Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 59 Gatterstädt (Stadt Querfurt), ev. Kirche (St. Georg) 1505

Beschreibung

Glocke, Bronze. Die Schulter umlaufen zwischen zwei Schnurstegen die erhaben hervortretende Jahresangabe und mehrere Heiligenanrufungen. Diese werden oben und unten von einem Fries aus verschränkten Rundbögen begleitet, dessen Bogenenden sich in Kreuzblumen vereinigen. Auf der geradlinig schrägen Haube und oberhalb der Schärfe verlaufen je zwei, am Wolm weitere drei Stege, deren Breite ca. 1,3 cm beträgt. Mitten auf der Flanke befinden sich in gegenüberliegender Position zwei Pilgerzeichen, von denen das eine in der Art einer Monstranz mit dem Sternberger Wallfahrtszeichen identifiziert werden kann.1) Der andere, nur undeutlich ausgebildete Abdruck hat die Form einer Ädikula, in der unter einem spitzen, wohl mit einer Palmette besetzten Giebel eine Bischofsfigur erkennbar ist, die in der Linken den Krummstab schräg vor den Leib hält.2)

Maße: H.: 80 cm; Dm.: 107 cm; Bu.: 3,6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Ilas Bartusch) [1/2]

  1. +a) Anno domieb) +c) m +d) cccccve) +d) ior · hilf · got · maria · Anna +f) hilf ritterg) sante iorge peter

Kommentar

Die Buchstaben ähneln in fast allen Zügen denen auf den Glocken der Gatterstädter Petri-Kirche und der Barnstädter St.-Wenzels-Kirche.3) Die A-Versalien sind pseudounzial gestaltet und mit zwei schmaleren rechtsschrägen Mittelbalken versehen. Der obere Bogenabschnitt des c ist waagerecht umgebrochen, der untere fehlt. Die Fahne des r weist eine dünne, hakenförmig nach außen gebogene Zierlinie auf. Die Haste des p ist unten gespalten. Der nach rechts ausholende untere Bogen des g ist auf einen waagerechten Balken reduziert. Als Worttrenner dienen vielstrahlige Sterne.

Die beschriebenen Schriftbesonderheiten verweisen eindeutig auf Paul Mas als Gießer der Glocke.4) Während die Heiligen Georg und Petrus die Patrone der beiden Gatterstädter Kirchen darstellen, entspricht die Anrufung der hl. Anna der um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert auch im mitteldeutschen Raum verstärkt nachweisbaren Verehrung der Mutter Mariens.5)

Textkritischer Apparat

  1. Undeutliches Kruzifix.
  2. domie] Lies: domini.
  3. Tatzenkreuz, das untere Schaft- und das rechte Balkenende als Dreipaß gestaltet.
  4. Kolbenkreuz.
  5. m + cccccv] 1506 PfA Leimbach, Chronik.
  6. Kleeblattkreuz.
  7. ritter] hriter Kdm. Die Konturen des Wortes sind sehr verschwommen, da die Schäfte teilweise zu breit ausgeflossen sind; somit bleibt die Lesung unsicher. Der erste Buchstabe ist durch den dünnen Zierstrich als r erkennbar, die Fahne des letzten r ähnelt einem breiten senkrechten Schaft.

Anmerkungen

  1. Vgl. Köster 1984, S. 219. S. a. Schilling 1988, Abb. 402, hier jedoch in Bildbeischrift und -kommentar, vgl. ebd., S. 337, – wie auch sonst häufig, vgl. Wolff 1920, S. 25, Taf. VI (Abb. 3) – fälschlicherweise als Wilsnacker Wallfahrtszeichen ausgewiesen. Dasselbe Pilgerzeichen auf der Gatterstädter Glocke von 1506, vgl. Nr. 63; weitere Nachweise in Schilling 1988, S. 337.
  2. Herkunft nicht identifiziert; H.: 6 cm, B.: 4 cm. Eine mäßige Ähnlichkeit besteht zu dem St.-Wolfgang-Pilgerzeichen, vgl. Köster 1957, S. 206, Taf. XII (Abb. 63).
  3. Vgl. Nr. 63, 67, 69.
  4. Vgl. zum Gießer Nr. 69; Walter 1913, S. 816.
  5. Vgl. Nr. 62, 63, 65, 67, 69, 77, 80; zur Annenverehrung im Mansfeldischen siehe Hornemann 2000, S. 307–325, unter vielfacher Berufung auf Dörfler-Dierken 1992. Als eine Ursache für das Phänomen wird auf den heute als Fälschung erkannten Ablaß von 1494 verwiesen, der nach einem Gebet vor einem St.-Annen-Bild wirksam werden sollte; vgl. Hornemann 2000, S. 315 mit Anm. 56.

Nachweise

  1. PfA Leimbach, Chronik, S. 50 (nur Jz.).
  2. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 109.
  3. EGB 1917, Nr. 7, o. S.
  4. LfD Halle, Glockenbestandserfassung 1. Wk., Aufnahmebogen zu Gatterstädt vom 12. 3. 1917.
  5. LfD Halle, Glockenaktenslg. (ungeord.), Aktenheft zur Glockenerfassung [1917], o. S.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 59 (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0005900.