Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 214(†) St. Andreas, Mausoleum 1653

Beschreibung

Zinnsarg für den am 20. März 1653 verstorbenen Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm, im Mausoleum in der zweiten Nische auf der rechten Seite auf dem Boden stehend. Der zum Fußende hin schmaler und niedriger werdende Sarg ist an den Kanten mit einem aufgesetzten, mehrteiligen, welligen Band verziert, mit dem auch die Längsseiten und alle Flächen des dachförmigen Deckels in jeweils drei Felder unterteilt werden. Auf die horizontale Deckelfläche ist über die drei Felder vom Kopfende bis zum Fußende die zweizeilige Grabbezeugung mit Fürbitte (A) graviert. Der Text ist als Chronodistichon mit der Angabe des Todesjahres ausgeführt. An den Seitenflächen sowie den Kopf- und Fußteilen sind Tragegriffe aus Eisen angebracht; 1934/35 wurden die ursprünglichen Schlossbänder und Spangen bei Restaurierungen durch kurze, aufgeschraubte Spangen aus Bronze ersetzt und der Sarg auf acht als Löwenpranken gestaltete Füße gesetzt.1) 2007/2008 wurden die Zinnsärge des Mausoleums, die im Zuge dieser Maßnahmen nicht geöffnet wurden, restauriert. Dabei wurden die Oberflächen der Särge so gereinigt und bearbeitet, dass die auf den Deckeln befindlichen, „nur bei starkem Streiflicht“ erkennbaren Inschriften heute wieder mit bloßem Auge und bei Tageslicht zu erkennen sind.2)

Auf dem mit Samt bezogenen, hölzernen Innensarg befand sich zumindest noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein silbernes Kreuz, auf dem nach Bayerle das „herzogliche Wappen“ sowie seine Devise (B) und ein Grabgedicht (C) angebracht waren.3) Nach Strauven befanden sich B und C jedoch auf dem Sarg.4) Da der Innensarg vor 1770 ausgetauscht wurde, ist die Ausführung von B und C im Jahre 1653 unsicher.5)

B und C nach Bayerle.

Maße: H. Kopfseite 82,5 cm (mit Füßen), 73 cm (ohne Füße), Fußseite 70/60 cm; L. 223 cm; Bu. 5,3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis (A).

LVR - Amt für Denkmalpflege im Rheinland (Viola Blumrich) [1/2]

  1. A

    SISTITE:a) WOLFGANGI // WILHELMI HAEC PRINCIPIS // AVLA ESTb) //HEI PATRIS // HIC PATRIAE // SVAVITER OSSA CVBENT

  1. B†

    In coelo mea consolatio aeterna erit6)

  2. C†

    Wolfgangi latitent Wilhelmi principis artusNobile virtutis claret in corbec) jubar

Übersetzung:

Verweilet! Dies ist des Fürsten Wolfgang Wilhelms Ruhestätte. Ach, mögen hier die Gebeine des Vaters des Vaterlandes sanft ruhen! (A)

Im Himmel wird mein Trost ewig währen. (B)

Mögen (auch) die Gebeine des Fürsten Wolfgang Wilhelm (hier) verborgen liegen, der edle Glanz seiner Tugend leuchtet hell im Erdkreis. (C)

Versmaß: Elegische Distichen (A und C, A als Chronodistichon).

Datum: 1653 (A).

Wappen:
Pfalz-Neuburg (?)

Kommentar

Inschrift A ist in Konturschrift mit Gitterschraffur ausgeführt. Nach dem Text der ersten Zeile ist ein in einfacher Linie ausgeführtes Element mit Verschleifungen graviert worden, dessen Bedeutung nicht geklärt ist. Es erinnert allerdings an Signaturen von Goldschmieden, so wie sie z. B. der Goldschmied Heinrich Ernst 1656 auf einem Relief mit der Himmelfahrt Mariens in St. Lambertus angebracht hat.7) Vielleicht diente es auch nur zum Ausfüllen der Zeile. Die Buchstaben des Chronogramms werden durch ihre Größe (um etwas mehr als 3 cm größer) hervorgehoben.

In B wird die Devise Wolfgang Wilhelms aufgegriffen. Falls es sich nicht um einen Lesefehler handelt, wird an Stelle des ansonsten belegten deo8) hier coelo verwendet und die Devise um aeterna erit erweitert. Dieser Zusatz findet sich auch auf zwei Vierteltalern zum Tod des Pfalzgrafen, allerdings der Devise vorangestellt, so dass der Text „Aeterna erit in deo mea consolatio“ lautet.9)

Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm, verstorben am 20. März 1653 im Düsseldorfer Schloss, wurde – wohl am 8. April – in aller Stille in die Jesuitenkirche überführt. Das feierliche Leichenbegängnis, für das umfangreiche Anweisungen gegeben worden waren, hat erst am 13. Mai stattgefunden; die endgültige Beisetzung erfolgte am darauffolgenden Tag.10) Der Pfalzgraf wurde in herzoglicher Kleidung und ein Kreuz in der Hand haltend bestattet.11) 1770 wird in einer Abhandlung über eine medizinische Vorlesung berichtet, dass der Sarg mehrfach zu Schauzwecken geöffnet worden sei.12) Dabei wird auch der nahezu unverweste Zustand des Leichnams hervorgehoben, der nach der Beschreibung Bayerles auch 1844 „noch ziemlich wohl erhalten“13) war. Der mit Samt überzogene Innensarg, den 1844 Bayerle und 1879 Strauven erwähnen, ist nach den Angaben von 1770 nicht der ursprüngliche, denn da „die todenlade vermodert“, habe man den Toten in einen neuen Sarg gelegt.14) Die Angaben in der Vorlesung beruhten jedoch nicht auf eigener Anschauung, sondern einem Bericht des damaligen Vizekanzlers von Robertz. Die Ausführung der lediglich bei Bayerle und Strauven überlieferten Inschriften B und C ist mithin für das Jahr 1653 nicht gesichert. Möglich ist jedoch auch eine Übernahme älterer Inschriften auf den neuen Sarg oder, wenn sie sich, wie Bayerle angibt, auf dem silbernen Kreuz befunden haben, die Übernahme des Kreuzes.

Während Wolfgang Wilhelm sich in jungen Jahren zunächst durchaus in der Tradition seiner Vorfahren in Lauingen bestatten lassen wollte, hatte er 1616 in einem Testament auf die ausdrückliche Bitte seiner ersten Gemahlin Magdalena hin seine Zustimmung gegeben, ihn ebenso wie sie in der Neuburger Kirche beizusetzen.15) 1642 schließlich hatte er testamentarisch verfügt, in der Andreaskirche ein Epitaph anfertigen und in einer gewölbten Chorverlängerung aufstellen zu lassen, in der auch sein Sarg seinen Platz finden sollte.16) Die dazu erforderlichen Arbeiten wurden jedoch nicht durchgeführt, die Bestattung des Pfalzgrafen erfolgte letztlich in einer Gruft unter dem Chor von St. Andreas, nicht in dem erst nach dem Tod Johann Wilhelms errichteten Mausoleum.17)

Sein Herz wird in der Fürstengruft der Neuburger Hofkirche aufbewahrt. Es steht dort in einer Kapsel auf einem Sockel vor dem Sarkophag seiner Gemahlin Magdalena.18) Seine Eingeweide sollen noch an seinem Todestag in der Lambertuskirche „vor dem Hochaltar an der Epistelseite“19) beigesetzt worden sein.

Textkritischer Apparat

  1. Hinter dem oberen und dem unteren Balken des E jeweils ein Quadrangel.
  2. Es folgt eine mehrfache Verschleifung als Zeilenfüller. S. dazu unten im Kommentar.
  3. Sic bei Beyerle! orbe Strauven, wohl korrekt.

Anmerkungen

  1. Zu den Beschlägen und Spangen sowie den Füßen Conrad u. a., Särge, S. 23; zu den 1934/35 durchgeführten Maßnahmen LAV NRW R, Reg. Düsseldorf, Nr. BR 1013/178.
  2. Zu den durchgeführten Maßnahmen Conrad u. a., Särge, S. 22–24, das Zitat S. 23; vgl. zu im Mausoleum duchgeführten Instandsetzungsmaßnahmen ausführlicher den Kommentar zu Nr. 208.
  3. Bayerle, Kirchen, S. 146 zum Jahr 1844.
  4. Strauven, Mausoleen, S. 29f.
  5. S. dazu unten im Kommentar.
  6. Eine Abwandlung und Erweiterung der Devise des Herzogs. S. dazu Kommentar.
  7. Vgl. Kat. Rheinische Goldschmiedekunst, S. 171, Nr. 157; Scheffler, Goldschmiede 1, S. 155.
  8. Vgl. dazu Nrn. 147 und 210.
  9. Kat. Erster Pfalzgraf, S. 127, Nr. 125.
  10. Vgl. dazu Strauven, Mausoleen, S. 24–30, dort ausführliche Angaben z. B. über die in mehreren Kirchen gehaltenen Messen, das in St. Andreas errichtete Castrum doloris und die Reihenfolge des Leichenzuges. Die Quelle für diese Angaben ist verloren. Dazu Vollmer, Beiträge, S. 36.
  11. Brosius/Mappius, Annales Juliae, Bd. 3, S. 161; vgl. Bayerle, Kirchen, S. 146.
  12. Acta Academiae Theodoro-Palatinae, T. II, S. 315.
  13. Bayerle, Kirchen, S. 146; vgl. auch entsprechend Mindel, Wegweiser, S. 59 für das Jahr 1817, der den Leichnam allerdings als mit einem Mönchsgewand bekleidet beschreibt, und Strauven, Mausoleen, S. 29 zu 1879.
  14. Acta Academiae Theodoro-Palatinae, T. II, S. 315.
  15. Henker, Begräbnis, S. 57f.
  16. LAV NRW R, Jülich-Berg II, Nr. 4354; zu Punkt 10. Vgl. auch die Wiedergabe dieses Punktes bei Vollmer, Beiträge, S. 35.
  17. Vgl. zu den 2008 veröffentlichten Erkenntnissen von Wolf über die Errichtung des Mausoleums ausführlich oben unter Nr. 208.
  18. Vgl. Johannes Esser/Carl Schefers, Die Inschriften in der Fürstengruft unter der Neuburger Hofkirche, in: Neuburger Kollektaneenblatt 146/147 (1998), S. 271–296, hier S. 279, 280 (Abb.) und S. 293 (Wiedergabe der auf der Herzkapsel befindlichen Inschriften). Vgl. allgemein zu Herzbestattungen Michel, Herzbestattungen. Für den Fall, dass er näher an Neuburg verstürbe, hatte Wolfgang Wilhelm zudem in seinem Testament angeordnet, bei seiner ersten Gemahlin bestattet zu werden. Dazu LAV NRW R, Jülich-Berg II, Nr. 4354, zu Punkt 11.
  19. Strauven, Mausoleen, S. 24.

Nachweise

  1. Bayerle, Kirchen, S. 146.
  2. HAStK, Best. 7030, Nr. 184 (Büllingen), fol. 221r (nur A).
  3. Strauven, Mausoleen, S. 30.
  4. Kauhausen, Geschichte, S. 102 (nur Übersetzung).
  5. Maes, Chronogramme, S. 4 (nur A).

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 214(†) (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0021406.