Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 43 Museumslandschaft Hessen Kassel, Sammlung Angewandte Kunst 15. Jh.

Beschreibung

Pilgerzeichen. Gitterguss, Blei-Zinn; mehrfach gebrochen mit kleinen Ausbrüchen.1) Die Fundumstände sind nicht bekannt. In einem querrechteckigen Rahmen sind unter Maßwerk in drei voneinander getrennten Nischen drei Figuren eingestellt; in der mittleren, breiter und höher ausgeführten Nische die Gottesmutter, stehend mit dem Kind auf dem linken Arm, in den äußeren Nischen zu ihrer Rechten ein männlicher Heiliger mit einer Keule in seiner rechten und einem Buch in seiner linken Hand und zu ihrer Linken ein hl. Bischof mit einem erhobenen Schwert in der rechten und dem Krummstab in der linken Hand. Über dem Rahmen ein dreigliedriger Architekturaufsatz, links und rechts gestaltet als Fenster mit Schindeldach darüber, mittig etwas höher ebenfalls unter einem Schindeldach eine heute leere Nische. Im Rahmen, beginnend im rechten oberen Drittel, umlaufend die erhaben gegossene Inschrift, die den Träger als Düsseldorfer Pilgerzeichen ausweist. Sie endet im linken oberen Drittel, so dass Beginn und Ende durch das Maßwerk der mittleren Nische getrennt werden.

Maße: H. 7,4 cm; B. 5,9 cm; Bu, 0,34 cm. 2)

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Museumslandschaft Hessen Kassel, Slg. Angewandte Kunst (Ute Brunzel) [1/1]

  1. + dit / · is · dit · seiken · / van · dvseldorpea) · / dar · vnseb) vrove · / genedicc)

Kommentar

Den Beginn der Inschrift markiert ein Kreuz, die Worttrenner sind als Rosetten gestaltet. Die umgebrochenen Schaft- und Bogenenden sind zu Quadrangeln verdichtet. Bei t ist rechts am Balken ein Zierstrich angesetzt; ebenso finden sich Zierstriche bei r unten an der als Quadrangel gestalteten Fahne angesetzt und bei g rechts am Schaft. Bei k ist der untere Schrägschaft als gebrochener Bogen, der obere Schrägschaft als Quadrangel ausgeführt. Bei dem doppelstöckigen a ist der linke Teil des gebrochenen oberen Bogens rund nach rechts gebogen. Bei e ist der Balken zu einem Schrägstrich reduziert. Die Ober- und Unterlängen reichen nicht über das Mittelband hinaus.

Die dreigliedrige Fensterarchitektur weist Ähnlichkeit mit der Darstellung der Lambertuskirche auf dem ältesten Siegel der Stadt Düsseldorf3) auf. Die beiden Heiligen auf diesem einzig bislang bekannten und erhaltenen Düsseldorfer Pilgerzeichen hat Köster als den Düsseldorfer Stadtpatron Apollinaris (mit Keule)4) und Lambertus (Bischof)5) identifiziert; in der Pilgerzeichendatenbank wird als alternative Möglichkeit der Identifizierung des Heiligen mit Keule der hl. Willeicus aufgeführt.6) Die Mariendarstellung verweist auf die Lambertuskirche, die im Jahr 1394 zu Ehren der Gottesmutter sowie der hll. Thomas, Lambertus, Apollinaris, Severinus und Anno neu geweiht wurde und danach in den Quellen nur mit dem Marienpatrozinium genannt wird.7)

Herzog Wilhelm I. von Berg (um 1348 – 1408) und seine Frau, die einen ersten Versuch unternahmen, Düsseldorf zur Residenz auszubauen, haben neben der Neudotation des Düsseldorfer Stiftes und weiteren Stiftungen auch für „die Steigerung der sakralen Dignität“8) der neuen Residenz Sorge getragen, indem sie die Reliquien zahlreicher Heiliger nach Düsseldorf holten. Dazu zählen unter anderem die Translationen der Reliquien des hl. Apollinaris und des hl. Willeicus sowie Schenkungen Papst Bonifaz IX. Außerdem ist eine Reihe von Ablassbriefen Bonifaz IX. für die Düsseldorfer Stiftskirche überliefert.9) Über eine Wallfahrt nach Düsseldorf mit einem weit über das Düsseldorfer Umland hinausreichenden Einzugsbereich und eine „ostensio reliquiarum“ wird erstmals im Jahr 1394 berichtet.10) Jüngere Berichte liegen aus dem Jahr 1511 und aus dem 17. Jahrhundert vor, während für das 15. Jahrhundert lediglich das Pilgerzeichen Zeugnis über Wallfahrer in Düsseldorf ablegt.11)

Textkritischer Apparat

  1. Sic! dusseldorpe Kat. Wallfahrten am Niederrhein.
  2. Kein Worttrenner zu erkennen.
  3. c kleiner und aus Platzmangel leicht hochgestellt.

Anmerkungen

  1. Heute Museumslandschaft Hessen Kassel, Sammlung Angewandte Kunst, Inv.-Nr. KP NT 80.
  2. Die Maße nach freundlicher Mitteilung durch Frau Dr. Antje Scherner, Museumslandschaft Hessen Kassel, Sammlung Angewandte Kunst, vom 08.11.2012.
  3. Vgl. dazu Korn, Siegel, S. 13f. (mit Abb. 1).
  4. Vgl. A[nneliese] Seeliger-Zeiss, Art. Apollinaris von Ravenna, in: LCI 5, Sp. 229–231; ebd., Sp. 230 auch zu der allerdings ungebräuchlichen Darstellung mit Keule.
  5. Vgl. G[eorges] Kiesel, Art. Lambert (Lambrecht, Lampert) von Maastricht, in: LCI 7, Sp. 363–370.
  6. Vgl. zu seiner Darstellung als Kanoniker oder Abt ders., Art. Willaik (Willeicus) von Kaiserswerth, in: LCI 8, Sp. 614. Nach Kat. Wallfahrten am Niederrhein, S. 47, Nr. 271, handelt es sich bei den beiden Heiligen um Apollinaris und Willeicus.
  7. Brzosa, Geschichte, S. 93f.; Schleidgen, Düsseldorf – St. Lambertus/St. Marien, S. 60.
  8. Kühne, Ostensio, S. 382.
  9. Vgl. dazu die zusammenfassenden Darstellungen ebd., S. 378–389, und bei Brzosa, Geschichte, S. 502–507. S. auch in Kap. 2.1.1 der Einleitung.
  10. Kühne, Ostensio, S. 386f.; Brzosa, Geschichte, S. 506.
  11. Kühne, Ostensio, S. 388f. Die von Köster, Pilgerzeichen, S. 157, Nr. VIII 49, vorgebrachte Frage, ob das Pilgerzeichen statt an die Verehrung der Reliquien der Stiftskirche an die Verehrung des Mariensbildes in der Liebfrauenkapelle erinnere, wird in jüngeren Publikationen nicht mehr diskutiert. Die Frage, ob Düsseldorf tatsächlich zu den rheinischen Wallfahrtsorten zählte, die im Rahmen der Aachener Heiltumsfahrt besucht wurden (vgl. z. B. Kühne, Ostensio, S. 389), oder nicht (so Brzosa, Geschichte, S. 506f.), kann an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden.

Nachweise

  1. Köster, Pilgerzeichen, S. 157, Nr. VIII 49.
  2. Kat. Wallfahrten am Niederrhein, S. 47, Nr. 271 (mit Abb. auf dem Einband).
  3. Kühne, Ostensio, S. 388 Anm. 41.
  4. Brzosa, Geschichte, S. 506, Anm. 51.
  5. http://www.pilgerzeichen.de/item/pz/498 (Zugriff: 14.05.2012).

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 43 (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0004307.