Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 202 St. Andreas, Schatzkammer 1650

Beschreibung

Brustschild (?)1). Silber, teilvergoldet; getrieben, gegossen, graviert, punziert; rot-violette Steine; Email, an den Nägeln blaue Farbe. Auf einer flachen Platte ist ein Flachrelief angebracht, das links und rechts je einen auf einem Gesims stehenden Engel zeigt. Die Engel halten eine flachgewölbte, ovale Kartusche, in deren Mitte auf einem mit Rankenornamenten punzierten Untergrund aus rot-violetten Steinen ein Jesusmonogramm mit Kreuz und drei Nägeln (A) aufgelegt ist. Oberhalb des Monogramms der hl. Geist in Gestalt einer Taube. Links oben beginnend verläuft um den Rand die auf Silber gravierte, punzierte und vergoldete Titulatur (B). Im Unterhang zwischen zwei geflügelten Engelsköpfen das Wappen von Pfalz-Neuburg in Email, das in den Rahmen der Kartusche hineinragt und den Titel unterbricht. Um das Wappen ein getriebener Rahmen, der die Kollane des Ordens vom Goldenen Vlies darstellt.2) Auf den Gesimsen die durch das Wappen unterbrochene gravierte Jahreszahl (C), als Bekrönung oberhalb der Kartusche Gottvater. Unterhalb des Wappens befindet sich eine Öse, in der vielleicht der fehlende Anhänger der Ordenskette befestigt war;3) auf der Rückseite der Platte ein abgebrochener Haken sowie ein Düsseldorfer Beschauzeichen4) und das Meisterzeichen des Meisters mit Doppellilie, Heinrich Ernst.5)

Maße: H. 21,5 cm; B. 18 cm; Bu. 3 cm (A), 0,6 cm (B), 0,15 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften (Gerda Hellmer) [1/3]

  1. A

    IHSa)6)

  2. B

    · S(ERENISSIMVS) · P(RINCEPS) · W(OLFGANGVS) // W(ILHELMVS) · C(OMES) · P(ALATINVS) · R(HENI) · B(AVARIAE) · I(VLIAE) · C(LIVIAE) · M(ONTIVM) · D(VX) · C(OMES) · // V(ELDENTIAE) · S(PONHEMII) · M(ARCAE) · R(AVENSBERGAE) · M(OERSIAE) · D(OMINVS) · I(N) · R(AVENSTEIN)

  3. C

    16//50b)

Übersetzung:

Der durchlauchtigste Fürst Wolfgang Wilhelm, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog von Bayern, Jülich, Kleve, Berg, Graf von Veldenz, Sponheim, der Mark, Ravensberg, Moers, Herr in Ravenstein. (B)

Wappen:
Pfalz-Neuburg

Kommentar

Bei B erfolgt die Worttrennung durch Quadrangel in der Zeilenmitte; den Beginn der Inschrift markiert ein achtstrahliger Stern. Die Buchstaben weisen eine deutliche Linksschrägenverstärkung und Bogenschwellungen auf. Sie sind teilweise konturiert ausgeführt, die Zwischenräume punziert. Der Mittelteil bei M reicht bis zur Zeilenmitte oder etwas darunter, W ist verschränkt. Die Sporen sind deutlich ausgeprägt.

Zu dem Meister mit Doppellilie, den I. Büchner als Heinrich Ernst identifizieren konnte7) und der 1644 für die Pfalzgräfin Catharina Charlotte eine Abendmahlkanne anfertigte, deren Inschrift in der Gestaltung deutliche Parallelen zu der Inschrift auf dem Schild aufweist, vgl. oben Nr. 192.

Die Funktion des Schildes ist nicht eindeutig geklärt. Zumeist als „Brustschild“8) oder „Brustschild (Ansteckschließe)“9) genannt, bezeichnet Schulte ihn als „vielleicht Chormantelschließe des Hofkaplans“10). Aufgrund der Ähnlichkeit des Schildes mit Epitaphen11) wurde verschiedentlich vermutet, dass es sich nicht um eine Chormantelschließe, sondern um ein „Tumbaschild“ gehandelt habe.12) Dem stehen jedoch die Entstehung drei Jahre vor dem Tod des Pfalzgrafen sowie der Wortlaut der Inschrift, der keinen Sterbevermerk enthält, entgegen.13)

Auf welche Weise dieser Träger in den Besitz der Andreaskirche gelangt ist oder ob er von Beginn an für diese bestimmt war, ist nicht ganz gesichert. Zacher weist allerdings darauf hin, dass er „vielleicht“ anlässlich der Feierlichkeiten zum Heiligen Jahr 1650 gestiftet wurde,14) zumal der Pfalzgraf von 1641 bis zu seinem Tod 1653 Präfekt der ältesten marianischen Bruderschaft an St. Andreas war.15) Der Schild belegt die besondere Verbundenheit Wolfgang Wilhelms mit der Jesuitenkirche, deren Bau der Initiative des Herzogs zu verdanken ist und die dieser als neue Grablege für seine Familie bestimmt hat.16)

Ein dem vorliegenden in der Ausführung sehr ähnliches Emailwappen des Pfalzgrafen Philipp Wilhelm befindet sich am Apollinarisschrein in St. Lambertus, der 1665 ebenfalls von Heinrich Ernst angefertigt wurde.17) Die große Verwandtschaft beider Wappen legt nahe, dass das Wappen nicht wie andere Bestandteile des Schreinschmuckes erst im 18. Jahrhundert hinzugefügt wurde.18) Der Titel des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm mit allen darin vertretenen Ansprüchen findet sich ebenso auf seinen Medaillen und Neujahrsstücken, dort häufig auch mit dem von der Ordenskette umgebenen und mit dem Kurhut versehenen Wappen auf der Rückseite, sowie einigen von ihm gestifteten Inschriftenträgern.19)

Textkritischer Apparat

  1. Kreuz über dem Balken des H; unter dem IHS Herz mit drei Nägeln.
  2. Ziffer 5 liegend.

Anmerkungen

  1. Der Verwendungszweck ist nicht eindeutig geklärt. S. dazu im Kommentar.
  2. Zum Wappen des Pfalzgrafen s. Kap. 2.1.4 der Einleitung.
  3. Vgl. dazu Schürmann, in: Kat. St. Andreas, S. 182.
  4. Scheffler, Goldschmiede I, S. 150, Nr. 271; Clasen, Silbermarken, S. 134, Nr. 442.
  5. Scheffler, Goldschmiede I, S. 187 unter Nr. 165b; Clasen, Silbermarken, S. 156, Nr. 602b.
  6. Zu den unterschiedlichen Möglichkeiten, dieses Monogramm aufzulösen, s. Kap. 1 der Einleitung.
  7. Zur Identifizierung des Meisters mit Doppellilie als Heinrich Ernst vgl. Kat. Rheinische Goldschmiedekunst, S. 170f.
  8. So z. B. in Kat. 400 Jahre Gold- und Silberschmiedekunst, S. 12f., Nr. 10 u. in der Bildbeischrift zu Abb. S. 42.
  9. So z. B. in Kat. 475 Jahre Fürstentum Pfalz-Neuburg, S. 155, Nr. 153 ([Horst H.] Sti[erhof]); Kat. Frommer Reichtum, S. 273f., Nr. 54 (S[onja] Schü[rmann]); Kat. St. Andreas, S. 182 [Sonja Schürmann].
  10. Schulte, Schwestern, auf der 5. Umschlagseite. Ebenso Zacher, Kirchenschatz, S. 100: „Er lässt sich als Schließe eines Chormantels vorstellen, der für eine bestimmte Zeremonie geschaffen wurde.“
  11. Kat. Erster Pfalzgraf, S. 128, Nr. 126; Heppe, Goldschmiedekunst, S. 14.
  12. So z. B. Schürmann in: Kat. Frommer Reichtum, Nr. 54, S. 273f., und in: Kat. St. Andreas, S. 182; entsprechend auch Kat. Erster Pfalzgraf, S. 128, Nr. 126.
  13. Vermutlich wurde hier unter dem Begriff „Tumbaschild“ eine Schließe verstanden, die in irgendeiner Form an die Kleidung des Toten oder ein bei der Beisetzung verwendetes Tuch geheftet wurde, sicher nicht ein Schild in der Art der bekannten Totenschilde, die erheblich größer und aus anderem Material waren. Vgl. dazu z. B. die nahezu zeitgleichen Totenschilde in DI 85 (Halle a. d. Saale), Nrn. 458 u. 496; auch die allerdings älteren Totenschilde Herzog Wilhelms II. von Jülich-Berg († 1511) und seiner Gemahlin Sibylla von Brandenburg († 1524) in Altenberg, die bei Hilger, Grabdenkmäler, S. 201 abgebildet sind; dazu auch Kat. Land im Mittelpunkt, S. 355, Nr. C 35 (G[uido] d[e] W[erd]).
  14. Zacher, Kirchenschatz, S. 100, das Zitat ebd.
  15. Vgl. zu den jesuitischen Bruderschaften in Düsseldorf, Brzosa, Geschichte, S. 447–468; zur ältesten dieser Bruderschaften und der Zugehörigkeit Wolfgang Wilhelms ebd., S. 449f.
  16. S. dazu Kap. 2.1.3 der Einleitung.
  17. Heppe, Goldschmiedekunst, S. 183, Nr. 12/13; Richartz, Kirchenschatz (1989), o. S., ders., Kirchenschatz (1990), S. 144f.
  18. So Schnitzler, Kirchenschatz, S. 202.
  19. Vgl. dazu Kap. 2.1.1 der Einleitung; zu den Medaillen Stemper, Medaillen, Bd. 2, S. 765–800.

Nachweise

  1. Kat. Ausstellung 1888, S. 76 f., Nr. 823 (mit an falscher Stelle beginnender Lesung von B und falscher Jahreszahl 1610 bei C).
  2. Clemen, KDM Düsseldorf, S. 31, Nr. 14 (mit an falscher Stelle beginnender Lesung von B und falscher Jahreszahl 1610 bei C).
  3. Scheffler, Goldschmiede I, S. 187, Nr. 271b (mit an falscher Stelle beginnender Lesung von B).
  4. Kat. Rheinische Goldschmiedekunst, S. 171, Nr. 156 [Carl-Wilhelm Clasen].
  5. Kat. 400 Jahre Gold- und Silberschmiedekunst, S. 12f., Nr. 10.
  6. Kat. Frommer Reichtum, S. 273f., Nr. 54 (S[onja] Schü[rmann]).
  7. Kat. 475 Jahre Fürstentum Pfalz-Neuburg, S. 155, Nr. 153 ([Horst H.] Sti[erhof]).
  8. Kat. Düsseldorfer Goldschmiedekunst, S. 139, Nr. 12.
  9. Schulte, Schwestern, auf der Innenklappe des Umschlags.
  10. Heppe, Goldschmiedekunst, S. 181f., Nr. 12/2 (B, A erwähnt).
  11. Kat. St. Andreas, S. 182 [Sonja Schürmann].

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 202 (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0020203.