Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)
Nr. 126 Kalkum, St. Lambertus 1615 u. später
Beschreibung
Grabplatte für Johann von Ossenbroich. Hochrechteckige Platte aus Gusseisen; angebracht am vorderen südlichen Mittelschiffpfeiler.1) Die Platte ist über die gesamte Fläche mit Architekturelementen, Ornamenten und figürlichen Darstellungen in Flachrelief sowie mit Schrift versehen. Sie ist durch zwei über die gesamte Breite verlaufende Bänder mit Inschriften in drei Felder unterteilt. Das obere, niedrige Feld zeigt unter einem Dach ein Sonnengesicht (Helios/Sol) mit ausgebreiteten Flügeln, darunter einzeilig ein schmales Band mit einem Trostspruch in Form eines Bibelzitats (A). Im zweiten Feld unter einem Rundbogen – nebeneinander stehend und einander zugewendet – die beiden Vollwappen des Johann von Ossenbroich und seiner Gemahlin Elisabeth von Virmond, die Wappenbeischriften (B) einzeilig in einem Streifen darunter. In dem die untere Hälfte einnehmenden dritten Feld befinden sich der Sterbevermerk mit Fürbitte für Johann von Ossenbroich (C) und davon abgesetzt und in größerer Schrift ein weiterer Trostspruch in Form eines Bibelzitats (D). An den äußeren Rändern der Langseiten als Rahmen jeweils ein Streifen mit Vasen und Blumengebinden, der in dem unteren Feld auf beiden Seiten auf einem Sockel ruht und auf halber Höhe durch ein Medaillon mit Kopf unterteilt ist. In den beiden oberen Feldern über dem Gebinde jeweils eine Blüte in einem Halbmedaillon. Die Zwickel der oberen Felder sind mit vegetabilem Schmuck und links oben mit einem fratzenhaften Gesicht geschmückt. Unten und oben sowie an der linken Seite sind Klammern angebracht. Die Inschriften sind eingehauen.
Maße: H. 160 cm; B. 92 cm; Bu. 2 cm (A), 1,8 cm (B), 2 cm (C), 3,2–3,7 cm (D, 1. bis 9. Zeile), 2,8 cm (D, 10. Zeile).
Schriftart(en): Kapitalis.
- A
CHRISTVS IST MEIN LEBEN STERBEN IST MEIN GEWIN2) ·
- B
JOHAN · VON · OSSENBROCH · ELISABET · VON · FIRMVNT · SEIN · ELIGEa) · HAVSFRAW
- C
A(NN)Ob) 1615 DE(N) 29
APRILIS IST DER WOLEDLER / GESTRENGER VND ERENTVESTER JOHAN / VO(N) VND ZV OSSENBROCH HER ZV BLITTER/SWICH AMPTMAN ZV GREVENBROCH VND / GLADBACH IN GOT SELICH VN(D) CHRISTLICH / ENTSCHLAFFN a)DER SELEN GOT / GNEDICH WIL SEIN
- D
ICH ·WEIS · DAS · MEIN · ERLOSER · LEBT / VN(D) · ER · WIRT · MICH · HERNACH · AVS · DERc) / ERDE(N) · AVFWECKE(N) · VN(D) · WERD · DARNACHd) / MIT · DISER · MEYNERe) · HAVT · VMGEBENf) / WERDE(N) · VN(D) · WERDE · IN · MEINEM · FLISCHg) / GOT · SEHEN · DENSELBEN · WERDE / ICH · MIR · SEHEN · VN(D) · MEYNEh) · AVGEN / WERDEN · INa) · SCHAWEN VND / KEYNe) FREMDER / HIOB AM 19 CAP(
ITEL )i)3)
Ossenbroich,4) Virmond5) |
Textkritischer Apparat
- Sic!
- Kürzung durch hochgestelltes O.
- R aus Platzgründen in die Rahmenleiste gehauen.
- CH aus Platzgründen kleiner ausgeführt und in die Rahmenleiste gehauen.
- Y gebildet aus zwei I longa.
- N aus Platzgründen kleiner ausgeführt.
- CH aus Platzgründen kleiner ausgeführt.
- Y gebildet aus I und I longa mit weit nach links gebogenem Schaft.
- Kürzung durch Doppelpunkt.
Anmerkungen
- PfA St. Lambertus Kalkum, Nr. 513, ohne Paginierung, zum Jahr 1872: „In der Bogenwand der Kanzel gegenüber“. Clemen, KDM Düsseldorf, S. 146, gibt als Material der Platte „Blaustein“ an; ebenso wohl ihm folgend Heimeshoff, Häuser, Bd. 3, S. 129.
- In der Fassung der Lutherbibel: Phl 1,21.
- In der Fassung der Lutherbibel: Hi 19,25–27.
- Fahne I, S. 315; Schleicher, Slg. Oidtman, Bd. 11, S. 568.
- Fahne I, S. 435; Schleicher, Slg. Oidtman, Bd. 5, S. 730.
- Dass Hüttenwerke neben Ofenplatten auch Grabplatten hergestellt haben, ist belegt. So sind z. B. zwei solcher Platten aus Schorndorf in Baden-Württemberg bekannt, siehe DI 37 (Rems-Murr-Kreis), Nrn. 188 u. 222. Ein herzlicher Dank gilt Herrn Dr. Harald Drös, Heidelberg, für den Hinweis auf diese Platten. Vgl. auch DI 66 (Lkr. Göttingen), Nr. 184 zu einer gusseisernen Grabplatte, die von einem Gießer hergestellt wurde, dessen Signatur sich auch auf Ofenplatten findet. Weitere gusseiserne Platten z. B. ebd., Nrn. 145, 177 u. 291 sowie DI 49 (Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau), Nr. 241.
- Karlheinz von den Driesch, Handbuch der Ofen-, Kamin- und Takenplatten im Rheinland (Werken und Wohnen. Volkskundliche Untersuchungen im Rheinland 17), Köln 1990, S. 134–137 zu Nrn. 47 u. 49 sowie S. 96f. mit Abb. 147.
- Vgl. die zahlreichen Einträge DI 68 (Nürnberg: St. Johannis, St. Rochus und Wöhrd II), Register S. 729.
- Dazu Steininger, Überlegungen, S. 241.
- Ferber, Rittergüter, S. 105.
- Vgl. zu den Eltern ausführlich Kurt Niederau, Zur Geschichte des bergischen Adels, die von dem Bottlenberg (Bergische Forschungen 14), Neustadt an der Aisch 1976, S. 58–60.
- LAV NRW R, Jülich-Berg, Beamtenlisten Lau, Bd. 2, S. 382 (für 1595–1609); Füchtner/Preuss, Inventar, Nrn. 69, 105, 1042; Schleicher, Slg. Oidtman, Bd. 11, S. 574.
- Zu dem Ossenbroichschen Besitz an Haus Hain Ferber, Rittergüter, S. 105. Als Inhaber von Haus Hain werden Angehörige der Familie Ossenbroich auch in PfA St. Lambertus Kalkum, Nr. 676, Teil 2, foll. 26v u. 27r genannt.
- Nach Schleicher, Slg. Oidtman, Bd. 11, S. 574, besaß er auch Keppel und Cortenbach.
- Muschka, Opfergang, S. 207.
- Fahne I, S. 315; ebd. II, S. 109f.
- Becker, 1100 Jahre Kalkum, S. 75; dies., Gräber, S. 74f.
- Engelbrecht, Pfalzgraf, S. 69.
- Schleicher, Slg. Oidtman, Bd. 11, S. 574, nennt Gertrud Schimmelpfennig; Fahne I, S. 315, nennt N. v. Linden; Wieczorek/Gädtke, Ahnentafeln, S. 48, Johanna van Lynden.
- Schleicher, Slg. Oidtman, Bd. 5, S. 743.
- Brzosa, Geschichte, S. 285f.
- Europ. Stammtafeln, N. F. XI, Taf. 1. Das Todesjahr ihres Mannes ist allerdings an dieser Stelle mit 1664 eindeutig falsch angegeben. Nach Schleicher, Slg. Oidtman, Bd. 11, S. 574, soll sie jedoch 1653 noch gelebt haben.
Nachweise
- Den Haag, Hoge Raad van Adel, Collectie van Spaen, Nr. 74 C, fol. 22v (B, C; keine wortgetreue Wiedergabe).
- Clemen, KDM Düsseldorf, S. 146 (C).
- Schell, Grabinschrift, S. 43 (B, C).
- Becker, Gräber, S. 72f.
- Wieczorek/Gädtke, Ahnentafeln, S. 48 (B, C).
Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 126 (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0012603.
Kommentar
Die Schriftgestaltung ist nicht einheitlich. In B und D werden Quadrangel als Worttrenner, in A für den Zeilenabschluss verwendet. Die Schrift in D ist schlanker als in A–C und weist im Vergleich zu A–C zudem Quadrangel als Punkte über dem I auf sowie deutlich häufigere Abkürzungen und Ligaturen. Das Y, bestehend aus I und I longa mit weit nach links gebogenem Schaft oder zwei I longae, findet sich nur in D. In B und C sind Anfangsbuchstaben von Wörtern häufig leicht erhöht ausgeführt, in D nur sehr vereinzelt. Das B mit einander nicht berührenden Bögen, das R, bei dem die Cauda getrennt unter dem Bogen ansetzt, sowie das K mit gebogenen, getrennt ansetzenden Schäften begegnen durchgehend in D sowie in A–C, aber dort nicht immer so deutlich ausgeprägt. In C wird mehrfach das oben spitze, zweistöckige Z verwendet. Das J zu Beginn des Namens Johan besitzt einen Mittelbalken und einen geschwungenen Deckbalken. In D reichte in den Zeilen 2–5 der Platz nicht aus, so dass in den Zeilen 2 und 3 über den Rand hinaus geschrieben wurde, in den Zeilen 4 und 5 hingegen der bzw. die letzten Buchstaben kleiner ausgeführt wurden.
Die gusseiserne Platte weicht nicht nur aufgrund ihres Materials, sondern auch in Aufbau und Dekor deutlich von den übrigen im Bearbeitungsgebiet erhaltenen Platten ab, da sie zahlreiche Elemente zeigt, die von Ofenplatten dieser Zeit bekannt sind.6) Die Vasen, Blumengebinde und die weitere Ornamentik der Randstreifen zeigen erhebliche Ähnlichkeit zu Ornamentleisten, die aus der Südeifel stammen und seit der Mitte des 16. Jahrhunderts v. a. zur Verbreiterung von Ofenplatten verwendet wurden, insbesondere zu einer Ornamentleiste, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts/um 1600 mit der Hüttenmarke IS für Eisenschmitt erhalten ist.7)
Das Sonnengesicht stellt möglicherweise einen gefiederten Genius dar, wie er z. B. auf Nürnberger Grabdenkmälern der entsprechenden Zeit häufig begegnet.8)
Die Bibelzitate erfolgten nach der Fassung der Lutherbibel. Das Zitat aus dem Buch Hiob findet sich sehr häufig auf evangelischen Epitaphen des 16. und des frühen 17. Jahrhunderts.9) Mithin könnte die bei Ferber zu lesende Bemerkung, Johann, der in der katholischen Kirche zu Kalkum beigesetzt worden ist. sei „wieder katholisch“ geworden,10) zutreffend sein.
Johann von Ossenbroich, Sohn des gleichnamigen, 1594 verstorbenen Jülicher Rats und Haushofmeisters und der Margarete von Bodlenberg gen. Schirp,11) war wie sein Vater Amtmann zu Grevenbroich und Gladbach.12) Durch seine Mutter war die Familie in den Besitz von Haus Hain gelangt;13) er war zudem Herr zu Blitterswich.14) Am Düsseldorfer Hof bekleidete er zu Lebzeiten der Herzogin Jakobe das Amt des Zu- oder Vorschneiders15) – nach Fahne war er auch jülicher Stallmeister16) – und ist nach ihrem Tod als pfalz-neuburgischer Gesandter nachgewiesen.17) Bis 1609 sandte er regelmäßig Berichte aus Düsseldorf nach Neuburg.18) Er nahm an den Turnieren anlässlich der Hochzeit von 1585 teil, die Ahnentafel ist überliefert (Nr. 76, Kupferstich 15, Ahnentafel 4). In erster Ehe mit Gertrud Schimmelpfennig zu Engelsbroch oder Johanna Elisabeth van Lynden verheiratet,19) ehelichte er 1609 Elisabeth von Virmond,20) die 1620 das von ihrem Schwiegervater erworbene sogenannte Vlattenhaus zwischen der (heutigen) Andreasstraße und der Mühlenstraße an Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm verkaufte, der es den Jesuiten zur Erweiterung ihrer Niederlassung übergab.21) Elisabeth soll am 4. März 1576 geboren und im Jahre 1650 verstorben sein.22)
Möglich erscheint, dass die Platte urprünglich als Epitaph für beide Eheleute geplant worden ist, zumal sich beide Wappen auf ihr finden. Dann wäre der Bereich in der unteren Hälfte, der heute Inschrift D trägt, für den Sterbevermerk der Elisabeth vorgesehen gewesen. Es ist nicht bekannt, ob sie ein zweites Mal verheiratet war, so dass der Grund, aus dem sie wahrscheinlich nicht in St. Lambertus beigesetzt worden ist, bislang unbekannt ist. Eine nachträgliche Anfertigung von D wird auch durch den paläographischen Befund nahegelegt.