Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 50 Kaiserswerth, St. Suitbertus 1524

Beschreibung

Kelch. Silber, vergoldet; getrieben, gegossen, graviert; Email. Auf dem sechspassigen Fuß mit Stehrand und durchbrochener Zarge sind in den Pässen abwechselnd plastische Figürchen (Pässe 1, 3 und 5) und gravierte Darstellungen (2, 4 und 6) ausgeführt. Sie zeigen den hl. Jakobus d. Ä. mit Buch und Pilgerstab, den hl. Augustinus im Bischofsornat und mit einem von Pfeilen durchbohrten Herzen in seiner Rechten,1) Anna Selbdritt mit je einer weiteren Person zu beiden Seiten, den hl. Petrus mit Buch und Schlüssel, den hl. Georg als Drachentöter und den hl. Paulus mit Buch und Schwert. In den Zwickeln jeweils aufgelegtes plastisches Maßwerk oder graviertes Rankenwerk; die gravierten Figuren in einer Rahmung aus verschiedenen Renaissancemotiven. Unter dem Figürchen des Jakobus verläuft am Rand des Passes ein graviertes Schriftband mit dem Stiftervermerk (A), unter dem der Anna ein Schriftband mit dem Stiftungsdatum (B). Über der als achtseitigem Zentralbau ausgeführten Schaftgalerie, wohl das Himmlische Jerusalem darstellend,2) ein sechskantiger Schaft mit durchbrochenem Nodus, dessen sechs emaillierte Rotuli auf dunklem Grund in Gold die Buchstaben des Nomen sacrum (C) zeigen. Über einem kleinen durchbrochenen Unterfang erhebt sich eine glatte Kuppa.

Maße: H. 23,5 cm; Dm. 11,8 cm (Kuppa); Bu. 0,5 cm (A), 0,35 cm (B), 0,6 cm (C).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften (Gerda Hellmer) [1/8]

  1. A

    ARNOLD(VS) · ZWOLL(ENSIS)a) · CORAT(VS)b)

  2. B

    ANNAc) · D(OMI)NId) · M · CCCCC · XXIIIIe)

  3. C

    I//H//E//S//V//S

Übersetzung:

Arnold von Zwolle, Kurat. (A)

Im Jahr des Herrn 1524. (B)

Kommentar

Als Worttrenner werden in A und B sechsstrahlige Sterne in Zeilenmitte verwendet. Charakteristische Merkmale der frühhumanistischen Kapitalis in beiden Inschriften sind A mit gebrochenem Mittel- und zu beiden Seiten überstehendem Deckbalken und retrogrades N mit gebrochenem Schrägschaft, in A offenes kapitales D, verschränktes W und Z mit schräggestellten Balken und spitzovales O. In B finden sich geschlossenes D und konisches M mit kurzem Mittelteil. B ist kleiner ausgeführt als A. Auch reichen die Buchstaben nicht so nah an die Ränder des gravierten Bandes heran. Der Schriftcharakter in A ist klarer und energischer. In C ist die ausgeprägte Gestaltung der Sporen hervorzuheben, die teilweise halbkreisförmig konkav ausgebuchtet sind. Bei H und V laufen jedoch – vermutlich aufgrund einer nicht sorgfältigen Ausführung – die Sporenenden zumeist am äußeren Ende wieder zusammen, so dass am Schaftende und bei H im ausgebuchteten Mittelbalken eine Art Ring entsteht. Die Schäfte von H und I sind mit Knoten verziert. Das E ist epsilonförmig ausgeführt.

Der „curatus“ war nach Janssen in einer Pfarrei „der tatsächliche Inhaber der Seelsorgepflicht (und Seelsorgegewalt)“.3) Arnold von Zwolle war demnach vermutlich derjenige Priester, der in der zur Stiftskirche gehörenden Kaiserswerther Pfarre4) den Gemeindemitgliedern die Sakramente spendete und die Aufgaben des Pfarrers wahrnahm. Ein Kurat bzw. Priester Arnold aus Zwolle ist in den Kaiserswerther Quellen bislang nicht nachgewiesen. Handelsbeziehungen zwischen Kaiserswerth und Zwolle sind nicht eindeutig belegt.5) Burghard vermutet allerdings, dass auch in Kaiserswerth, wie am Niederrhein häufig geschehen, Lehrer aus Deventer oder Zwolle verpflichtet wurden,6) kann diese Angabe jedoch nicht mit Nachweisen zu konkreten Personen belegen.

Dieser Kelch, der im Inventar von St. Suitbertus aus dem Jahr 1803 aufgelistet ist,7) weist aus kunsthistorischer Sicht einige selten auftretende Details auf. So verweist Braun darauf, dass das durchbrochene Rankenwerk an der Zarge nicht sehr häufig vorkommt;8) auch findet sich nach Braun unter den deutschen Kelchen nur eine geringe Anzahl mit einem Zwischenstück zwischen Schaft und Fuß,9) hier ein wieder verwendetes Architekturstück aus der Zeit um 1400.10) Bemerkenswert sind auch die Verwendung von plastischem wie graviertem Dekor und die Kombination von spätgotischen Formen (z. B. Maßwerk) mit Renaissanceformen (Baluster, Festons),11) zu denen auf verwandte Motive in Werken des Kölner Kupferstechers Jakob Binck hingewiesen wurde.12)

Textkritischer Apparat

  1. Kürzungsstrich über ligierten LL.
  2. Sic! Statt CVRAT(VS).
  3. Sic! ANNO Clemen, Fritz.
  4. ANNA · D(OMI)NI] ANNA.DT. Heppe, der übersetzt: „Anna, hat ihn geschenkt“.
  5. MCCCCCXXIII Clemen.

Anmerkungen

  1. Nach Clemen, KDM Düsseldorf, S. 138, der hl. Suitbert.
  2. Vgl. dazu Kat. Frommer Reichtum, S. 264f., Nr. 28 (K[arl] B[ernd] H[eppe]).
  3. Wilhelm Janssen, Das Erzbistum Köln im späten Mittelalter 1191–1515. Zweiter Teil (Geschichte des Erzbistums Köln, hg. von Norbert Trippen, Bd. 2,2), Köln 2003, S. 39.
  4. Vgl. zu dieser Pfarre und der Pfarrkirche Brzosa, Geschichte, S. 33–38.
  5. Burghard, Kaiserswerth, S. 237 Anm. 165.
  6. Ebd., S. 281 mit Anm. 49, verweist er in diesem Zusammenhang auf die Praxis rheinischer Städte im 15. Jahrhundert, Lehrer aus Deventer und Zwolle zu verpflichten.
  7. Redlich, Inventar, S. 203.
  8. Braun, Altargerät, S. 121.
  9. Ebd., S. 111f.
  10. Kat. Frommer Reichtum, S. 264f., Nr. 28 (K[arl] B[ernd] H[eppe]); nach Kat. Herbst des Mittelalters, S. 112, Nr. 221 „aus dem frühen 15. Jahrhundert“.
  11. Dazu Fritz, Gestochene Bilder, S. 112f.; vgl. auch Kat. Herbst des Mittelalters, S. 112, Nr. 221; Kat. Frommer Reichtum, S. 264f., Nr. 28 (K[arl] B[ernd] H[eppe]).
  12. S. dazu Kat. Herbst des Mittelalters, S. 112, Nr. 221. Zu Binck vgl. G. Pauli, Art. Binck, Jakob, in: Thieme/Becker 4, S. 36f.

Nachweise

  1. Clemen, KDM Düsseldorf, S. 138.
  2. Fritz, Gestochene Bilder, S. 489, Nr. 333 (A, B).
  3. Kat. Frommer Reichtum, S. 264f., Nr. 28 (K[arl] B[ernd] H[eppe]).

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 50 (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0005000.