Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 29 St. Lambertus 1462

Beschreibung

Glocke. Bronze, Gewicht 280 kg, Schlagton c"±0.1) Dient als Uhrglocke. Die Glocke hängt, auch von außen sichtbar, im Turm.2) Die Glockenrede (Funktionsbezeichnung und Datum) verläuft unterhalb der flachen, mit Stegen verzierten Haube um die Schulter einzeilig umlaufend zwischen doppelten Stegen und innerhalb zweier dünner Linien. Darunter ein 40 mm hoher, nach unten offener Vierpassfries, auf der Flanke unterhalb des Frieses ein 6,5 cm hohes Relief, das eine auf einem Sockel stehende Figur mit Kind auf dem rechten Arm zeigt.3) Am Wolm fünf Stege, von denen der mittlere dicker ausgeführt ist, am Schlag drei Stege.

Maße: H. 62 cm (ohne Krone); Dm. 75,5 cm;4) Bu. 1,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien aus der gotischen Majuskel.

  1. · + · · Colligo p(at)ronosa) defe(n)so(r)es ope p(ro)nos · chr(ist)ifera(m)b) thom(am)c) la(m)bertu(m) apolinare(m) · Cu(m) suis certis co(m)p(at)ronis sociatis · anno · d(omi)ni · m · cccc · lxii ·

Übersetzung:

Ich führe die Patrone, die mit (ihrem) Beistand (uns) gewogenen Beschützer, die Christusträgerin, Thomas, Lambertus, Apollinaris, mit ihren wohlbekannten, gemeinschaftlichen Mitpatronen zusammen. Im Jahr des Herrn 1462.

Versmaß: Hexameter (V. 1–3; der erste Vers zweisilbig, die übrigen einsilbig leoninisch gereimt).

Kommentar

Als Kürzungszeichen werden ein Strich oder zwei Punkte über den Buchstaben verwendet; zwei übereinander liegende Kreise mit einem Punkt in der Mitte dienen zu Beginn der Inschrift und jeweils am Ende eines Verses als Verstrenner. Ein größerer Kreis, der die gesamte Höhe der Zeile ausfüllt, findet sich zu Beginn vor und hinter einem Tatzenkreuz; kleine Kreise in der Zeilenmitte dienen als Worttrenner in der Datierung. Die Schrift ist sorgfältig ausgeführt; alle Kleinbuchstaben sind typsich für die gotische Minuskel. Unter- und Oberlängen sind über die das Mittelband kennzeichnenden Linien gelegt. Bei den Anfangsbuchstaben der Wörter Colligo und Cu(m) werden Versalien der gotischen Majuskel verwendet.5)

Der Name des Gießers wird nicht genannt. J. Poettgen hat diese Glocke jedoch dem zuvor nicht als Gießer nachgewiesenen Art de Wilde von Venlo zugeschrieben.6) Er stützt sich dabei auf eine Zeugenaussage, die 1465 in einer Auseinandersetzung im niederländischen Beesel gemacht wurde und aus der hervorgeht, dass Art de Wilde sich einige Zeit zuvor um den Guss einer Glocke beworben und dazu eine schriftliche Bestätigung für eine von ihm geschaffene Glocke in Düsseldorf beigebracht habe.7) Zudem weist nach Poettgen die Glocke mit den doppelten, die Inschrift einfassenden Stegen und dem 40 mm hohen Fries Gestaltungsmerkmale auf, die bei Venloer Glocken üblich sind.8) Das Fehlen des Namens erklärt sich nach Poettgen zum einen durch die geringe Größe der Glocke, zum anderen durch die kunstvolle Gestaltung der Inschrift in Hexametern, die keinen Platz mehr für den Namen ließ. Für den Gießer Art de Wilde sind bislang keine weiteren Glocken belegt.9)

Die Bezeichnung Mariens als christifera, die hier aus metrischen Gründen verwendet wurde, ist vereinzelt seit dem 12. und 13., verbreiteter seit dem 15. Jahrhundert nachzuweisen.10) Die Inschrift nennt die Patrone, zu deren Ehre die Kirche am 13. Juli 1394 geweiht worden war, wobei die Gottesmutter sowie die hll. Thomas, Lambertus und Apollinaris namentlich genannt und mit den Worten cu(m) suis certis co(m)p(at)ronis sociatis wohl die 1394 ebenfalls als Patrone aufgeführten hll. Severin und Anno bezeichnet werden.11) Die Lesart von Clemen und Aders, die statt der Gottesmutter den hl. Christophorus angeben, ist weder durch den paläographischen Befund noch die Angaben zum Patrozinium gedeckt.

Textkritischer Apparat

  1. Kürzungszeichen nicht erkennbar.
  2. Buchstabenbestand: xpifera(m). Über dem Wort zwei nebeneinander stehende Punkte als Kürzungszeichen. CHRISTOFORUM Clemen, CHRISTOFERUM Aders.
  3. Über dem Wort zwei nebeneinander stehende Punkte als Kürzungszeichen.

Anmerkungen

  1. Glocken und Geläute, S. 316; https://thema.erzbistum-koeln.de/glockenbuch/glockenbuecher/06_glockenbuch_duesseldorf.pdf, S. 23 (Zugriff: 03.05.2020).
  2. Diese Glocke fehlt leider in einigen Auflistungen der Glocken von St. Lambertus. So wird sie nicht genannt bei Peters, Ausstattung, S. 153; Richartz, Glocken, S. 160; ders., Basilika, S. 28, und Kampmann, Kunstdenkmälerverzeichnis St. Lambertus, S. 45f. Der Hinweis bei Richartz, Glocken, S. 160, dass das ursprüngliche Gussjahr der Rosenkranzglocke (1. Hälfte 18. Jh., Gießer Christian Wilhelm Voigt, aus der Kreuzherrenkirche nach St. Lambertus gekommen) 1462 sei, und die gleichzeitige Nichterwähnung der Uhrglocke können zu der Annahme verleiten, es handele sich um nur eine Glocke. Schon aus Bayerle, Kirchen, S. 112 u. 115, geht jedoch eindeutig hervor, dass die Uhrglocke zu seiner Zeit (wie auch heute noch) in einem Turmfenster hing, die Rosenkranzglocke an anderer Stelle.
  3. Vgl. die Durchreibungen in HAEK, Nachlass Schaeben, Nr. 1816, ohne Paginierung. Aders, Beiträge Glocken, Teil 2, S. 3, der angibt, auf der Glocke habe sich das Wappen der Stadt befunden, scheint sich somit geirrt zu haben.
  4. Zu weiteren Maßangaben vgl. Glocken und Geläute, S. 316; https://thema.erzbistum-koeln.de/glockenbuch/glockenbuecher/06_glockenbuch_duesseldorf.pdf, S. 23 (Zugriff: 03.05.2020).
  5. Vgl. auch HAEK, Nachlass Schaeben, Nr. 1816, ohne Paginierung.
  6. Für diese sowie die folgenden Angaben über den Gießer danke ich ganz herzlich Herrn Jörg Poettgen, Overath, der auch einen von ihm verfassten, bislang unveröffentlichten kurzen Artikel über Art de Wilde zur Verfügung stellte (Poettgen, Art. Art de Wilde). Zu Art oder auch Arnold de Wilde vgl. auch Jörg Poettgen, Diener zweier Herren. Die spätmittelalterliche Glockengießerwerkstatt in Venlo, in: AHVN 196 (1994), S. 31–62, 60 in der Stammtafel.
  7. Zu der Auseinandersetzung in Beesel vgl. Giesen, Klokken, S. 21.
  8. Der Fries ist jedoch nicht mit einem der bislang bekannten Venloer Friese identisch. So Poettgen in dem in Anm. 6 genannten, nicht veröffentlichten Artikel über Art de Wilde.
  9. Poettgen geht nicht von einer größeren Anzahl weiterer Glocken aus und vermutet, dass es sich bei eventuellen weiteren Glocken um kleinere Werke handelt. Vgl. ebd.
  10. Vgl. Analecta Hymnica 52, Nr. 136, S. 132 (12. Jh.); ebd. 14, Nr. 2006, S. 200; ebd. 14, Nr. 2007, S. 201 u. 203; ebd. 54, Nr. 201, S. 317 (alle 13. Jh.), u. ö.
  11. Vgl. zum Patrozinium seit 1394 Schleidgen, UB St. Lambertus, S. XII; Brzosa, Geschichte, S. 93.

Nachweise

  1. Bayerle, Kirchen, S. 112.
  2. Clemen, KDM Düsseldorf, S. 51.
  3. PfA St. Lambertus Düsseldorf-Altstadt, Akten 472, ohne Paginierung (Juni 1917).
  4. Aders, Beiträge Glocken, Teil 2, S. 3.
  5. HAEK, Nachlass Schaeben, Nr. 1816, ohne Paginierung (Durchreibung; insges. 3 Bll.).

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 29 (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0002903.