Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 178 Privatbesitz (1623), (164[.])/1641

Beschreibung

Grabplatte für Johann von Redinghoven, seine beiden Ehefrauen und seine Tochter Anna Margaretha. Sandstein. Die Platte, die vermutlich von dem 1806 aufgegebenen und geräumten Neuen Friedhof vor dem Ratinger Tor stammt,1) befindet sich heute im Radraum einer ehemaligen Mühle in Ratingen im ersten Wandabschnitt unten waagerecht in der Wand liegend; an der rechten Langseite z. T. im Wasser stehend, an der linken Langseite z. T. abgeschlagen. Im oberen Teil der Platte auf einer Rollwerktafel der Trostspruch in Form eines vierzeiligen Bibelzitats (A), darunter in einem eingetieften Feld in einem Medaillon das Vollwappen der Familie Redinghoven, darunter rechts und links in zwei kleineren Medaillons, die jeweils den unteren Rand des großen berühren, zwei weitere Vollwappen, zwischen diesen mittig unter dem großen Wappen ein Totenkopf; die übrigen Teile dieses Feldes sind mit Lilien und Ranken geschmückt. Im unteren Teil der Platte über die gesamte Breite die Sterbevermerke mit Angabe des Todeszeitpunktes (B–E); dieser untere Teil war an mehreren Stellen zerbrochen und wurde wieder zusammengefügt, die untere linke Ecke ist in halber Höhe und einem Sechstel der Breite ausgebrochen und verloren.

Maße: H. 266 cm; B. 125 cm; Bu. 3,2 cm (A), 2,9 cm (B–E).

Schriftart(en): Kapitalis (A, B und D mit vereinzelten Minuskelbuchstaben).

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften (Sonja Hermann) [1/1]

  1. A

    ALSO HATT GOTT DIE WELTT GELIEBET DaSS ER / SEINEN EINEGEBORNEN SOHN GaB AUFF DASZ ALLE […] / AHN IHN GLAUBEN NICHT VERLOHREN WERDEN SON/DERN DAS EWIGE LEBEN HABEN : IOHAN: 3. V[..]2)

  2. B

    A(NN)Oa) 1641 · DEN . 11 SEPTEMb(RIS)b) NaCHTS . ZWISCHEN . 11 VND 12 [VHR]c) / IST DER EDLER V[NDT] HOCHGLEHRTER IOHAN VON REDING/HOVEN DERO [R]ECH[TEN] DOCTOR VND DES . F(URSTLICH) . GULICH(EN) VNDT / BERGISCHEN HOFF [……] ADVOCATVS SELIGLICH IN DEN / HERREN ENTSCHLA[FF]EN SEIN[E]S ALTERS . 64 . IAHR . 4 MONAT / VND 4 TAGEd)

  3. C

    A(NN)Oa) 1623 DEN . 19 . IVN[II] NACHMITTAGS VMB . 5 . VHREN IST DE / EHR VNDT VILLTH[VG]ENDTREICHE IVDITH IGELSBRACH ABGEN(ANNT) / DOCTORN IOHAN V[ON] REDINGHOVEN GEWESENE ERSTE / EHELICHE HAVZFRAW IN DEN HERREN SELIG ENTSCHL/AFFEN IHRES ALTERS . 31 . IAHR . 6 . MONAT HABEN ZVSAMEN / IM EHESTANDT [G]ELEBT. 6. IAHR . 6 . MONAT VNDT . 12 . TAGE

  4. D

    [..] 164[.]e) [– – –]f) MORGENS ZWISCHEN 9 VND [..] / [– – –]g) VNDT VILL THVGENDTREICHE CATHARINA / [– – –]ERNg) IOHANNEN VON REDINGHOVEN […] / [– – –]g) HAVSZFRAW IN DEN HERRN ENTSCHLAFFEN / [– – –]Sg) . 64 . IAHR . 2 . MONATH HABEN IM EHESTANDT / […….G]ELEBt . 17 . IaHR . 1 . MONAT

  5. E

    [……DE]N . 13 . IVLIJh) . NACHMITTAGS VMB . 3 . VHREN IST / [– – –]g) VON REDINGHOVENS VNDT IVDITHEN IGELS/[BRACH EH]ELICHE DOCHTER ANNA MARGERETA IN DEN / [HERREN E]NTSCHLAFFEN IHRES ALTERS . 7 · IAHR 5 MONAT

Wappen:
Redinghoven3), Igelsbrach4), Heimbach (?)5)

Kommentar

Die Platte ist sehr sorgfältig gearbeitet. Ebenso wie bei der Platte für Susanna Waltman und ihren Sohn (Nr. 173) wird lediglich im oberen Teil der Platte in Inschrift A U und nicht V verwendet. Auch die vereinzelte Verwendung von Minuskeln findet sich auf beiden Platten, hier jedoch sowohl in A als auch in B und D. Wie auf der Platte der Familie Waltman/Wiedenfeld ist hier ein t aus der gotischen Minuskel ausgeführt worden. Das hier ebenfalls begegnende zweistöckige, in voller Zeilenhöhe ausgeführte a sowie das b zeigen die Form der humanistischen Minuskel und finden sich auf der Platte für Susanna und ihren Sohn nicht. Auf beiden Platten gleich ist jedoch die Gestaltung weiterer Buchstaben wie B mit kleinerem oberen Bogen, ebenso die Verwendung von Quadrangeln als Trenner in den Datums- und Altersangaben. Die Buchstaben der Redinghoven-Platte wirken aber nicht ganz so schlank wie auf der Platte für Susanna Waltman. Punkte über I finden sich nur hier in der Inschrift A. Die 2 ist sowohl rund als auch spitz ausgeführt. Aufgrund der großen Ähnlichkeit in Aufbau und Gestaltung der Platten6) sind sie – wie möglicherweise auch jene für Anna von Palant (Nr. 163) – vermutlich typisch für protestantische Grabplatten der Region und der Zeit; wahrscheinlich entstammen sie derselben Werkstatt. Die Gestaltung der Platte und das hier gewählte Bibelzitat entsprechen im Wesentlichen auch dem Befund, den Christine Steininger für Epitaphe, aber auch Grabplatten, des 16. und frühen 17. Jahrhunderts in Gebieten reformierter Konfession erhoben hat.7)

Der 1576/77 geborene, 1641 verstorbene Johann von Redinghoven, Doktor beider Rechte und Advokat des herzoglichen Hofes, war ein Bruder des bereits Mitte August 1631 verstorbenen Diakons und Ältesten der reformierten Gemeinde, Dr. Johann Winandt von Redinghoven,8) der vereinzelt als Doktor der Medizin verzeichnet worden9) und als Verfasser des Chronogramms für den 1624 verstorbenen Pfarrer Ph. Poppinghaus, seinen Schwager, sicher belegt ist (Nr. 144). Verwirrend sind die Einträge in den Protokollen des Presbyteriums der reformierten Gemeinde zu Düsseldorf, die für die Jahre 1611–1631 mehr als 200 Registereinträge nur für einen Dr. iur. Johann von Redinghoven enthalten,10) der nach Ausweis der meisten dieser Einträge das Amt eines Ältesten bzw. Diakons versehen hat und in den Protokollen fast ausnahmslos ohne Nennung des Vornamens als „Dr. Redinghoven“ eingetragen worden ist. Der 1631 Verstorbene wird anlässlich seines Todes in den Protokollen aber ausdrücklich als Dr. Johann Winandt von Redinghoven genannt und als Ältester bezeichnet.11) Kurz vor dem Tod Johann Winandts werden beide in einem Protokolleintrag gemeinsam als Dr. Johann und Dr. Winandt von Redinghoven genannt, die mit einem Auftrag für die Gemeinde betraut werden.12) Wer von beiden Redinghovens bis 1631 wann tätig war, lässt sich mithin nicht in jedem Einzelfall klären.13)

Dr. Johann von Redinghoven begegnet in den Protokollen des Presbyteriums der Gemeinde auch nach 1631. Übereinstimmend mit den Angaben auf der Platte lebte er noch im Oktober 1639 und war im Sommer 1642 verstorben.14) Er ist in den Protokollen ab 1632 nicht als Ältester oder Diakon verzeichnet, wird jedoch 1634 unter den Vornehmsten der Gemeinde genannt.15) Redinghoven hat Kirchenrechnungen verwaltet, um deren Herausgabe sowie die Erstattung einer gewissen Summe die Gemeinde mit ihm und seinen Hinterbliebenen verhandelte.16) Er besaß 1632 das Haus Altestadt 8, das 1634 schwer beschädigt wurde; der Witwe des Dr. Winand von Redinghoven gehörte ein weiteres Haus auf der Straße Altestadt.17)

Der Verstorbene war der Inschrift zufolge in erster Ehe verheiratet mit Judith Igelsbrach, in zweiter Ehe mit einer Catharina. Der Familienname der zweiten Ehefrau konnte nicht sicher ermittelt werden; vielleicht stammte sie aus einem Zweig der Familie Heimbach.18) Über die im Kindesalter verstorbene Tochter aus erster Ehe ist nichts bekannt.

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung durch kleines o mit Kürzungszeichen.
  2. Kürzung durch Doppelpunkt.
  3. Vielleicht VHREN. Allerdings ist der verbliebene Platz in der Zeile dafür sehr gering.
  4. Diese Zeile ist zentriert.
  5. Von der letzten Ziffer ist ein nach unten offener Bogen am oberen Zeilenrand erkennbar. Es könnte sich um eine 2, eine 8 oder eine 9 gehandelt haben. Eine 0 ist wegen der genannten Ehedauer und des Sterbejahrs der ersten Ehefrau 1623 weniger wahrscheinlich.
  6. Fehlstelle von ca. 12–14 Buchstaben.
  7. Fehlstelle von 8–9 Buchstaben.
  8. Ligatur in Form eines Y.

Anmerkungen

  1. Zu diesem Friedhof, der spätestens seit 1624 auch von beiden protestantischen Gemeinden genutzt wurde, vgl. Zacher, Friedhöfe, S. 48–50. Zacher (ebd., S. 50) vermutet ebenso wie bereits 1943 Frechen (LAV NRW R, Nachlass Frechen, Inschriften H. 2, Bl. 53; Frechen hat wohl nur die Grabsteine im Außenbereich der Mühle gesehen), dass die protestantischen Steine und Platten bei und in der Mühle von diesem Friedhof stammen. S. dazu auch Kap. 2.1.4 der Einleitung.
  2. Jh 3,16 nach der Lutherbibel 1545.
  3. Fahne I, S. 353; Schleicher, Slg. Oidtman, Bd. 12, S. 537.
  4. Marke Nr. 26.
  5. Im Schild ein Mühleisen; auf dem Helm ein offener Flug. Vgl. zu diesem Wappen Müller-Westphal, Wappen, S. 428–430; Schleicher, Slg. Oidtman, Bd. 8, S. 20–24.
  6. Vgl. dazu ausführlicher Kommentar zu Nr. 173.
  7. Steininger, Überlegungen; hier bes. S. 249.
  8. Schleicher, Slg. v. d. Ketten, Bd. 4, S. 206f.; ders., Slg. Oidtman, Bd. 12, S. 540f. Zu Johann Winandt v. R. vgl. Protokolle des Presbyteriums, Bd. 1, S. 379, Nr. 928. Er war am 19. August 1631 „vor wenigen Tagen“ gestorben. Sein Name wird hier eindeutig mit „Johann Winandt“ von R. angegeben. Vgl. zu ihm auch Ackermann, Geschichte, S. 52, 71–74 u. öfter.
  9. Als Mediziner z. B. bei Schleicher, Slg. Oidtman, Bd. 12, S. 540; Ackermann, Geschichte, S. 85.
  10. Protokolle des Presbyteriums, Bd. 1, S. 404.
  11. Ebd., Bd. 1, S. 379, Nr. 928.
  12. Ebd., Bd. 1, S. 377, Nr. 924.
  13. Das Protokoll einer Gemeindeversammlung am 18. Januar 1614 ist jedenfalls nur mit „Johann à Redinchoven“ (ebd., Bd. 1, S. 97, Nr. 205) unterzeichnet. In der Liste der Konsistorialen wird für die Jahre 1612–1614, 1619/20, 1625/26 und 1629–1631 lediglich ein J. Redinghoven aufgeführt, die Einträge enden 1631. Vgl. dazu die Liste in ebd., Bd. 3, S. 436f. Nur zu Beginn des Jahres 1631 wird zweifelsfrei als Ältester Johann Winandt aufgeführt. Einer von beiden – wohl Johann Winandt – hat eine kurze Geschichte der Reformierten Gemeinde verfasst. Vgl. dazu Natorp, Geschichte, S. 13f., sowie Ackermann, Geschichte, S. 52, der sie dem 1631 Verstorbenen zuschreibt.
  14. Protokolle des Presbyteriums, Bd. 2, S. 192 zum 8. Oktober 1639 als noch lebend; ebd., S. 226–228 im Jahre 1642 als verstorben.
  15. Ebd., Bd. 2, S. 46.
  16. Ebd., Bd. 2, S. 185, 187f., 226–228. Ferber, Wanderung, Bd. 1, S. 22, setzt ihn mit dem ab 1611 nachweisbaren Diakon und Ältesten gleich.
  17. Ferber, Landsteuerbuch, S. 3 u. 60; zu der Witwe ebd., S. 12 u. 60.
  18. Vgl. die Angaben zum Wappen in Anm. 5.

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 178 (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0017804.