Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 35† Benrath, St. Cäcilia 1500?

Beschreibung

Türsturz oder Steintafel (?)1) im Chor. Die Bauinschrift war eingehauen in einen „Stein, welcher oben der Chorthüre“ in der ältesten Benrather Kirche lag, und wurde 1821 beim Abbruch des Kirchenschiffes durch den damaligen Pfarrer Heubes entdeckt.2) Der Verbleib nach 1821 ist unbekannt.

Nach Binterim/Mooren. 3)

  1. Anno d(omi)ni MVa) indict(ione) IIIb) extructum est hoc edificium chori

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1005 in der 3. Indiktion ist dies Chorgebäude errichtet worden.

Kommentar

Pfarrer Heubes hat die Inschrift 1821 beim Abriss des Langhauses der ersten Benrather Kirche entdeckt und darüber in seiner Ansprache bei der Weihe der neuen Pfarrkirche am 1. September 1822 berichtet. Er hat den Träger zwar selbst gesehen, aber die Datierung sicher nicht korrekt gelesen.4) Ob die Angaben bei Binterim/Mooren noch auf persönlichem Augenschein beruhen, ist nicht gesichert, aber doch sehr wohl möglich, da Binterim zur Zeit des Abbruchs der Benrather Kirche Pfarrer an der nahe gelegenen Kirche in Bilk war.5) Die bei Binterim/Mooren vorgeschlagene Lesung entspricht anders als die Lesart bei Heubes den Datierungsgewohnheiten des 11. Jahrhunderts.6) Die für den ersten Sakralbau in Benrath gesicherten Fakten stehen der Datierung 1005 allerdings entgegen. Der Turm von St. Cäcilia, der nicht bereits 1821 beim Abbruch der ersten Kirche, sondern erst 1929 niedergelegt wurde, wird auf die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts datiert.7) Pfarrrechte sind für das Ende des 13. Jahrhunderts sicher belegt.8) Zudem bezieht sich die Bauinschrift nicht auf den gesamten Bau, sondern lediglich einen Bauteil. Unter den bei Funken zusammengestellten Bauinschriften im Gebiet des Erzbistums Köln finden sich für das 10. und 11 Jahrhundert jedoch nur Beispiele, die die Weihe des Gesamtbaus oder eines Altares bezeugen.9) Clemen, der die Lesung der Jahreszahl aufgrund des baugeschichtlichen Befundes bereits anzweifelte und einen Lesefehler vermutete, schlug MVc für 1500 vor.10) Dann wäre zwar die weitere Jahresangabe der Indiktion in einer Inschrift zu Beginn des 16. Jahrhunderts sehr ungewöhnlich;11) die Angabe der 3. Indiktion ist aber für das Jahr 1500 ebenso wie für 1005 zutreffend. Der von Clemen unterstellte Lesefehler könnte darauf beruhen, dass auf dem bis 1821 verdeckten Stein der Multiplikationsfaktor für die Angabe der Jahrhunderte, das hochgestellte c,12) nicht mehr erhalten war. Durchaus möglich ist aber auch, dass Pfarrer Heubes, so wie nur zwei Jahre später auch der Hammer Pfarrer Krings, Probleme mit der Lesbarkeit der Schrift, vermutlich einer gotischen Minuskel, gehabt hat.13) In gotischer Minuskel ausgeführt, ist eine Verlesung von mvc ind. iii zu mv und. xxi zumindest nachvollziehbar.14) Die Angabe der Indiktion lässt sich vielleicht mit der Orientierung an anderen, seinerzeit bekannten, älteren Weiheinschriften erklären. Nachrichten über eine Bautätigkeit an der Benrather Kirche liegen allerdings für die Jahre um 1500 nicht vor.

Die Angabe der 3. Indiktion würde auch für das Jahr 1200 zutreffen. Allerdings erscheint eine Verlesung einer im Jahr 1200 zeittypisch in Majuskeln ausgeführten Jahreszahl zu MV sehr viel unwahrscheinlicher als der bereits von Clemen angenommene Lesefehler.

Mit aller gebotenen Vorsicht bietet daher der von Clemen geäußerte Vorschlag am ehesten eine schlüssige Erklärung für die problematische Lesung dieser Inschrift.

Textkritischer Apparat

  1. MV] MVc Clemen.
  2. indict(ione) III] und. XXI. Heubes.

Anmerkungen

  1. Brzosa, Geschichte, S. 122, bezeichnet den Träger als „Schlussstein“.
  2. Heubes, Rede, S. 18, das Zitat ebd.; die selbe Lage ist auch angegeben bei Binterim/Mooren, Erzdiözese, S. 222, Nr. 47.
  3. Zu der Entscheidung, nicht nach Heubes, sondern Binterim/Mooren zu edieren, s. Kommentar.
  4. S. die Angabe im textkritischen Apparat. Heubes, Rede, S. 19, übersetzte: „Im Jahr des Herrn Tausend Fünf, den 21sten des elften Monates ist dies Chorgebäude errichtet worden.“ Somit ist nach Heubes die Kirche am Vorabend des Festes der hl. Cäcilia geweiht worden, für ihn eine Bestätigung des Benrather Cäcilienpatroziniums.
  5. Die Angaben bei Binterim/Mooren erschienen 1828, also wenige Jahre nach dem Abbruch der Benrather Kirche, im Druck. Zu Binterim vgl. Robert Haaß, Art. Binterim, Anton Josef, in: NDB 2 (1955), S. 249f.; Friedrich Wilhelm Bautz, Art. Binterim, Anton Joseph, in: BBKL 1 (1975), Sp. 598f.
  6. Vgl. dazu auch die Jahresangaben in den Weihevermerken Nrn. 1, 3, 4 und 6. sowie Glaser/Bornschlegel, Datierungen, S. 536f.
  7. Kubach/Verbeek, Baukunst, Bd. 1, S. 83.
  8. Zur Geschichte von Pfarre und Kirche in Benrath vgl. Brzosa, Geschichte, S. 118–122.
  9. Funken, Bauinschriften, S. 70–108, Nrn. 1–14.
  10. Clemen, KDM Düsseldorf, S. 83.
  11. Glaser/Bornschlegel, Datierungen, S. 536f., haben in ihren Untersuchungen unter ca. 4000 Inschriften kein Beispiel für das 14. und 15. Jahrhundert gefunden.
  12. Vgl. zu dieser Schreibweise ebd., S. 532, zu vc z. B. Poettgen, 700 Jahre, S. 28 u. 73.
  13. Zu Pfarrer Krings und seinen Angaben vgl. Nrn. 30 und 45.
  14. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in der gotischen Minuskel das x mit einem senkrecht gestellten Linksschrägschaft und einem zu einem kurzen Mittelbalken reduzierten Rechtsschrägschaft ausgeführt sein kann, sodass schon eine Unregelmäßigkeit auf dem Stein zu einer falschen Lesung hätte führen können.

Nachweise

  1. Binterim/Mooren, Erzdiözese, S. 222, Nr. 47.
  2. Heubes, Rede, S. 18.
  3. Strauven, Historische Nachrichten über Benrath, in: ZBGV 10 (1874), S. 49–75, S. 71 (nach Binterim/Mooren).
  4. Clemen, KDM Düsseldorf, S. 83 (nach Binterim/Mooren).
  5. Binterim/Mooren, Erzdiöcese Mittelalter, S. 280f., Nr. 46.
  6. Brzosa, Geschichte, S. 121f. (nach Heubes).
  7. Ulrich Brzosa, Wilhelm Sültenfuß und der Düsseldorfer Kirchenbau, in: Kalkum. Historische Reihe, Bd. 2, hg. vom Kulturkreis Kalkum e. V., Kalkum 2008, S.151–168, S. 160 (nach Heubes).

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 35† (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0003506.