Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 124† † Schloss 1614

Beschreibung

„Wandkritzelei“ über der Schlosstür oder dem Schlosstor. Chronogramm auf Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg, der am 25. Mai 16141) in Düsseldorf seine zuvor heimlich erfolgte Konversion vom Augsburger Bekenntnis zum katholischen Glauben öffentlich bekanntgab. Der Kampfspruch soll an diesem Morgen am angegebenen Ort zu lesen gewesen sein.

Nach Marseille. 2)

  1. OMnIs apostata perseCVtor sVI orDInIs3)

Übersetzung:

Jeder Abtrünnige (wird) zum Verfolger seines (bisherigen) Standes.

Versmaß: Hexameter.

Datum: 1614.

Kommentar

Der älteste bekannte Beleg für diese Inschrift in den Aufzeichnungen des Weseler Pfarrers Anton von Dorth (1626–1695)4) ist nicht erhalten. Nach von Dorth ist der Wortlaut 1898 bei Marseille wiedergegeben; Bockmühl und Rosenkranz geben keinen Beleg an; Erpenbeck, Maes, Ackermann und Richter zitieren nach der älteren Literatur. Erpenbeck hält das Graffito, auch in der Ausführung als Chronogramm, für echt, „da ähnliche Aktionen aus Holland und Westfalen bekannt“ seien und nennt dieses Beispiel als Beleg dafür, „dass das öffentliche Bewusstsein sehr wohl mit der Chronogrammtechnik vertraut war und dass diese sich bis in die politischen Kampfsprüche der Zeit hineingezogen hatte“.5) Es scheint somit zwar nicht völlig gesichert, aber doch wahrscheinlich zu sein, dass diese Inschrift in der Form eines Chronogramms über der Tür oder dem Tor gestanden hat. Der Spruch ist in Texten des 16. und 17. Jahrhunderts häufig nachzuweisen und scheint als Kampfspruch bekannt gewesen zu sein.6)

Die Konversion Wolfgang Wilhelms7) erfolgte während des jülich-klevischen Erbfolgestreits, in dessen Verlauf sich der Pfalzgraf in der Hoffnung auf Unterstützung an Herzog Maximilian von Bayern gewandt und auch um die Hand der Schwester des Herzogs, Magdalena, angehalten hatte. Die endgültige Hinwendung des lutherisch erzogenen Herzogs zum katholischen Glauben erfolgte wohl gegen Ende des Jahres 1612,8) die zunächst geheimgehaltene Konversion am 19. Juli 16139) vor der Heirat mit Magdalena, die im November 1613 in München stattfand,10) und das öffentliche Bekenntnis schließlich am 25. Mai 1614 in Düsseldorf. Die Inschrift war zu lesen, als das Herzogspaar zwischen 8 und 9 Uhr morgens in seinem Wagen das Schloss verließ, um sich in die Lambertuskirche zu begeben.11) Sie brachte die Sorgen der protestantischen Bevölkerung zum Ausdruck, die nach der gemeinsamen Erklärung der Possidierenden aus dem Jahre 1609 zur freien Religionsausübung für alle christlichen Bekenntnisse ihren Glauben in den jülich-klevischen Landen öffentlich praktizieren konnte und 1614 erneut Einschränkungen befürchtete.12) Der Pfalzgraf hat zwar am 14. Juni 1614 für die jülich-klevischen Länder zugesagt13), dass auf die Lutheraner und Reformierten zukünftig kein Zwang in Religionsangelegenheiten ausgeübt werden solle, doch nahm in den folgenden Jahren der Druck auf die Protestanten zu, ihre Predigthäuser wurden geschlossen und die öffentliche Religionsausübung verboten.14)

Anmerkungen

  1. Bei Marseille, Bockmühl und Rosenkranz wird nach der alten Zeitrechnung der 14. Mai als Tag des öffentlichen Übertritts angegeben.
  2. Marseille, Studien, S. 60 Anm. 1, gibt als Quelle an „Dorth, Coll. V f. 162“. Die im Landesarchiv NRW unter LAV NRW R, Hss. N III 1 befindliche Sammlung von Dorth enthält in Faszikel 5 nur einen Teil des ursprünglichen Umfangs. Die von Marseille benutzte Quelle scheint verloren zu sein.
  3. In reformatorischen wie gegenreformatorischen Texten des 16. und 17. Jahrhunderts mehrfach nachweisbar: So z. B. in D. Martini Lutheri Exegetica Opera Latina, curavit Christopherus Stephanus Theophilus Elsperger, Tomus III: Continens Enarrationes in Genesin Cap. X–XV, Erlangen 1829, S. 35 zu Gen 11: „Verum igitur verbum est, quod omnis apostata est persecutor sui ordinis.“; bei Johannes Cochläus, An die Herren Schultheiß und Rat zu Bern wider ihre vermeinte Reformation, in: Flugschriften gegen die Reformation (1525–1530), Bd. 2, hg. von Adolf Laube unter Mitarbeit von Ulman Weiß, Berlin 2000, S. 717–743, 733: „omnis apostata persecutor est sui ordinis“; oder auch in Loci communes theologici pro ecclesia catholica, D. Conrado Clingio Theologo … Authore, Köln 1559, S. 225; Dietrich Reinkingk, Biblische Policey, Frankfurt 1653, S. 26, hier als „altes Sprichwort“ bezeichnet.
  4. Vgl. zu ihm Niederrheinische Inschriften, aufgezeichnet von Anton von Dorth (1626–1695), hg. von Klaus Bambauer und Hermann Kleinholz, Wesel 1979, S. IX–XIX.
  5. Erpenbeck, Chronogramme, S. 7 mit Anm. 11.
  6. Vgl. die Angaben in Anm. 3.
  7. Vgl. zu den Voraussetzungen, Vorbereitungen und dem Ablauf der Konversion sowie den Vorgängen am 25. Mai 1614 in Düsseldorf ausführlich Richter, Übertritt; vgl. auch Brzosa, Geschichte, S. 233–239 u. sehr knapp bei Ackermann, Duldung, S. 89–93; zur Bewertung der Motive Wolfgang Wilhelms Mader, Wahrnehmungen.
  8. So Richter, Übertritt, S. 125; Ackermann, Duldung, S. 90, nennt den Februar 1613.
  9. Vgl. zum Glaubensbekenntnis Wolfgang Wilhelms von diesem Tag Kat. Erster Pfalzgraf, S. 64f., Nr. 26, u. Kat. Um Glauben und Reich II,2, S. 144f., Nr. 209.
  10. Richter, Übertritt, S. 126 mit weiterführender Literatur.
  11. Der detaillierte Ablauf des Übertritts und die beteiligten Personen sowie Angaben über die gleichzeitig in der lutherischen Gemeinde gehaltenen Gottesdienste ebd., S. 132f.
  12. Zur Entwicklung des reformierten und lutherischen Gemeindelebens in Düsseldorf von 1609 bis 1614 vgl. Ackermann, Duldung, S. 82–89; ders., Geschichte, S. 56–75. S. auch Kap. 2.1.4 der Einleitung.
  13. Vgl. dazu Ackermann, Duldung, S. 95; ders., Geschichte, S. 83; Richter, Übertritt, S. 138.
  14. Zur Entwicklung ab 1614 Ackermann, Duldung, S. 96–108; ders., Geschichte, S. 83–108; Richter, Übertritt, S. 144, sowie Kap. 2.1.4 der Einleitung.

Nachweise

  1. Marseille, Studien, S. 60 Anm. 1 (nach „Dorth, Coll. V f. 162“, wohl verloren).
  2. Bockmühl, Gedenkbuch, S. 111.
  3. Rosenkranz, Generalsynodalbuch, S. 3.
  4. Erpenbeck, Chronogramme, S. 7.
  5. Maes, Chronogramme, S. 19.
  6. Ackermann, Duldung, S. 93.
  7. Ders., Geschichte, S. 80.
  8. Richter, Übertritt, S. 132.

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 124† (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0012407.