Inschriftenkatalog: Ehemaliger Landkreis Querfurt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 64: Querfurt (2006)

Nr. 56† Albersroda, ev. Kirche (St. Magnus) 1502

Beschreibung

Glocke. Sie wurde als älteste bislang bekannte Glocke von Albersroda 1906 durch eine neue ersetzt.1) Gußvermerk, historische Nachricht, Gebet und Anrufung befanden sich an der Schulter zwischen zwei Schnurstegen. Die Flanke zierten zwei Ritzzeichnungen einer Anna selbdritt und eines Bischofs mit Krummstab.2)

Inschrift nach Faksimile der Abreibung in Kdm.

Maße: Dm.: 100 cm.3)

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Orig.: o. A. [1/1]

  1. + anno + mo + xvcija) · matis · somerb) cu nv(m)borck war das gvl iarc) hilf + got maria + brotd) + sanct + donat

Kommentar

Auf dem Faksimile der Abreibung sind Neigung und Größe der Lettern starken Schwankungen unterworfen; auch die Breite der Schäfte variiert. Sämtliche Unterlängen wurden in das Mittelband gezwängt. Die Formen von c und Schaft- s, deren obere Bögen rechtwinklig umgebrochen sind, lassen sich nicht unterscheiden. Der als Deckbalken gestaltete obere Bogenabschnitt des g ragt rechts über den Schaft hinaus. Die Fahne des r verfügt teilweise über einen unten angesetzten und schräg auslaufenden Zierstrich. Die Worttrenner sind in Gestalt waagerecht liegender Lilien, die Kreuze fast immer als Tatzenkreuze ausgeführt.3)

Nach Jungwirths bisher nicht überprüften Angaben sollen von dem Naumburger Gießer Mathis Sommer auch die Glocken in Bernsdorf (Lkr. Chemnitzer Land), Groß Rossen (Lkr. nicht ermittelt), Benkendorf (Gem. Salzmünde, Saalkreis), Beuschberg (Lkr. nicht ermittelt) und Stechau (Lkr. ElbeElster) stammen.4) Nach dem bisherigen Erfassungsstand erhielt die Albersrodaer Glocke eine der letzten spätmittelalterlichen Ritzzeichnungen in Deutschland.5) In der Regel stimmen die dargestellten Figuren mit den jeweiligen Schutzpatronen der Kirche überein, deren Schirmkraft auch durch das Geläut wirken sollte.6) Zugleich wurden deren Namen sehr häufig in den Glockeninschriften genannt.7) So nennt auch eine von demselben Meister geschaffene Turmglocke für St. Othmar zu Naumburg (Burgenlandkreis) den Kirchenpatron ausdrücklich in der darauf verzeichneten Anrufung ( hilf godt maria vnde sanct otmar im xvc vnde vi).8) Insofern erstaunt in Albersroda die Tatsache, daß in einer dem hl. Magnus geweihten Kirche sich das Glockengebet an den hl. Donat von Arezzo wandte. Auch das bischöfliche Ornat der Ritzzeichnung weist eher auf letzteren als auf den hl. Magnus von Füssen.9) Es könnte deshalb durchaus sein, daß die Glocke aus einer Donatskirche unbestimmten Ortes hierher überführt worden war.10)

Die Anrufung hilf got, maria b(e)rot stellt eine seit dem 15. Jahrhundert häufig verwendete Formel auf liturgischen Gefäßen dar.11) Die Wendung gul iar hingegen ist auf Glocken ungewöhnlich. Sie dürfte den Begriff gulden iar abkürzen, womit das einen vollkommenen Ablaß gewährende Heilige Jahr gemeint ist.12) Seit 1500 wurde dieses zunächst nur auf Rom beschränkte Jubiläum in den jeweils folgenden Jahren auf die gesamte Welt ausgedehnt.13) Aus diesem Anlaß war 1502 der Kardinal und Ablaß-Kommissar Raimund Peraudi in Naumburg erschienen und hatte nach aufwendiger Zeremonie den päpstlichen Segen erteilt.14)

Textkritischer Apparat

  1. mo + xvcij] Das mo ist redundant. Zu dieser und ähnlichen Schreibweisen der Jahreszahl vgl. Kloos 1992, S. 63; Otte/Wernicke 1, 1883, S. 409f. Das kleinere i nimmt nur die oberen zwei Drittel der Zeile ein.
  2. somer] Walter 1913, S. 715 gibt als Gießer Matis Cornelius an. Nach dem Abrieb ist eine Unterscheidung zwischen c, t und Schaft- s nur schwer zu treffen, aber ein Gießer namens comer bzw. tomer ist bisher sonst nirgends nachweisbar.
  3. gul iar] gus jar Naumann. Die Fahne des r fehlt. Danach ein Zeichen in Form eines etwa gleichseitigen Dreiecks, dessen Seiten jeweils ein weiteres Dreieck verziert und dessen Spitze von einem Kreuz bekrönt wird, vgl. Fig./Stz./M. 13. S. a. dasselbe Zeichen auf Glocken in Gatterstädt, vgl. Nr. 38 Anm. c, in Leiha (Gem. Roßbach, Lkr. Merseburg-Querfurt), vgl. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 144, und in der St.-Othmar-Kirche zu Naumburg (Burgenlandkreis), vgl. DI 7 (Stadt Naumburg) 1960, Nr. 202, 203.
  4. brot] Lies: berot (berat), im Sinne von „sorgen für“.

Anmerkungen

  1. Vgl. LfD Halle, Glockenbestandserfassung 1. Wk., Aufnahmebogen vom 11. 3. 1917; die neue Glocke wurde von den Gebr. Ulrich in Laucha (Burgenlandkreis) gegossen.
  2. Vgl. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 35.
  3. Vgl. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 34.
  4. Vgl. LfD Dresden, Jungwirth 1941, S. 56. Sommer war seit 1493 Bürger von Naumburg. S. a. Eichler 2003, S. 253.
  5. Vgl. Hübner 1968, S. 5, 20.
  6. Vgl. Schulze 1964, S. 389, insbes. S. 396 (Braunschweig, St.-Magnus-Kirche), 394 (Mühlhausen, St.-Blasius-Kirche).
  7. Vgl. Schulze 1958, S. 29 (Goslar, Neuwerkskirche, 1314, Maria); 224 (Ranis, Saale-Orla-Kreis, 1429, Maria); 289 (Rostock, St.-Nikolaus-Kirche, 1394, hl. Nikolaus); 407 (Bernsdorf, Stadt München, 1492, hl. Mauritius); 417 (Nordhausen, St.-Blasius-Kirche, 1488, hl. Blasius) etc.
  8. Vgl. DI 7 (Stadt Naumburg) 1960, Nr. 202.
  9. Vgl. zum hl. Donat LCI 6, 1994, Sp. 86f.; Keller 2001, S. 178; zum hl. Magnus LCI 7, 1994, Sp. 471–473, aber auch Schulze 1964, S. 396 (Abb. 11).
  10. Die Weihe der Albersrodaer Kirche auf den Namen des hl. Magnus scheint durch eine Kirchenrechnung von 1576 gesichert, vgl. Naumann 1881, S. 35.
  11. Vgl. DI 39 (Lkr. Jena) 1995, Nr. 41 Anm. 3; Otte 1884, S. 124; Walter 1913, S. 168–171. An frühen Belegen auf Glocken im mitteldeutschen Raum seien genannt: Hassenhausen (Stadt Bad Kösen, Burgenlandkreis) 1403, vgl. DI 9 (Lkr. Naumburg) 1965, Nr. 372; Nordhausen, St. Blasius, 1426, vgl. Kdm. (Nordhausen) 1888, S. 149; Gröbzig (Lkr. Köthen) 1448, vgl. Schubart 1896, S. 259. S. a. Nr. 84 Anm. 6.
  12. Vgl. Lexer 1986, S. 78; RMA 1999, S. 101. Zum Heiligen Jahr vgl. TRE 17, 1988, S. 280ff. (Lit.).
  13. Vgl. LThK 4, 1995, Sp. 1325.
  14. Vgl. Krottenschmidt 1891, S. 58; s. a. Brauns Naumb. Annal. 1927, S. 118. Zur Liturgie der Ablaßverkündigung siehe Volz 1966, S. 114–125.

Nachweise

  1. Naumann 1881, S. 43.
  2. Kdm. (Querfurt) 1909, S. 34.

Zitierhinweis:
DI 64, Querfurt, Nr. 56† (Ilas Bartusch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di064l002k0005602.