Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 121(†) St. Lambertus 1613?, 1619?

Beschreibung

Epitaph für Nikolaus Mattenclot und seine Ehefrau Guda Neuenhaus. Das Epitaph befand sich bis 1819/20 in der Kreuzherrenkirche auf der Rückseite der ersten Säule gegenüber vom Hauptportal.1) Erhalten ist lediglich eine rechteckige Platte aus Marmor, die oben, unten und rechts beschnitten ist. Sie ist im Totenkeller von St. Lambertus abgestellt und enthält mit der Widmung (B), dem Grabgedicht mit der Anrede an den Leser und dem Totenlob (C) sowie dem Setzungsvermerk (D) nur die Inschriften, die sich auf N. Mattenclot beziehen. Die Buchstaben, bei denen an wenigen Stellen Reste von Goldfarbe erkennbar sind, sind in ein eingetieftes Feld eingehauen, das am rechten Rand ohne Textverlust scharf am Schriftspiegel beschnitten wurde. Der auf beide Eheleute Bezug nehmende Sterbevermerk (A), der zweite Setzungsvermerk (E) sowie die Altersangaben und die Jahreszahl in F sind lediglich kopial überliefert.2) Nicht ausgeschlossen werden kann, dass B–D älter als die rahmenden Inschriften sind und eine zuvor vorhandene Tafel in das Epitaph eingebaut worden ist. Bereits zum Zeitpunkt der Entfernung aus der Kreuzherrenkirche war die Lesbarkeit des Sterbevermerks A aufgrund von Zerstörungen zahlreicher Buchstaben eingeschränkt.3) Die Inschriften B–D sind durch die Schriftgestaltung voneinander abgesetzt. Die Jahreszahl in F war vermutlich durch die Darstellung der Wappen beider Eheleute unterbrochen.4)

A, E und F nach LAV NRW R, Reg. Düsseldorf, Nr. 3893.

Maße: H. (65 cm); B. (62 cm); Bu. 2 cm (B, C), 2,8–3,5 cm (D).

Schriftart(en): Kapitalis (B, C), schrägliegende Kapitalis (D).

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften (Sonja Hermann) [1/1]

  1. A†

    Bis sex ac uno currentis martii in [….]a) axe excessit vita en hac Nicolaus eheu aet[…..] uxor quae se […] Nevenhausen […..] obibat [..] vixerat una tibi Godula rite tor[o]b)

  2. B

    SPECTABILI ET NOTAE VIRTVTIS VIRO NI=/COLAO MATTENCLOIDT DVSSELD(ORPII)c) IVDICI / IN SOLINGEN AEQVISSIMO.d)

  3. C

    QVISQVIS ES HÊIC ASTA, TVMVLO IMMORTALISe) HABETVRf) /CVM VIRTVTE BONVS, CVM BONITATE PIVS /VIVENS IVSTITIAE CLYPEVS BACVLVSQ(VE)g) CADENTVMh) /DEFLENDVS MORITVR, MORTVVS ECCE VIGET. /SPARGE ROSAS TVMVLO LECTOR, VIVENTIB(VS) ORBE /MANIBVS, ASPERGAS NVMINE IVSTITIAE ·

  1. D

    CO(NIVGI)i) ET PATRI DILECTISS(IMO)j) / B(EATO) P(ATRI) P(IAE) M(EMORIAE)k) / GVDA NEVENHAVSEN TIBERIQVEl) / QVÊIS DVM VIVENT LACRVMAEm)·

  2. E†

    In memoriam spectabilis viri et d(omini) Nicolai Mattencloet judicis in Solingen et virtuosae matronae Guda Nevenhausen conjugum posuerunt Joa(nnes) Tegeder [dictus Thyr]n) j(uris) u(triusque) d(octor) et Anna Mattencloet nec non Go(defridus) Cronenberg duc(is) jul(iacensis) etc.o) secretarius et Cath(arina) Mattencloet conjuges generi et filiae

  3. F†

    aet(atis) 57 1603 aet(atis) 67p)

Übersetzung:

(Als) zweimal sechs und ein (Tag) im laufenden März [….] schied aus diesem Leben, seht, Nicolaus, ach, im Alter von […..]. Die Ehefrau, die sich […]Neuenhaus […..], starb [..]. Mit dir gemeinsam hatte Godula rechtmäßig in ehelicher Gemeinschaft gelebt. (A)

Dem ehrwürdigen Mann von allbekannter Tugend Nicolaus Mattenclot aus Düsseldorf, dem äußerst gerechten Richter in Solingen. (B)

Wer du auch bist, verweile hier! In diesem Grab liegt ein Seliger, edel durch (seine) Tugend, gottgefällig durch (seine) Güte. Zu Lebzeiten (war er) ein Schild der Gerechtigkeit und eine Stütze für die, die fallen. Es stirbt der zu Beweinende, tot, siehe, lebt er. Streue Rosen auf das Grab, Leser, für die auf Erden Lebenden. Für die Seelen der Verstorbenen mögest du (es mit Weihwasser) besprengen zur Gnade der Gerechtigkeit. (C)

Dem höchstgeliebten Ehemann und Vater, dem verstorbenen Vater seligen Angedenkens, (setzen dies) Guda Neuenhaus und die Kinder, welchen, solange sie leben, Tränen (fließen werden). (D)

Zum Gedenken an den ehrwürdigen Mann und Herrn Nicolaus Mattenclot, Richter in Solingen, und die tugendhafte Ehefrau Guda Neuenhaus, Eheleute, haben (dies) errichten lassen Johannes Tegeder gen. Thyr, Doktor beider Rechte, und Anna Mattenclot sowie Gottfried Cronenberg, Sekretär des Herzogs von Jülich, und Catharina Mattenclot, Eheleute, Schwiegersöhne und Töchter. (E)

1603 im Alter von 57 und 67 Jahren. (F)

Versmaß: Elegische Distichen (A?, C; A als Chronodistichon?).

Datum: 13. März (A).

Wappen:
Mattenclot, Neuenhaus5)

Kommentar

Wohl aus Platzgründen wirkt die Schrift nicht ganz einheitlich. Insbesondere in C fehlen vor allem in den Hexametern häufig die Wortabstände, die Schrift wirkt gedrängter als in B und am Ende von Zeile 1 und 3 musste die letzte Silbe über den letzten Buchstaben gestellt werden. Auch die DE-Ligatur in Zeile 3 erfolgte wohl aus Platzmangel. In C ist der erste Buchstabe der Verse, in B der Anfangsbuchstabe einiger Wörter leicht erhöht ausgeführt. In D sind, ebenfalls aus Platzgründen, die Buchstaben der letzten Zeile kleiner als in den ersten drei Zeilen, die Neigung der Buchstaben ist nicht einheitlich, das falsche TIBERIQVE wurde nicht korrigiert. In B–D sind O und Q spitzoval; die Bögen bei R und P sowie der obere Bogen bei B sind klein und berühren den Schaft deutlich oberhalb der Zeilenmitte. Insgesamt finden sich an Schaft- und Bogenenden häufig Sporen, die an den Bogenenden bei S, C und G sowie dem Mittelbalken des E z. T. lang ausgezogen sind. Die Cauda des G ist eingestellt. Alle Punkte sind als Quadrangel ausgeführt.

Auffällig ist der Gebrauch der altlateinischen Formen HÊIC und QVÊIS statt HIC und QVIBVS6) sowie LACRVMAE statt LACRIMAE7), die auf die sehr guten Sprachkenntnisse des unbekannten Verfassers dieser Texte schließen lassen.

Die Reihenfolge der Inschriften, wie sie anlässlich der Räumung der Kreuzherrenkirche verzeichnet wurde, legt nahe, dass der noch erhaltene Teil mit B–D ursprünglich zu einem Grabdenkmal für Nikolaus Mattenclot gehörte und nachträglich in ein um den Sterbevermerk (A) und den zweiten Setzungsvermerk (E) ergänztes Epitaph für die Eheleute aufgenommen wurde. Da in B–D kein Sterbevermerk mit Angabe des Todestages oder -jahres enthalten ist, ist vielleicht ein älterer Vermerk verloren gegangen bzw. später durch A ersetzt worden. Die Formulierung des Datums sowie die letzten Wörter in A (vixerat … tor[o]), die einen Pentameter bilden, und ein Vergleich mit den Sterbevermerken auf den beiden anderen Epitaphen jener Zeit, die sich ursprünglich in der Kreuzherrenkirche befanden,8) lassen es als sehr wahrscheinlich erscheinen, dass A als Chronodistichon ausgeführt war. Die Jahreszahl in Inschrift F passt nicht zu den biographischen Angaben über N. Mattenclot.9) Die Verteilung der beiden Altersangaben über die Zeile in der kopialen Überlieferung lässt vermuten, dass sich auf dem Epitaph Porträts der beiden Verstorbenen aus dem Jahr 1603 befunden haben, die in der Mitte durch die von der Wappendarstellung unterbrochene Jahreszahl voneinander abgesetzt wurden. Zu Darstellungen aus dem genannten Jahr müssten jedoch andere Altersangaben gemacht werden, denn der aus Düsseldorf stammende Nikolaus Mattenclot soll am 14. April 1556 als Sohn des Gabriel Mattenclot und der Anna Winkelhausen10) geboren und 1613 verstorben sein.11) Denkbar ist, dass bei der Verzeichnung der Inschrift ein Schreibfehler unterlaufen ist und die Jahreszahl als 1613 gelesen werden muss, doch wäre auch in diesem Fall die Altersangabe nicht korrekt, da N. Mattenclot noch 56jährig verstarb. Möglich ist jedoch auch, dass das bei Schleicher genannte Todesjahr zu 1614 verbessert werden muss. Inschrift F bleibt mithin in der überlieferten Form in gewissem Maße unverständlich.

Nikolaus Mattenclot ist zwischen 1583 und 1608, vielleicht noch 1612, mehrfach als Richter in Solingen nachzuweisen.12) 1592 nahm in seinem Beisein der Amtmann von Solingen und Burg, Wilhelm von Scheidt gen. Weschpfennig, den Huldigungseid der Vertreter Solingens und der umliegenden Städte und Gerichte für Herzog Johann Wilhelm entgegen.13) Zwischen den Familien von Scheidt gen. Weschpfennig und Mattenclot, die beide Begräbnisstätten – und im Falle von Scheidt eine Votivtafel – in der Kreuzherrenkirche hatten, bestanden also Beziehungen. Aus der Ehe mit Guda Neuenhaus, die 1619 verstorben sein soll,14) gingen die beiden hier genannten Töchter sowie sechs weitere Kinder hervor.15) Johann Tegeder gen. Thyr war der zweite Ehemann der Anna und 1627–1631 bergischer Pfennigmeister; der Schwiegersohn Gottfried Cronenberg ist 1610 als herzoglicher Sekretär, 1619 ebenfalls als Richter in Solingen und 1622–1627 als bergischer Pfennigmeister nachweisbar.16) Die Inschriften A und E dürften also spätestens 1619 hinzugefügt worden sein, wohl bevor Cronenberg Richter in Solingen wurde.

Textkritischer Apparat

  1. Die Anzahl der hier angegebenen Punkte entspricht der in der Abschrift wiedergegebenen Anzahl.
  2. Buchstabenbestand: tor: LAV NRW R, Reg. Düsseldorf, Nr. 3893.
  3. Quadrangel im 2. D und zwei Quadrangel in Form eines Doppelpunktes als Kürzungszeichen.
  4. Letzte Zeile zentriert.
  5. Korrigiert, indem R verkleinert unter den linken Balken des T gestellt wurde.
  6. VR kleiner über T gestellt.
  7. Kürzung in Form einer arabischen Drei, freistehend hinter dem Buchstaben.
  8. VM über T gestellt.
  9. Die folgenden vier Zeilen jeweils zentriert.
  10. Zwei Quadrangel in Form eines Doppelpunktes als Kürzungszeichen.
  11. B(EATO)M(EMORIAE)] Lediglich hinter B und 2. P Quadrangel als Kürzungszeichen.
  12. Sic! LIBERIQVE LAV NRW R, Reg. Düsseldorf, Nr. 3893.
  13. lacrymae LAV NRW R, Reg. Düsseldorf, Nr. 3893.
  14. Tegedertus Th. ÿr. LAV NRW R, Reg. Düsseldorf, Nr. 3893. Der üblichen Namensform entsprechend emendiert.
  15. Der Titel des Herzogs wird in der kopialen Überlieferung sehr stark abgekürzt wiedergegeben. Ob er auf dem Träger ausführlicher angegeben war, ist nicht bekannt.
  16. LAV NRW R, Reg. Düsseldorf, Nr. 3893: Die Jahreszahl ist zwischen 16 und 03 durch den Hinweis „Locus insignium“ unterbrochen. S. zu dieser Inschrift den Kommentar.

Anmerkungen

  1. LAV NRW R, Reg. Düsseldorf, Nr. 3893, fol. 6a r. Auf der anderen Seite der Säule befand sich das Epitaph für die Eltern des Nikolaus, Gabriel Mattenclot und Anna Winkelhausen (Nr. 97).
  2. Die hier abgedruckte Reihenfolge entspricht der Verzeichnung der Texte, wie sie bei der Räumung der Kreuzherrenkirche angefertigt wurde (LAV NRW R, Reg. Düsseldorf, Nr. 3893, fol. 6a r–v).
  3. Ebd.: „Plurimi characteres hujus inscriptionis ita deleti erant, ut clarior reddi nullatenus possit.“
  4. S. dazu Anm. p.
  5. Die Wappendarstellungen sind nicht erhalten. Für die Familie Mattenclot vermutlich so wie bei Schleicher, Slg. v. d. Ketten, Bd. 3, S. 515; Weyersberg, Wappen, S. 100; Niederau/Poensgen, Gräfrath, S. 308, Nr. 461.
  6. Zu HÊIC Kühner/Holzweissig, Grammatik, Bd. 1, S. 98f., § 13,6; zu QVÊIS ebd., S. 613, § 140,9.
  7. Georges II, Sp. 530. S. auch Nr. 104.
  8. S. dazu Nr. 97 Inschriften D und G sowie Nr. 111 Inschriften C und E.
  9. S. unten.
  10. Vgl. Nrn. 96 und 97.
  11. Schleicher, Slg. Oidtman, Bd. 10, S. 290, mit der Angabe, er sei 1613 verstorben.
  12. 1583: Niederau/Poensgen, Gräfrath, S. 308f., Nr. 461; 1587: LAV NRW R, Herrenstrunden, Johanniterkommende U 397; 1589, 1592 und 1602: Weyersberg, Wappen, S. 100; 1598–1608: Mosler, Urkunden, S. 56, 62, 76 u. 83; 1612: Redlich, Kirchenpolitik, S. 303 Anm.1.
  13. Heinz Rosenthal, Solingen. Geschichte einer Stadt, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts, Duisburg 21975, S. 135.
  14. Schleicher, Slg. Oidtman, Bd. 10, S. 290. Er nennt versehentlich 1579 als ihr Geburtsjahr, verwechselt dies aber vermutlich mit dem Jahr der Eheschließung, da das erste Kind aus der Ehe mit Nikolaus 1581 geboren ist (ebd.). Wenn sie tatsächlich im Alter von 67 Jahren verstorben ist, ist sie 1552 geboren.
  15. Schleicher, Slg. Oidtman, Bd. 10, S. 290.
  16. Ebd., S. 291; zu Tegeder Tornow, Verwaltung, S. 156 (Register), zu Cronenberg ebd., S. 152 (Register) u. Füchtner/Preuss, Inventar, S. 690 (Register).

Nachweise

  1. LAV NRW R, Reg. Düsseldorf, Nr. 3893, fol. 6a r–v.

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 121(†) (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0012103.