Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 97(†) St. Lambertus (1593)/1594

Beschreibung

Epitaph für Gabriel Mattenclot und seine Frau Anna Winkelhausen. Marmor. Das Epitaph befand sich bis 1819/20 in der Kreuzherrenkirche an der ersten Säule gegenüber vom Hauptportal.1) Der Teil, der das Grabgedicht mit Totenlob (B), das Geburtsdatum (C) und den Sterbevermerk (D) trägt, ist mit Ausnahme der linken unteren Ecke und eines größeren Bruchstücks der rechten oberen Ecke erhalten und liegt in sieben Einzelteile zerbrochen auf dem Boden des Totenkellers von St. Lambertus, die übrigen Teile mit der Widmung (A), der Namensnennung der Ehefrau Anna Winkelhausen (E), der biographischen Notiz über sie (F) und dem Sterbvermerk für sie (G), einer weiteren biographischen Notiz (H) und dem Setzungsvermerk (I) sind verloren. B–D sind in ein eingetieftes Feld zwischen jeweils mehrfach abgestuften Gesimsen eingehauen, die Buchstaben mit Goldfarbe ausgefüllt. Über die weitere Ausgestaltung des Epitaphs liegen keine Angaben vor. D und G sind als Chronodistichen ausgeführt.

A und E–I sowie die Ergänzungen in B–D nach LAV NRW R, Reg. Düsseldorf, Nr. 3893.

Maße: H. (94 cm); B. (93 cm); 2) Bu. 2,5 cm.

Schriftart(en): humanistische Minuskel (B), Kapitalis (C), humanistische Minuskel mit Kapitalisversalien (D).

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften (Sonja Hermann) [1/3]

  1. A†

    Epitaphium doctissimi viri Gabrielis Mattenclott dum viveret illustriss(imi) ducis Jul(iae) Cliv(iae) ac Mont(ium) registratoris et secretarii

  2. B

    Conditur hoc saxo Gabrielis c[orpus inane at] /Spiritus aetherei uiuit in a[rce patris] /Qui iuuenis Musas discendo do[cendo secutus] /Doctrinam iunxit cum pietat[e sibi] /Hinc a Secretis tibi Dux Gulielme min[istrans] /Pectore deuoto lustra per octo [fuit] /Ille senex multum quod spe uotisq(ue) pet[ivit] /Nunc fruitur uul[tu] Maxime Christe tu[o] /Munera persoluens maior funebria gnatus, /Affixit luctus haec monumenta sui.

  1. C

    [NA]T(VS) EST A(NN)Oa) 1523 IPSO NATALIS DOMINI ANTE / [AVR]ORA(M) : EI(VS) AVTEM MORTIS ANN(VS) ME(N)SIS DIES / [ET] HORA CO(N)TINETVR DISTICHO NVMERALI.

  2. D

    [Vnde]CIMa AVgVstI Vndenae noX Instat Vt horae, /[EC]Ce neCI Cedens I(n)terIIt GabrIeL.

  1. E†

    Anna Winckelhausen

  2. F†

    Post 42 ½ annos et 18 dies cum praed(icto) Gabr(ieli) in matrimonio transactos vidua facta in Domino obdormiens hic recondi voluit anno mense die et hora ut sequitur

  3. G†

    Non proCVL oCtaVa qVIndena deCeMbrIs ab hora LVX stetIt ad sVperos sCandIt Vt Anna poLos

  1. H†

    Vixit annos LXXIII dies XXXV

  2. I†

    Parentibus suis dilectiss(imis) Joach(imus) Mattenclott J(uris) U(triusque) D(octor) f(ieri) f(ecit)

Übersetzung:

Epitaph des hochgelehrten Mannes Gabriel Mattenclott, zu Lebzeiten Registrator und Sekretär des durchlauchtigsten Herzogs von Jülich, Kleve und Berg. (A)

Unter diesem Stein liegt begraben Gabriels toter Körper, aber die Seele lebt in der Burg des himmlischen Vaters. Der als junger Mann im Lernen und Lehren sich von den Musen leiten ließ, hat für sich die Gelehrsamkeit mit der Frömmigkeit vereint. Darauf diente er als Sekretär dir, Herzog Wilhelm, mit treu ergebenem Herzen achtmal fünf Jahre lang. Jener genießt nun als Greis die vielen Dinge, die er (voll) Hoffnung in Gebeten erbeten hat, in Deinem Angesicht, allerhöchster Christus. Der ältere Sohn leistete die Totendienste und fügte dieses Denkmal seiner Trauer hinzu. (B)

Er wurde im Jahr 1523 am Tag der Geburt des Herrn vor dem Morgengrauen geboren. Jahr, Monat, Tag und Stunde seines Todes aber enthält das Distichon mit Chronogramm. (C)

Als die elfte Nacht des August auf die elfte Stunde zuging, siehe, ist Gabriel, dem Tod sich fügend, gestorben. (D)

Nachdem 42 ½ Jahre und 18 Tage in der Ehe mit vorgenanntem Gabriel vergangen waren, ist sie Witwe geworden. Im Herrn entschlafend wollte sie hier begraben werden. (Dies geschah) in dem Jahr, dem Monat, dem Tag und der Stunde, wie hier folgt. (F)

Nicht weit von der achten Stunde des 15. Dezember stand das Tageslicht, als Anna zum Himmelsgewölbe emporstieg. (G)

Sie hat 73 Jahre, 35 Tage gelebt. (H)

Seinen sehr geliebten Eltern hat Joachim Mattenclot, Doktor beider Rechte, (dies) erstellen lassen. (I)

Versmaß: Elegische Distichen (B, D und G; D und G als Chronodistichen, G einsilbig leoninisch gereimt).

Datum: Daten: 11. August 1593 (D), 15. Dezember 1594 (G).

Kommentar

Die sorgfältig ausgeführte humanistische Minuskel wirkt relativ schlank. Die i-Punkte sind sorgfältig gesetzt. An den oberen Schaftenden von l, b und h ist ein kleiner, nach rechts gebogener Sporn angesetzt; bei f und Schaft-s findet sich links am Schaft, dort wo der Bogen ansetzt, ein kleiner Sporn; der Bogen wird schmaler weit nach rechts gezogen und endet in einem Quadrangel. D ist offen. Ligaturen finden sich bei ae, st und ct. Bei dem runden g ist der obere Bogen nicht ganz geschlossen; an dessen rechtem, nach links unten verlängertem Bogenende setzt der untere Bogen an. Bei p und b läuft der Bogen nach unten spitzoval zu, so dass der untere, zum Schaft verlaufende Bogenabschnitt gebrochen wirkt. Der Balken des e setzt am oberen Bogenende an und ist zu einem schmaler ausgeführten Schrägstrich reduziert. Die Kapitalis zeigt Linksschrägenverstärkung und Bogenschwellungen, das E ist mit verkürztem mittleren und verlängertem unteren Balken ausgeführt. Der Wechsel der Schrift dient lediglich der Unterscheidung der einzelnen Inschriften bzw. der Gestaltung des Chronogramms und lässt keine Hierarchie der Schriften erkennen.3)

Erhalten ist nur der Teil des Epitaphs mit den Inschriften zu Gabriel Mattenclot. Die weiteren Inschriften mit der Widmung, den Inschriften zu seiner Frau und dem Setzungsvermerk haben sich an anderer Stelle auf dem Epitaph – nach der Anordnung in der kopialen Überlieferung Inschrift A vermutlich ober-, die restlichen Inschriften unterhalb – befunden. Auch von dem ebenfalls aus der Kreuzherrenkirche stammenden Epitaph für Nikolaus Mattenclot und seine Frau sind nur jene Teile erhalten, die dem in der Verwaltung der vereinigten Herzogtümer tätigen Ehemann gewidmet sind, während die übrigen Inschriften und möglicherweise vorhandener figürlicher Schmuck bei der Räumung der Kreuzherrenkirche verloren gingen.4)

Conditur hoc saxo in B weist darauf hin, dass Gabriel Mattenclot (und auch seine Frau) in der Kirche in der an der Nordwand befindlichen Gruft der Familie Mattenclot5) beigesetzt worden ist (Nr. 96). Gabriel Mattenclot, geboren am 25. Dezember 1523, verstorben am 11. August 1593, stand seit der Mitte des 16. Jahrhunderts als Sekretär und Registrator in Diensten des Herzogs, dem er rund 40 Jahre gedient hat. Er war vorrangig für die Jülicher Angelegenheiten zuständig und auch als Archivar sowie Protonotar des Hofgerichts tätig.6) Mattenclot sammelte historische Daten und Fakten und verfasste eine „Rerum in Germania Praecipue Inferiore Gestarum Brevis Commemoratio“7), die knappe Aufzeichnungen vor allem zu den Jahren 1550 bis 1560 enthält. Aus der im Januar 15518) mit Anna Winkelhausen geschlossenen Ehe gingen die beiden Söhne Joachim, der seinen Eltern dies Epitaph errichten ließ, und Nikolaus hervor, die ebenfalls in der Kreuzherrenkirche ihre letzte Ruhestätte fanden (Nrn. 121 u. 142).9) Gabriel Mattenclot und seine Frau sind die Urgroßeltern des Johann Gottfried von Redinghoven,10) dessen Sammlung zur Genealogie und Geschichte des Niederrheins und seiner Nachbargebiete heute in der Bayerischen Staatsbibliothek München (Cgm 2213) aufbewahrt wird.

Der Setzungsvermerk lässt vermuten, dass das Epitaph erst in zeitlicher Nähe dem Tod der Anna am Ende des Jahres 1594 oder zu Beginn des Jahres 1595 angefertigt wurde.

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung durch hochgestelltes O.

Anmerkungen

  1. LAV NRW R, Reg. Düsseldorf, Nr. 3893, fol. 6r: „in columna prima versus portam principalem“. Auf der anderen Seite der Säule befand sich das Epitaph für Nikolaus Mattenclot, den Sohn des Gabriel, und Guda Neuenhausen (Nr. 121). Als drittes in der Kirche befindliches Epitaph wird in dieser Quelle jenes für Jakob Coppertz und Margarethe Steingens (Nr. 111) genannt.
  2. Die Angaben beziehen sich nur auf den Teil des Epitaphs, der die Inschriften B–D trägt. Die sieben Fragmente liegen korrekt geordnet und mit geringen Lücken zwischen den jeweiligen Bruchkanten auf dem Boden.
  3. Vgl. zur Schrifthierarchie in frühneuzeitlichen Inschriften insgesamt Drös, Schrifthierarchie; zur „optischen Unterscheidung verschiedener Inschriftentexte voneinander“ ebd., S. 96.
  4. Zur Profanierung und Räumung der Kreuzherrenkirche vgl. Kap. 2.1.2 der Einleitung.
  5. Vgl. zu dieser Familie das bei Schleicher, Slg. Oidtman, Bd. 10, S. 287–293, zusammengestellte Material. Die Sammlung Oidtman (vgl. ebd., S. 289–293) enthält auch Auszüge aus einem nicht näher bezeichneten Werk, dessen zuverlässige Angaben wiederum auf einer Stammtafel der Familie aus der Mitte des 17. Jh. beruhen. Zum Archiv der Familie Mattenclot vgl. Oediger, Hauptstaatsarchiv, Bd. 5, S. 117.
  6. Nach Kloosterhuis, Erasmusjünger, S. 410f., wird er „nach 1549 immer wieder als Sekretär genannt“. Bei v. Below, Landtagsakten, Bd. 1, S. 702 Anm. 1 und S. 716 Anm. 6, ist er für das Jahr 1557 belegt und begegnet ab 1570 durchgehend und häufig bis zum Jahr 1589, mit dem die Belowsche Ausgabe endet (vgl. ebd., Bd. 2, S. 982 die Registereinträge). Zu Mattenclot auch Schleicher, Slg. Oidtman, Bd. 10, S. 289f.; Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 2,2, S. 54 u. 153; Niederau/Poensgen, Gräfrath, Nrn. 436, 457 Anm., 467 Anm., 469 Anm.; Oediger, Hauptstaatsarchiv, Bd. 1, S. 132, sowie die Kurzbiographie bei Kloosterhuis, Erasmusjünger, S. 626, Nr. 133. Zu den Aufgaben der Sekretäre und Registratoren vgl. Schleidgen, Kanzleiwesen, S. 106f., der G. Mattenclot für die Jahre 1577–1588 aufführt.
  7. LAV NRW R, Hss M I 1, foll. 281–302; vgl. Oediger, Hauptstaatsarchiv, Bd. 5, S. 332; ed. in: Lacomblet, Archiv 5, S. 222–243.
  8. Das bei Schleicher, Slg. Oidtman, Bd. 10, S. 290, angegebene Datum 29. Januar 1551 differiert um einige Tage mit der Angabe in Inschrift F.
  9. Schleicher, Slg. Oidtman, Bd. 10, S. 290.
  10. Zu Redinghoven z. B. [Woldemar] Harleß, Art. Redinghoven, Johann Godfried von, in: ADB 27 (1888), S. 534–536; Schleicher, Slg. Oidtman, Bd. 12, S. 540–545.

Nachweise

  1. LAV NRW R, Reg. Düsseldorf, Nr. 3893, fol. 6r–v.

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 97(†) (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0009709.