Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 98 Farnstädt, ev. Kirche (St. Johannes und Paul) 1557

Beschreibung

Epitaph für Jobst von Geusau, Sandstein. Die Platte wurde an der Innenseite der Nordostwand des dreiseitigen Chorpolygons als erstes Grabdenkmal von Westen aufrecht in das Mauerwerk eingelassen. Sie ist in drei etwa gleich große horizontale Zonen unterteilt. Der obere und untere Bereich zeigen in entgegengesetzter Ausrichtung jeweils acht flach reliefierte Vollwappen, die auf beiden Seiten in zwei Reihen aus je vier 27 cm großen, einander leicht überschneidenden Rundmedaillons angeordnet sind. Die Zwickel zwischen den Ringen füllen Sternblüten. Von den oberen Schilden sind nur drei heraldisch vollständig behauen. Die unteren Wappen wurden hingegen komplett ausgeführt, jedoch ist ihre Identifizierung durch Beschädigungen bzw. achtlos aufgebrachten Putz teilweise nicht mehr möglich. Das Zentrum der Platte ist in Form eines querrechteckig gerahmten Bildes gestaltet, in dem eine Familie in Anbetung des Gekreuzigten wiedergegeben ist. Der Korpus Christi ist nahezu vollplastisch, die übrigen Figuren sind im Halbrelief gearbeitet. Das nach beiden Seiten weit ausschwingende Lendentuch ist teilweise gebrochen bzw. stark beschädigt. Über dem Haupt des Erlösers ist auf einem linksschräg geschnittenen Schild der Kreuztitulus (A) angegeben. Auf dem nur angedeuteten Kalvarienberg ist zwischen den Initialen der Signatur (B) eine Meistermarke1) zu erkennen. Links des Kreuzstammes knien Vater und Sohn, rechts Mutter und Tochter. Während Letztere ohne Kopfschmuck dargestellt ist, trägt die Frau eine Gugelhaube und ein breites Kinnband. Auf der um ca. 3,5 cm vorkragenden, rechts etwas beschädigten Rahmenleiste verläuft ringsum das Bibelzitat (C), das sich schließlich im Binnenfeld auf einem den oberen Rahmenabschnitt begleitenden Band fortsetzt. Alle Inschriften wurden eingemeißelt.

Maße: H.: 192 cm; B.: 105 cm; Bu.: 2,1 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Ilas Bartusch) [1/4]

  1. A

    I(ESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDEORVM)2)

  2. B

    A //a) W

  3. C

    ALSOb) · HAT · GOTT · DIE · WELT · GELIEBET · DAS · ER · SEINEN · EINGEBORNEN · SON · GAB · / AVFF · DAS · ALLE · DIE [.........]BENc) · NICHT · / VERLOREN · WERDEN · SONDERN · DAS · EWIGE · LEBEN · HABEN · DE[..]d) · GOTT · HAT / SEINEN · SON · NICHT · GESANDe) · INf) · WELT · DAS ER · DIE WELT //g) RICHTE · SON/DERN · DAS · DIE · WELT · DVRCH //h) IN · SELIG · WERDE · IOHANNES · / AM · 3 ·3)

Wappen:
oben:Geusau4), Krosigk5), unbehauen, unbehauen,
Bendeleben6), teilw. unbehauen7), unbehauen, unbehauen,
unten:Watzdorf8), Thüna9), unkenntlich10), unkenntlich,
Bünau (?)11), Hofer von Lobenstein12), Fraunberg (?)13), unbekannt14).

Kommentar

Die Schrift zeichnet sich durch eine akkurate Regelmäßigkeit aus. Die Buchstabenbestandteile sind schmal geschlagen, verfügen über keinerlei Bogenverstärkungen und werden von schwach ausgeprägten Sporen begrenzt. Erwähnenswerte Besonderheiten sind der meist im oberen Drittel liegende Balken des spitzen A, die gebogene und weit ausgestellte Cauda des R sowie das konische M, dessen Mittelteil bis zur Grundlinie herabgeführt ist. Als Worttrenner dienen Punkte in Zeilenmitte.

Obwohl der Verstorbene inschriftlich nicht vermerkt ist, läßt sich aus den wiedergegebenen Ahnenproben klar erkennen, daß das Grabdenkmal nur dem am 29. Oktober 1557 verschiedenen Jobst von Geusau und seiner Familie gewidmet sein kann.15) Jobst war der Sohn Günthers von Geusau d. J. von dessen unbekannter Frau aus dem Geschlecht von Bendeleben.16) Die Wappen seiner Eltern erscheinen an entsprechender Stelle sowohl auf der Grabplatte als auch hier auf dem Epitaph. In dritter Ehe war Jobst von Geusau mit Anna von Watzdorf, einer Tochter Volrads von Watzdorf und Agnes’ von Bünau, verheiratet gewesen, deren Wappen ebenfalls auf beiden Grabmälern erscheint.17) Den bisherigen Untersuchungen ist zu entnehmen, daß aus dieser Verbindung ein Sohn, die Tochter Barbara (geb. 1554, gest. 1599) sowie zwei weitere Töchter hervorgingen.16) Die letzteren starben bereits jung, worin der Grund liegen mag, warum nicht auch sie bildlich wiedergegeben wurden.

Die meisten der beschriebenen Schriftbesonderheiten – einschließlich des TT- und FF-Nexus – lassen sich auch auf der Grabplatte des Verstorbenen nachweisen.15) Da sich die Ähnlichkeiten sogar auf die figürlichen Darstellungen erstrecken, besteht kein Zweifel, daß dem bisher anderweitig nicht bezeugten Meister AW beide Arbeiten zuzuweisen sind.

Textkritischer Apparat

  1. Meistermarke; vgl. Anm. 1.
  2. ALSO] Dem spitzen A fehlt der Querbalken.
  3. [...........]BEN] Rahmenabschnitt ausgebrochen. Lies nach Jh 3, 16: [· AN · IN · GLEV]BEN.
  4. DE[..]] Leichte Oberflächenbeschädigung. Lies nach Jh 3, 16: DE[NN].
  5. GESAND] Dem G fehlt die Cauda.
  6. IN] Dem N fehlt der Schrägschaft.
  7. Ab hier Fortsetzug der Inschrift auf einer den Rahmen im Binnenfeld begleitenden Leiste.
  8. Unterbrechung der Inschrift durch den Kreuztitulus (A).

Anmerkungen

  1. Vgl. Fig./Stz./M. 20.
  2. Io 19, 19.
  3. Jh 3, 16–17.
  4. Vgl. Siebmacher 6/6, 1884, S. 50f., Taf. 31. Hier linksgewendet.
  5. Vgl. Siebmacher 6/12, 1907, S. 101, Taf. 79.
  6. Vgl. Siebmacher 6/6, 1884, S. 12, Taf. 8.
  7. Wappenschild unbehauen, als Helmzier über Helmkrone sieben Fähnchen; möglicherweise das Wappen von Erffa, vgl. Siebmacher 2/3, 1857, S. 9, Taf. 8.
  8. Vgl. Siebmacher 6/6, 1884, S. 178, Taf. 116. Helmzier überputzt.
  9. Vgl. Siebmacher 6/6, 1884, S. 168, Taf. 109. Helmzier überputzt. Der Genealogie nach wäre allerdings das Wappen von Asseburg-Wallhausen zu erwarten, da Anna von Watzdorfs Großmutter väterlicherseits Maria von Asseburg-Wallhausen war, vgl. Christian Heinrich von Watzdorf’s (...) Beschreibung (wie Anm. 17), S. 125f., 149; zum Wappen vgl. Siebmacher 6/11, 1905, S. 4f., Taf. 2.
  10. Der Genealogie nach wäre das Wappen von Perglas zu erwarten, weil Anna von Watzdorfs Urgroßmutter großväterlicherseits Katharina von Perglas war, vgl. Christian Heinrich von Watzdorf’s (...) Beschreibung (wie Anm. 17), S. 25 f. Das entsprechende Wappen, vgl. Siebmacher 3/4, 1859, S. 21, Taf. 23, scheint allerdings mit den noch wahrnehmbaren Resten des Wappenbildes (spitzovales Mühlrad?) nicht übereinzustimmen.
  11. Gespalten; als Helmzier über Helmkrone ein offener Flug. Vgl. in Siebmacher 2/3, 1857, S. 1, Taf. 1 nur das gevierte Wappen.
  12. Vgl. Siebmacher 1605, S. 98, Taf. 78. Helmzier unkenntlich. Die Wappenidentifizierung verdanke ich Herrn Dr. Harald Drös, Heidelberg. Nach bisherigen genealogischen Untersuchungen wäre allerdings das Wappen Nothafft von Wernberg zu erwarten, da Anna von Watzdorfs Großmutter mütterlicherseits Agnes Nothafft von Wernberg war, vgl. Sächs. StA Leipzig, Ahnenreihen 1982, Reihe v. Geusau S. 2.
  13. Pfahl, anscheinend unten nach Einschnürung mit Halbkugelspitze versehen. Als Helmzier anscheinend ein gestulpter, gekrönter und mit einem Pfauenstoß besteckter Spitzhut. Zum ähnlichen Wappen von Fraunberg vgl. Siebmacher 2/1, 1856, S. 34 f., Taf. 31. Der genealogische Nachweis bleibt indes offen. Den heraldischen Hinweis verdanke ich Herrn Dr. Harald Drös, Heidelberg.
  14. Drei Kugeln, 2 : 1 gestellt. Helmzier unkenntlich.
  15. Vgl. Nr. 97.
  16. Vgl. Sächs. StA Leipzig, Ahnenreihen 1982, Stammtafeln v. Geusau Taf. 2.
  17. Vgl. Sächs. StA Leipzig, Ahnenreihen 1982, Reihe v. Geusau S. 2 Nr. 16; zur Genealogie derer von Watzdorf vgl. Christian Heinrich von Watzdorf’s (...) historisch genealogische Beschreibung des uralten adligen und gräflichen Geschlechtes Derer von Watzdorf 1740, im Auftrag und unter Mitwirkung des Rudolf Watzdorf-Stoermthal revidiert, fortgesetzt und hg. v. Ferdinand Nitze, Dresden 1872, S. 125f., 149f.

Nachweise

  1. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 60.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 98 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0009801.