Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 59† St. Lambertus 1564

Beschreibung

Epitaph für Johannes Monheim, Rektor des Düsseldorfer Gymnasiums. Monheim ist zwischen Schule und Kirche bei der westlichen Doppeltür unter dem Turm beigesetzt worden. Neben ihm wurde sein Nachfolger F. Fabricius bestattet.1) Über den Anbringungsort sowie Material und Gestaltung des Epitaphs ist nichts bekannt. Überliefert sind jedoch in den von Gabriel Mattenclot (1523–1593; Sekretär, Registrator und Archivar am Düsseldorfer Hof)2) verfassten Annalen3) der Setzungsvermerk (A), das Grabgedicht mit Grabbezeugung und Totenlob (B) sowie der Sterbevermerk (C).

Nach Mattenclot.

  1. A

    Virtute ac memoriae clarissimi viri m(agistri) Iohannis Monhemii scholae Dusseldorp(iensis) rectoris primi hoc epitaphium positum est

  1. B

    Doctrina illustris nulli pietate secundi4)Arida Monhemii claudit hic ossa5) lapisQui musas semper discendo docendo secutusPraefuit insigni dexteritate scholaeDusselides musae testes queisa)6) sacra ferebatPrimus bis moderans per duo lustra scholamHaec opibus ciues cumulauit mille deditqueDoctrina illustres et pietate virosMonhemii nomen qui diffudereb)7) per omnesTerras perque aulas templaque perquec) scholasSic semper nobis et fama et gloria viuetMonhemii pius at spiritus astra colet8)

  1. C

    Vixit annos non totos LV obiit V idus septembris a(nn)od) M D LXIIIIe)

Übersetzung:

Aus Tugend und zur Erinnerung an den hochberühmten Herrn Magister Johannes Monheim, den ersten Rektor der Düsseldorfer Schule, ist dieses Epitaph gesetzt worden. (A)

Die dürren Gebeine des an Gelehrsamkeit herausragenden, an Frömmigkeit niemandem nachstehenden Monheim verschließt dieser Stein. Er, der sich von den Musen stets beim Lernen und Lehren leiten ließ, stand der Schule mit außerordentlicher Gewandtheit vor. Die Düsseldorfer Musen (sind) Zeugen, denen er seine Opfergaben brachte, indem er als erster die Schule zweimal zwei Lustren lang leitete. Diese [d. i. diese Schule] überhäufte die Bürger mit Reichtum und brachte tausend an Bildung und Frömmigkeit hervorragende Männer hervor, die den Namen Monheims über alle Länder verbreiteten, sowohl an Herrscherhöfen und Gotteshäusern als auch in Schulen. So wird für uns immer sowohl Monheims Ruhm als auch Ehre lebendig bleiben, (sein) frommer Geist jedoch wird den Himmel bewohnen. (B)

Er lebte nicht ganz 55 Jahre. Er starb am fünften Tag vor den Iden des September im Jahr 1564. (C)

Versmaß: Elegische Distichen (B).

Datum: 9. September (C).

Kommentar

Johannes Monheim,9) geboren 1509 in Clausen bei (Wuppertal-)Barmen, hat in Münster die Lateinschule besucht, ab 1526 in Köln studiert10) und wurde 1529 zum Magister artium ernannt. Nachdem er zwischen 1532 und 1536 als Rektor der Essener Stiftsschule und im Anschluss daran als Rektor der Kölner Domschule tätig war, wurde er 1545 zum ersten Rektor des Düsseldorfer Gymnasiums ernannt. Das vermutlich auf Initiative des Kanzlers Gogreve durch Herzog Wilhelm V. den Reichen neugegründete, humanistisch ausgerichtete Düsseldorfer Gymnasium11) wurde neben der alten und mindestens seit 1392 durch das Düsseldorfer Stift und den Magistrat unterhaltenen Trivialschule am Stiftsplatz eingerichtet, weil die alte Lateinschule den veränderten Bildungsbedürfnissen nicht mehr gerecht wurde und vermehrt Beschwerden sowohl über die Schulmeister als auch ihre Methoden vorgebracht worden waren. Es erlebte unter der Leitung Monheims einen sehr raschen Aufschwung. Die Angaben über die Schülerzahlen liegen für die Jahre bis ca. 1565 bei 1800 bis 2000 Schülern, die nicht nur aus den Vereinigten Herzogtümern, sondern auch anderen Territorien nach Düsseldorf kamen und einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellten.12) Zudem wird zehn Jahre nach der Errichtung der Schule die erste Druckerei in Düsseldorf errichtet.13) Die Bedeutung der Schule für die Stadt und ihre Bürger wird in dem Grabgedicht ausdrücklich genannt. Zahlenmäßig fassen lässt sich die Bedeutung der Monheimschen Schule bei der Visitation von 1559/60 im Herzogtum Jülich, bei der bereits 15 Jahre nach Gründung der Schule 48 von 254 Geistlichen Düsseldorf als Studienort angaben.14)

Monheim hat bereits vor und dann während seiner Düsseldorfer Zeit zahlreiche Schriften für den Unterricht veröffentlicht, darunter eine griechische Grammatik und die Bearbeitung einer lateinischen Grammatik, eine Dialektik, eine Rhetorik und Bearbeitungen weiterer Lehrbücher, die sich häufig an Schriften des Erasmus anlehnten.15) Über den Unterricht und die Abläufe im Schulbetrieb geben die Schulprogramme Auskunft.16) Das in der Vorrede des Programms für das Gymnasium zum Jahr 1551 angegebene Ziel der Lehrtätigkeit, nämlich „Gottes Wort zu lehren, den Staat nach den Gesetzen zu leiten, die Menschheit zu schirmen“,17) entspricht den in Vers 10 des Grabgedichts genannten Tätigkeitsbereichen seiner Schüler.

Hatte Monheim, so Wisplinghoff, zu Beginn seiner Düsseldorfer Tätigkeit wohl noch „den reformkatholischen Anschauungen des Herzogs und seiner Berater nahegestanden“,18) vertrat er zunehmend protestantische Ideen.19) In dem daraus folgenden, heftigen, auch literarisch geführten Streit, in dem besonders die Kölner Jeuiten gegen Monheim vorgingen,20) verlor er jedoch nicht die Unterstützung des eine „liberale Kirchenpolitik“21) betreibenden Herzogs.22) Eine Entscheidung wurde im September 1564 hinfällig durch den Tod Monheims, der in der Zwischenzeit – vermutlich aufgrund der Ereignisse – erkrankt war. Das Grabgedicht enthält keine Hinweise auf diese konfessionellen Auseinandersetzungen. Seine Frömmigkeit wird mehrfach betont, hervorgehoben werden seine Leistungen in der Schule, für die Bürger von Düsseldorf und das Herzogtum.

Als Todestag wird in C der 9. September genannt. Die in der Literatur mehrfach anzutreffende Angabe, Monheim sei am 8. September 1564 verstorben,23) geht zurück auf eine entsprechende Angabe in einem Brief des herzoglichen Sekretärs Gerhard von Jülich.24)

Textkritischer Apparat

  1. Häkchen über e als Hinweis auf die Nebenform des Dativs Plural „quibus“.
  2. Häkchen über dem e als Hinweis auf die abgestumpfte Perfektform in der 3. Pers. Pl. Ind.
  3. perque] fehlt im Druck bei Lacomblet sowie allen weiteren Abdrucken, da sie den Wortlaut nach Lacomblet wiedergeben.
  4. Kürzung durch hochgestellten Endbuchstaben.
  5. Anmerkung am Rand (von derselben Hand): „1564 9 Septembris“.

Anmerkungen

  1. Der Ort der Bestattung wird erstmals bei der Angabe des Begräbnisplatzes für F. Fabricius von Schmitz, Fabricivs, S. 31, angegeben: „Scholam inter et Ecclesiam ad Valvas occidentales in porticu“. Schmitz bezieht sich dabei auf handschriftliche, in Privatbesitz befindliche „Vindiciae Antiquitatum Marcoduri“ (ebd., S. 57 Anm. 30). Alle jüngeren Autoren (vgl. z. B. Schumacher, Topographie, S. 88 Anm. 2) berufen sich auf Schmitz. Zu Fabricius vgl. Nr. 64.
  2. Vgl. zu ihm ausführlicher im Kommentar zu Nr. 97.
  3. LAV NRW R, Hss. M I 1, foll. 281–302; vgl. Oediger, Hauptstaatsarchiv, Bd. 5, S. 332; ed. in: Lacomblet, Archiv 5, S. 222–243.
  4. Zu der Wendung nulli pietate secundus Hex.-Lex. 3, S. 579f. Sie wird oftmals in Epitaphinschriften verwendet, so bereits in der von Alkuin verfassten Inschrift für das Epitaph Papst Hadrians (MGH, Poetae I, S. 113f., Sebastian Scholz, Karl der Große und das „Epitaphium Hadriani“. Ein Beitrag zum Gebetsgedenken der Karolinger, in: Das Frankfurter Konzil von 794. Kristallisationspunkt karolingischer Kultur. Akten zweier Symposien anlässlich der 1200-Jahrfeier der Stadt Frankfurt am Main, hg. von Rainer Berndt, Teil I: Politik und Kirche /Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 80/, Mainz 1997, S. 373–394, S. 380f. Anm. 23).
  5. Vgl. Ez 37,4: „Ossa arida audite verbum Domini.“
  6. Zu dieser Nebenform des Dativ Plural Kühner/Holzweissig, Grammatik, Bd. 1, S. 613, § 140,9.
  7. Zu der abgestumpften Perfektform in der 3. Pers. Pl. Ind. ebd., S. 670f., § 163,2.
  8. Zu der Junktur spiritus astra, auch in Verbindung mit einer Form von „colere“, Hex.-Lex. 5, S. 246f.
  9. Vgl. aus jüngerer Zeit zu Monheim Goeters, Monheim, S. 36f.; v. Looz-Corswarem, Gymnasium; Brzosa, Geschichte, S. 281ff.; Kloosterhuis, Erasmusjünger, S. 436 u. 442f.; sie verweisen alle, aber in unterschiedlichem Maße, auf die ältere Literatur.
  10. Matrikel Köln 2, Nr. 551,35.
  11. Zum Düsseldorfer Gymnasium vgl. v. Looz-Corswarem, Gymnasium; Brzosa, Geschichte, S. 280–284; beide mit Hinweisen auf die ältere Literatur. Überblicke über die Geschichte des Gymnasiums auch bei Masberg, Schulalltag, S. 25–106, u. Huckenberg, Düsseldorf, S. 141–191 (mit Abdr. einiger Schriftstücke). Zu den Initiatoren der Neugründung vgl. v. Looz-Corswarem, Gymnasium, S. 170–173, zu Gogreve bes. S. 171f. Zur humanistischen Ausrichtung zuletzt Szameitat, Konrad Heresbach, S. 151; Angaben zu Inhalten, Personal etc. bei Kniffler, Jesuiten-Gymnasium.
  12. Vgl. z. B. Willemsen, Geschichte, S. 242f.; Wisplinghoff, Mittelalter, S. 299f.; v. Looz-Corswarem, Gymnasium, S. 178f.
  13. V. Looz-Corswarem, Gymnasium, S. 179. Vgl. zu dem Zusammenhang zwischen dem Beginn der Tätigkeit von Druckern und dem Wirken des Gymnasiums auch Heinz Finger, Drucker und Druckerzeugnisse, in: Kat. Land im Mittelpunkt, S. 245–254, 251–253.
  14. V. Looz-Corswarem, Gymnasium, S. 180; vgl. dazu auch Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 2,2, S. 45* mit abweichenden, aber in der Tendenz vergleichbaren Zahlen.
  15. Vgl. dazu z. B. Willemsen, Geschichte, S. 235f.; Ackermann, Johannes Monheim, S. 434f.; v. Looz-Corswarem, Gymnasium, S. 174. Exemplare mehrerer Werke sind in der Universitätsbibliothek Düsseldorf vorhanden (ebd., S. 174 Anm. 33). Zu den in Düsseldorf gedruckten Werken Monheims vgl. Verzeichnis Düsseldorfer Drucke, Nrn. 18, 23 u. 24.
  16. Die Programme von 1545 und 1561 gedr. bei Willemsen, Geschichte, S. 313–325, Beil. 1 u. 2; das Lektionenverzeichnis von 1556 bei Kortüm, Nachricht, S. 46–50 u. Schmitz, Fabricivs, S. 36–38, Anm. 11; das Programm von 1551 bei Schmitz, Fabricivs, S. 38–44, Anm. 12 und in dt. Übersetzung bei Kniffler, Beiträge, S. 34–41.
  17. Nach der Übersetzung bei Kniffler, Beiträge, S. 34.
  18. Wisplinghoff, Mittelalter, S. 300.
  19. Vgl. dazu z. B. die leicht zugängliche Ausgabe der 1560 erschienenen 2. Auflage seines Katechismus: Johannes Monheim. Katechismus 1560. Faksimile-Ausgabe mit deutscher Übersetzung, hg. von Gesamtverband Evangelischer Kirchengemeinden in Düsseldorf, Köln/Bonn 1987. Dort sind nach Kloosterhuis, Erasmusjünger, S. 442, „starke protestantisch-calvinistische Anklänge“ zu erkennen. Detaillierter dazu Goeters, Monheim, S. 36.
  20. Zu diesem Streit, der auch in Zusammenhang mit Plänen zur Gründung der Universität in Duisburg stand, vgl. Friedrich Koldewey, Johannes Monheim und die Kölner. Der erste Streit zwischen Jesuitismus und Protestantismus. Eine kirchenhistorische Studie, Wolfenbüttel 1898, sowie die Angaben bei Willemsen, Geschichte, S. 243–253; in knapper Form bei v. Looz-Corswarem, Gymnasium, S. 184f.; Brzosa, Geschichte, S. 281f. Anm. 226; Szameitat, Konrad Heresbach, S. 364–366; zur versuchten Universitätsgründung insgesamt ebd., S. 358–370.
  21. V. Looz-Corswarem, Gymnasium, S. 184.
  22. Goeters, Monheim, S. 36, bezeichnet die Äußerungen des Herzogs dazu als „dilatorisch“.
  23. So z. B. Willemsen, Geschichte, S. 254, aber in Anm. 2 mit Hinweis auf die Angabe des Epitaphs; Kniffler, Beiträge, S. 41f.; v. Looz-Corswarem, Gymnasium, S. 185; beide Angaben bei Goeters, Monheim, S. 36.
  24. Schmitz, Fabricivs, S. 48 Anm. 19c.

Nachweise

  1. LAV NRW R, Hss. M I 1, foll. 297v–298r (Mattenclot); gedr. durch Lacomblet in Mattenclot, Rerum, S. 238f.
  2. Willemsen, Geschichte, S. 254 Anm. 2 (nach Druck bei Lacomblet).
  3. Masberg, Schulalltag, S. 82 (nach Willemsen).
  4. Huckenberg, Düsseldorf, S. 187 (nur freie Übersetzung nach Druck bei Lacomblet).
  5. Ackermann, Johannes Monheim, S. 450 (nach Druck bei Lacomblet) u. S. 443f. (dt. Übersetzung nach Huckenberg).
  6. Ackermann, Geschichte, S. 31 u. S. 490 Anm. 61 (nach Druck bei Lacomblet).

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 59† (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0005904.