Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 85 St. Lambertus, Schatzkammer 1590

Beschreibung

Armreliquiar für eine Reliquie des Apostels Thomas. Silber, getrieben, graviert. Auf einem runden, flachgestuften Fuß,1) auf den umlaufend in Konturschrift zwischen doppelter, mit Schraffur gefüllter Lineatur die Reliquienbezeichnung mit Stiftungsdatum (A) graviert ist, erhebt sich ein sich nach oben leicht verjüngender, faltenloser Ärmel, aus dem oben eine rechte Hand im Segensgestus hervorschaut. Der oben und unten mit einem mit runden Löchern durchbrochenen Fries und Blattranken verzierte Ärmel weist drei offene Maßwerkfenster auf, die die Sicht auf den Glaszylinder mit der Reliquie freigeben und sich mit gravierten Maßwerkarkaden abwechseln. In diesen Arkaden ebenfalls gravierte, bildliche Darstellungen: jeweils auf einem gemauerten Sockel, dessen oberen Abschluss die zwischen doppelte Linien gravierten Bildbeischriften bilden, der sich auf einen Stock stützende Apostel Thomas mit Winkeleisen und der Namensbeischrift (B), der auferstandene, seine Wundmale zeigende Christus mit Bibelzitat (C) und ein weiteres Mal der Apostel Thomas, der die Wundmale erblickt, ebenfalls mit Bibelzitat (D).

Maße: H. 40 cm; Dm. 14 cm (Fuß); Bu. 0,5 cm (A), 0,4 cm (B), 0,3 cm (C, D).

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften (Gerda Hellmer) [1/11]

  1. A

    · BRACHIVMa) · S(ANCTI)b) · THOMAEa) · APOSTOLI · A(NNO)c) 1590

  1. B

    S(ANCTVS)b) · THOMAS ·

  2. C

    INFER DIGITVMd) / TVVM HVCe)2)

  3. D

    IOAN(NES)b) 20f) / DOMIN(VS) MEVS / ET DEVSSg) ME(VS)3)

Übersetzung:

Der Arm des heiligen Apostels Thomas. Im Jahr 1590. (A)

Lege deinen Finger hierher. (C)

Johannes 20. Mein Herr und mein Gott. (D)

Kommentar

Inschrift A erscheint einigermaßen sorgfältig ausgeführt. Als Worttrenner dienen wie auch in B kleine Kreise auf der Zeilenmitte. Das Datum ist von der Reliquienbezeichnung durch ein Rankenornament zu Beginn und am Ende abgesetzt. Die Kapitalis weist einige Elemente der frühhumanistischen Kapitalis auf. Während A in der Konturschrift mit einfachem Mittelbalken ausgeführt wurde, zeigt H einen doppelten Mittelbalken, dessen unterer Teil mit einer Ausbuchtung nach unten verziert ist. O ist spitzoval ausgeführt. Der Mittelteil des konischen M reicht bis zur Zeilenmitte. Dass bei B die Bögen getrennt den Schaft berühren, bei R Bogen und Cauda getrennt am Schaft ansetzen und S aus zwei gegenläufigen Bögen besteht, ist möglicherweise durch die Ausführung in Konturschrift bedingt. Die 5 ist als S ausgeführt, allerdings ohne die breiten Bogenenden, sondern am unteren Bogen spitz auslaufend. C und M zeigen Übereinstimmungen mit den Initialen am Fuß des Sebastianusreliquiars (Nr. 84).

Die Inschriften B–D sind deutlich ungelenker und mit abweichenden Buchstabenformen ausgeführt. In C und D werden keine Worttrenner verwendet. In C reicht die Schrift in Zeile 1 über den Rand hinaus, in Zeile 2 ist der letzte Buchstabe offensichtlich korrigiert worden. In D werden Kürzungszeichen verwendet; das falsche DEVSS wurde nicht verbessert. In B–D finden sich A mit einem gebrochenen Mittelbalken; der Mittelteil des M endet z. T. deutlich über der Zeilenmitte. Die Bogenenden bei D und – nicht so ausgeprägt – teilweise die Balkenenden von E und F sowie in Inschrift D das untere Bogenende von S sind nach links verlängert. Bogen- und Schaftenden sind nicht einheitlich ausgeführt, einige wenige sind gespalten. Trotz der Abweichungen in einigen Formen weisen die Inschriften auf dem Fuß und dem Ärmel auch deutliche Gemeinsamkeiten wie z. B. die konische Form bei M, spitzovales O und leicht nach rechts geneigtes S sowie die Worttrenner in A und B auf. Ob die Unterschiede von B–D zu A auf die unterschiedliche Art der Ausführung (A in Konturschrift) oder auf eine andere Hand zurückzuführen sind, kann nicht geklärt werden.

Als Herstellungsregion wird der Niederrhein angegeben.4) Schnitzler5) und Schommers6) führen dieses Reliquiar mit seinem glatten Arm als Beleg für „das zähe Nachleben älterer Typen am Niederrhein“ an.

Die Zitate aus dem Johannesevangelium sind der Schilderung der Begegnung des ungläubigen Thomas mit dem Auferstandenen entnommen und verstärken die Bedeutung der Reliquie, mit der der Herr selbst berührt worden ist.7) Nach Angaben des 17. Jahrhunderts haben Reliquien des hl. Thomas zu jenen gezählt, die Herzog Wilhelm I. 1393 in das Düsseldorfer Stift übertragen ließ.8) Im Stiftsbesitz nachgewiesen sind sie durch die Reliquienverzeichnisse aus den Jahren 1397, 1435, 1510 und 1667,9) in denen stets der Arm des hl. Thomas verzeichnet ist, für den bereits 1397 eine reichgeschmückte Reliquienmonstranz als Vorgängerin des heute erhaltenen Reliquiars beschrieben wird.10)

Textkritischer Apparat

  1. In H der untere Teil des in Konturschrift ausgeführten Mittelbalkens mit einer Ausbuchtung nach unten.
  2. Kürzungszeichen fehlt.
  3. Kürzung durch Doppelpunkt in Form von zwei übereinander stehenden gravierten Kreisen.
  4. M über die senkrechte Umrandungslinie geschrieben. INFERDIGITVM Kat. Frommer Reichtum; INFERDICITVM Kampmann.
  5. C korrigiert, wohl aus S.
  6. Spitze 2. IOAN(NES) 20] IOANZO Kat. Frommer Reichtum, Kampmann.
  7. Sic! DEVS Kat. Frommer Reichtum, Schommers.

Anmerkungen

  1. Unter dem Fuß neuzeitliche Inventarnummern: a) Gravierte VII, die aus einer Inventarisierung des Jahres 1909 stammt, bei der der Goldschmied Beumers sowohl die Reliquien selbst als auch die Reliquiare mit römischen Zahlen versah. Vgl. dazu das entsprechende Protokoll vom 10. November 1909 in PfA St. Lambertus Düsseldorf-Altstadt, Akten 479 (ohne Paginierung); in der Liste der Reliquiare ist das Armreliquiar als Nummer VII angegeben. b) Aufgemalt VII. c) Auf einem aufgeklebten Zettel in Schwarz 30/37.
  2. Vgl. Io 20,27: „deinde dicit Thomae infer digitum tuum huc et vide manus meas et adfer manum tuam et mitte in latus meum et noli esse incredulus sed fidelis“.
  3. Vgl. Io 20,28: „Respondit Thomas et dixit ei Dominus meus et Deus meus“.
  4. Kat. Frommer Reichtum, S. 267f., Nr. 37 (S[onja] Schü[rmann]); Richartz, Kirchenschatz (1989), Inv.-Nr. 7,9; Kampmann, Kunstdenkmälerverzeichnis St. Lambertus, S. 54.
  5. Schnitzler, Kirchenschatz, S. 183; das folgende Zitat ebd. Als weiteren Beleg führt er das Sebastiansreliquiar an (Nr. 84).
  6. Schommers, Reliquiare, S. 144 Anm. 396, das folgende Zitat ebd.
  7. Vgl. auch ebd.
  8. PfA St. Lambertus Düsseldorf-Altstadt, Akten 747, fol. 11r; vgl. auch LAV NRW R, Hss. N I 6 Nr. V 1b, fol. 8r. Zu den Reliquienschenkungen des Herzogs vgl. auch Brzosa, Geschichte, S. 502–504.
  9. LAV NRW R, Stift Düsseldorf, Rep. u. Hss. 4, fol. 5r (1397); ebd., fol. 136r (1437); PfA St. Lambertus Düsseldorf-Altstadt, Hss. 13, foll. 10v u. LXIr seq. (1510) sowie 123v (Abschrift des Textes von 1397); ebd., Akten 477, p. 11 (1667; weitere Verzeichnisse aus dem 17. Jh. ebd.).
  10. Zu der älteren Monstranz LAV NRW R, Stift Düsseldorf, Rep. u. Hss. 4, fol. 5r.

Nachweise

  1. Clemen, KDM Düsseldorf, S. 47, Nr. 9 (nur A).
  2. Kat. Frommer Reichtum, Nr. 37, S. 267f. (S[onja] Schü[rmann]).
  3. Schommers, Reliquiare, S. 144 Anm. 396 (C, D).
  4. Kampmann, Kunstdenkmälerverzeichnis St. Lambertus, S. 54.

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 85 (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0008501.