Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 185 München, Schatzkammer der Residenz 1643

Beschreibung

Glaspokal mit Fassung. Venezianisches Glas, um 1500; Fassung Silber, vergoldet. Die Kuppa des kelchförmigen Glases auf einem hohen, runden Fuß ist mit spiralförmig gewundenen Rippen verziert; ein braungelber und ein smaragdgrüner Faden verlaufen parallel um den Lippenrand. Unterhalb der Kuppa und am unteren Rand des mit senkrecht verlaufenden Rippen verzierten Fußes silbervergoldete, mit Blattdekor geschmückte Reifen, auf dem Fußrand umlaufend der gravierte Schenkungsvermerk. Die Jahreszahl wurde aus Platzmangel mittig oberhalb des Namens des Schenkenden ausgeführt. Der Pokal ist in dem 1666 erstellten, von Redlich edierten Inventar der Düsseldorfer Silberkammer aufgelistet; er besaß zu dem Zeitpunkt einen bereits damals abgebrochenen Deckel aus vergoldetem Silber, auf dem ein Mann mit Schild und Spieß dargestellt war.1) Mit weiteren Gegenständen aus der Sammlung Kurfürst Johann Wilhelms ist er in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in die Schatzkammer nach München gelangt.2) Da das Glas an mehreren Stellen beschädigt ist, befindet sich der Pokal seit ca. zehn Jahren nicht mehr in der dortigen Ausstellung, sondern wurde reponiert.

Maße: H. 27 cm; Dm. 18,5 cm; Bu. 0,28–0,44 cm.

Schriftart(en): Kapitalis und Antiqua-Minuskel.

  1. SERENISSIMO PRINCIPI WOLFFGANGO WILHELMO IVLIAE, CLIVIAE, MONTIVM DVCI etc. DOMINO SVO CLEMENTISSIMO HVMILLIME PRAESENTABAT IPSA S(ANCTI) WOLFFGANGI Io(ann)es Blanckenberg, Vet(eris) Montis Abb(as) / 1 · 6 · 43 ·

Übersetzung:

Dem durchlauchtigsten Fürsten Wolfgang Wilhelm Herzog von Jülich, Kleve und Berg etc., seinem allergnädigsten Herrn, überreichte demütigst (diesen Pokal) am Tag des heiligen Wolfgang Johannes Blanckenberg, Abt von Altenberg 1643.

Kommentar

Die Inschrift wurde nicht sehr sorgfältig ausgeführt und mit hoher Wahrscheinlichkeit frei aus der Hand graviert. Darauf deuten die Abweichungen bei der Höhe und dem Abstand sowie der Gestaltung der Buchstaben, Ausgleitungen des Stichels bei einigen Buchstaben, der vermutlich hier aus Platzmangel vorgenommene Wechsel der Schrift und die Anbringung der Jahreszahl hin.3) In der Kapitalis fallen das A mit mal gebrochenem, mal waagerechtem Mittelbalken sowie das R auf, dessen weit nach rechts ausgezogene, stachelförmige Cauda zumeist am Schaft ansetzt, bei PRINCIPI jedoch am Bogen. Auch die Gestaltung der Sporen ist nicht einheitlich. Sie variiert z. B. bei N von einem schmalen, rechtwinklig ansetzenden Deckstrich bis hin zu einer starken Verbreiterung am oberen Ende eines schmalen rechten Schafts. Eine Reihe von Anfangsbuchstaben wurde etwas größer ausgeführt. Die Antiqua-Minuskel zeigt eine Nähe zur frühbarocken Antiqua-Minuskel in Urkundenschriften und Aktenreinschriften.4) Auffällig sind die nach rechts umgebogenen, tropfenförmig verdickten oberen Schaftenden bei l, k und b. Als Trenner zwischen den Ziffern der Jahreszahl dienen Punkte auf der Zeilenmitte.

Schwierigkeiten bereitet die Übersetzung des Wortes IPSA. Gelegentlich findet sich der Hinweis, das Glas habe „der Tradition nach“ dem hl. Wolfgang († 994), dem Namenspatron des Pfalzgrafen, persönlich gehört.5) Dementsprechend wurde IPSA S(ANCTI) WOLFFGANGI übersetzt als Neutrum Plural mit einem Genitivattribut im Sinne von das, „was dem Hl. Wolfgang selbst gehörte“6). Es handelt sich jedoch um ein venezianisches Glas aus der Zeit um 1500.7) Aufgrund des erkennbaren Platzmangels bei der Ausführung der Inschrift naheliegender erscheint, dass mit IPSA für „IPSA DIE“ der Festtag des hl. Wolfgang, der 31. Oktober, als Tagesdatum der Schenkung angegeben wurde.

Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm erhielt den Pokal von Johannes Blanckenberg (1605–1662), der im April 1643 zum Abt in Altenberg gewählt worden war. Blanckenberg war am Düsseldorfer Hof hoch angesehen und ist dort verschiedentlich auch bei der Ausübung geistlicher Handlungen nachweisbar.8)

Anmerkungen

  1. Redlich, Schätze, S. 121, Nr. 81.
  2. Kat. Schatzkammer München, S. 24. Aus den Unterlagen der Schatzkammer geht hervor, dass er möglicherweise 1778 im Kunstkammerinventar München genannt wird, doch ist die Identifizierung nicht eindeutig. 1819 ist er im Inv. Gardemeuble der Münchner Residenz, Nr. 10, verzeichnet, außerdem ein Jahr später im Inv. Schatzkammer 1820, IX. Kasten, Lit. J, Nr. 85. Der von Brunner im Kat. Schatzkammer München, S. 55, Nr. 26, angeführte Beleg in einem „Münchener Inventar 1802“ konnte nicht verifiziert werden. Für diese Auskünfte und die Überlassung von Bildmaterial danke ich sehr herzlich Frau Dr. Sabine Heym, Leitende Museumsdirektorin bei der Bayerischen Schlösserverwaltung, Leiterin der Museumsabteilung. Ebenso herzlich danke ich Herrn Klaus Oelke, Restaurator der Schatzkammer der Residenz München, für Detailaufnahmen der Inschrift und weitere Auskünfte. Zur Zusammensetzung des „Pfälzer Schatzes“ in der Residenz vgl. Herbert Brunner, Die Kunstschätze der Münchner Residenz, hg. von Albrecht Miller, München 1977, S. 137–142, zu den Düsseldorfer Teilen S. 138–140.
  3. Auf die freie Ausführung wies auch Herr Klaus Oelke (s. Anm. 2) hin.
  4. Vgl. dazu die Beispiele bei Beck/Beck, Schrift, S. 430 u. 598.
  5. So z. B. in Schatzkammer der Münchner Residenz. Amtlicher Führer, hg. von der Bayerischen Verwaltung der Staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, München 1937, S. 135, Nr. 542; ebd. auch das Zitat; vgl. ebenso auch Kat. Schatzkammer München, S. 55, Nr. 26 Anm.
  6. Ebd., S. 55, Nr. 26.
  7. Vgl. Rainer Rückert, Venezianische Moscheeampeln in Istanbul, in: Festschrift für Harald Keller. Zum 60. Geburtstag dargebracht von seinen Schülern, hg. von Hans Martin Frhr. von Erffa und Elisabeth Herget, Darmstadt 1963, S. 223–234, S. 230 m. Abb. 6.
  8. Zu Blankenberg und seinem umfangreichen Wirken vgl. Das Erzbistum Köln, Bd. 1: Die Cistercienserabtei Altenberg, bearb. von Hans Mosler (Germania Sacra N. F. 2,1), Berlin 1965, S. 173–175. Zahlreiche Berührungspunkte zwischen dem Pfalzgrafen und dem Abt ergaben sich auch bei der Durchsetzung der Interessen der Abtei, z. B. bei den Auseinandersetzungen um das Patronatsrecht der Kirche in Solingen. Dazu Hans Mosler, Altenberg, Neustadt an der Aisch 1959, S. 221–241.

Nachweise

  1. Redlich, Schätze, S. 121, Nr. 81.
  2. Führer durch die Schatzkammer der Münchner Residenz, hg. von der Direktion der Museen und Kunstsammlungen des ehemaligen Kronguts in Bayern, München 1931, S. 135, Nr. 542.
  3. Kat. Schatzkammer München, S. 55, Nr. 26.

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 185 (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0018507.