Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 191† St. Lambertus 1644

Beschreibung

Glocke der Gießer Franz und Peter Hemony. Bronze, Gewicht 6800 Pfund.1) Die sogenannte Sturmglocke, die mit einer Fürbitte mit Reliquienangabe sowie der Meisterinschrift und dem Datum versehen war, wurde 1893 umgegossen.2) Als Glockenzier werden „zwischen den Inschriften“ angebrachte Abbildungen (Reliefs?) der hll. Apollinaris, Pancratius und Willeicus genannt.3)

Nach PfA St. Lambertus Düsseldorf-Altstadt, Akten 471.

  1. Sanctissimaa) et individua trinitas sanctorum Apollinaris Pancratiib) et Willeicic) precibus quorum sancta corpora in hac ecclesia reposita sunt pestem famem bellum cunctaque pericula ab hac civitate clementer avertat Franciscus et Petrus Hemonij me fec(erunt) anno 1644

Übersetzung:

Die allerheiligste und unteilbare Dreifaltigkeit möge auf die Fürbitten der heiligen Apollinaris, Pankratius und Willeicus, deren heilige Leichname in dieser Kirche aufbewahrt werden, Pest, Hunger, Krieg und sämtliche Gefahren von dieser Stadt gnädig abwenden. Franz und Peter Hemony haben mich gemacht im Jahr 1644.

Kommentar

Die in der Lambertuskirche aufbewahrten Reliquien der hll. Apollinaris, Pankratius und Willeicus zählen zu den zahlreichen Reliquien, die Herzog Wilhelm I. im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts für die Stiftskirche erworben hat.4) Bereits 1383 waren die Gebeine des Düsseldorfer Stadtpatrons, des hl. Apollinaris5), die der Herzog im Verlauf einer Fehde mit dem Abt von Siegburg bei der Eroberung Remagens erbeutet hatte, nach Düsseldorf gebracht worden. Die feierliche Einholung fand am 28. September 1383 statt.6) Dass Apollinaris, dessen Fest am 23. Juli begangen wird, – nach der Lokalgeschichtsschreibung – auch formal zum Düsseldorfer Stadtpatron erhoben wurde, lässt sich in den Quellen nicht nachweisen.7) Eine erste Prozession mit den Gebeinen des hl. Apollinaris fand bereits 1392 in Düsseldorf statt.8) Der von Herzog Wilhelm geschenkte kostbare Schrein für diese Reliquien wurde von seinem Nachfolger Wilhelm V., dem Reichen, im Krieg um Geldern zur Tilgung seiner Schulden seiner Edelsteine beraubt, ein Ersatz für den geschändeten Schrein erst 1665 durch Pfalzgraf Philipp Wilhelm gestiftet.9)

Die genannten Reliquien des hl. Willeicus10) wurden im August 1393 auf die Bitte des Herzogs hin von Kaiserswerth nach Düsseldorf verbracht, nachdem zuvor am 10. Juli 1393 der Kölner Erzbischof dem Kaiserswerther Kapitel seine Zustimmung zur Öffnung des Reliquienkastens und zur Entnahme und Überführung einiger Gebeine des Heiligen erteilt hatte.11) Der heute in St. Lambertus vorhandene Schrein des hl. Willeicus wurde im 18. Jahrhundert angefertigt.12)

Wie und wann die Reliquien des hl. Pankratius13) nach Düsseldorf gekommen sind, ist nicht belegt. Allgemein wird angenommen, dass sie zu den Reliquien zählten, die der Herzog durch Papst Bonifaz IX. erhalten hatte.14) Der Pankratiusschrein in St. Lambertus stammt vom Ende des 15. Jahrhunderts.15)

Ebenso wie die 1643 gegossene, dem hl. Lambertus geweihte Glocke (Nr. 186) ist die Sturmglocke, wohl auch aufgrund ihrer Bedeutung für die Geschicke der Stadt, auf Kosten derselben angefertigt worden. Allerdings hat man den Landesherrn und weitere Persönlichkeiten um Unterstützung gebeten, weil die städtischen Mittel durch den Guss der beiden Glocken von 1643 (Nr. 186) erschöpft waren. In dem dazu angefertigten Schreiben werden auch die Anrufung Gottes, die drei namentlich genannten Heiligen und die Tatsache, dass ihre Gebeine in der Kirche ruhen, aufgeführt, sowie die Verwendung als Sturmglocke genauer beschrieben.16)

Zu Franz und Peter Hemony sowie ihrer weiteren Gießertätigkeit für andere Düsseldorfer Kirchen (St. Andreas und Kalkum) vgl. Nrn. 179, 180, 182, 187, 211 und 212.

Textkritischer Apparat

  1. Bayerle gibt am Anfang der Inschrift ein Kreuz wieder.
  2. Pancraty Bayerle.
  3. Willeyci Bayerle.

Anmerkungen

  1. Angaben zu weiteren Maßen sind nicht überliefert. Sie wurde mit sechs Seilen geläutet. Vgl. zu den Angaben PfA St. Lambertus Düsseldorf-Altstadt, Akten 747, fol. 82r; Bayerle, Kirchen, S. 112.
  2. Zum Umguss vgl. PfA St. Lambertus Düsseldorf-Altstadt, Akten 472 mit dem entsprechenden Beschluss des Kirchenvorstandes (fol. 13r), dem Vertrag mit dem Gießer (foll. 14r–15v) und Korrespondenz.
  3. PfA St. Lambertus Düsseldorf-Altstadt, Akten 471, fol. 1r: „Zwischen den Inschriften sind figurirt Apollinaris, Pancratius, Willeicus.“
  4. Dazu ein Überblick bei Brzosa, Geschichte, S. 502–507; Kühne, Ostensio, S. 380–389; ausführlich zu den Reliquien und Düsseldorf als Wallfahrtsort Greb, Wallfahrtsort, S. 42–56.
  5. Zur Vita des Apollinaris und der Tradition, die sich zur Translation seiner Gebeine gebildet hat, vgl. u. a. Bayerle, Kirchen, S. 10–18; Brzosa, Geschichte, S. 507–511 (mit kritischer Wertung dieser Tradition). Zu Apollinaris auch Hans Reinhard Seeliger, Art. Apollinaris, hl., in: LThK 1, Sp. 828f.
  6. Zur Verehrung des hl. Apollinaris in Düsseldorf Brzosa, Geschichte, S. 507–514 mit ausführlichen Quellen- und Literaturangaben; vgl. auch Greb, Hl. Apollinaris, S. 23; ders., Wallfahrtsort, S. 43. Das Haupt des Heiligen verblieb in Remagen, weil es sich zum Zeitpunkt der Einnahme auf Burg Landskron befand.
  7. Eine Erhebung des Heiligen zum Düsseldorfer Stadtpatron ist nach den Untersuchungen Diederichs zu den Stadtpatronen an Rhein und Mosel auch nicht anzunehmen. Dazu Toni Diederich, Stadtpatrone an Rhein und Mosel, in: RhVjbll 58 (1994), S. 25–86, S. 39; vgl. auch Brzosa, Geschichte, S. 511f.
  8. Brzosa, Geschichte, S. 512f.; Greb, Hl. Apollinaris, S. 23.
  9. So Brzosa, Geschichte, S. 513f.; vgl. auch Greb, Geschichte, S. 23; Richartz, Kirchenschatz (1990), S. 144.
  10. Zu Willeicus Tilman Struve, Art. Willeic, in: LThK 10, Sp. 1210; s. auch Nr. 18.
  11. Schleidgen, UB St. Lambertus, Nr, 114.; vgl. Brzosa, Geschichte, S. 566.
  12. Schnitzler, Kirchenschatz, S. 211; Kat. Frommer Reichtum, S. 311, Nr. 157 (S[onja] Schü[rmann]); Richartz, Kirchenschatz (1990), S. 147.
  13. Zu Pankratius Hubertus R. Drobner, Art. Pankratius, in: LThK 7, Sp. 1313.
  14. Greb, Wallfahrtsort, S. 43; vgl. zu der Reliquienschenkung auch Brzosa, Geschichte, S. 502.
  15. Richartz, Kirchenschatz (1990), S. 143.
  16. LAV NRW R, Stift Düsseldorf, Akten 41, fol. 2r–v; die Glocke sollte nicht nur bei Sturm läuten, sondern auch zum Halsgericht, bei Brand, Aufruhr und „dergleichen nöthen“ (ebd.). Vgl. auch Nr. 186 Anm. 8 zu späteren Streitigkeiten zwischen St. Lambertus und der Stadt wegen des Geläuts.

Nachweise

  1. PfA St. Lambertus Düsseldorf-Altstadt, Akten 471, fol. 1r.
  2. Bayerle, Kirchen, S. 112 (nach PfA St. Lambertus, Akten 471?).
  3. Smeddingk, Glockengiesser-Reihe, S. 213 (nach Bayerle).
  4. PfA St. Lambertus Düsseldorf-Altstadt, Akten 747, fol. 82r (entspricht genau dem Wortlaut in Slg. Guntrum, wohl nach Bayerle?).
  5. LAV NRW R, Slg. Guntrum, Abt. II, Nr. 73, ohne Paginierung (nach Bayerle, entspricht genau dem Wortlaut in Akten 747, fol. 82r.).
  6. Clemen, KDM Düsseldorf, S. 50 (nach Bayerle).
  7. PfA St. Lambertus Düsseldorf-Altstadt, Akten 472, ohne Paginierung; mit falscher Jahreszahl 1641 (Juni 1917).
  8. HAEK, Nachlass Schaeben, Nr. 1825 (Glockenverzeichnis, ohne Paginierung).
  9. Aders, Beiträge Glocken, Teil 2, S. 3.

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 191† (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0019101.