen

  1. Vgl. StdtA Querfurt, Ihle 1948, S. 2: „(...) zwischen den ansehnlichen Häusern des Schöppen und Stadtschreibers Hans Brauer und dem Schultheiß Jörge Bergfreden gehörigen Ratsbrauhaus (...).“; zum Brand vgl. ebd., S. 4. S. a. Ihle 1928, S. 44; Ihle 1930, S. 43.
  2. Vgl. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 204; LfD Halle, Pflug 2, o. J., Abb. 71 (Meßbildaufnahme von 1930 noch ohne den Schriftstein). Zum Neubau siehe Kommentar.
  3. In Fraktur: Dieses Jahr vor bößert hat 1702 · A(ndreas) · D(ietrich). Diese Inschrift ist leider während der Rekonstruktionsarbeiten im Jahre 2000 verputzt worden.
  4. Zu ähnlichen Redewendungen vgl. TPMA 1, 1995, S. 216; 5, 1997, S. 174 ff.; Wander 2, 1987, Sp. 75: „Wem Gott helt schutz, der bleibet wol, wenn gleich die Welt wer krieges vol.“
  5. Vgl. Nr. 125, 139.
  6. Vgl. Einl. Kap. 5. 4. 2.
  7. Vgl. StdtA Querfurt, Lehnbuch 1570–78, fol. 114r.
  8. Vgl. aber auch in StdtA Querfurt, Ratsprotokolle 1624, fol. 13v den Vermerk von 1610: „Martin Koch’en ist uff seine bitt eine pfründte im Geiste [d. i. Heilig-Geist-Spital] zugesagtt (...).“ Die Identität der Personen bleibt jedoch ungewiß.
  9. Vgl. StdtA Querfurt, Ihle 1948, S. 2.
  10. Vgl. StdtA Querfurt, Ihle 1948, S. 3.
  11. Vgl. StdtA Querfurt, Ihle 1948, S. 4f. Aus dieser Zeit stammt neben der Bauinschrift (vgl. Anm. 3) auch die Jahreszahl 1702 im Schlußstein der Toreinfahrt, die Ihle mehrfach irrtümlich als 1502 wiedergab, vgl. Ihle 1928, S. 45; Ihle 1930, S. 43. Zum gegenwärtigen Bau vgl. LfD Halle, Pflug 1, o. J., S. 67f., 84, 89, 91; ebd. 3, o. J., Taf. XI, XII.

Nachweise

  1. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 204.
  2. StdtA Querfurt, Ihle 1948, S. 2.
  3. LfD Halle, Pflug 1, o. J., S. 67; ebd. 2, o. J., Abb. 78.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 111 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0011108.