Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 26 Benrath, St. Cäcilia, Pfarrheim 1453

Beschreibung

Glocke des Gießers Hermann von Alfter. Bronze, Gewicht 800 kg, Schlagton fis’?.1) Die Glocke mit Glockenrede (A; Name, Widmung, Meisterinschrift und Datum) wurde 1929 beschädigt, hing aber noch bis 1938 im Turm und wurde dann durch eine neue Glocke ersetzt.2) 1942 abgeliefert3) und 1947 von Hamburg zurückgeführt, wurde sie am 4. Januar 1949 in Benrath von dem Glockensachverständigen Jakob Schaeben begutachtet, der einen hauchdünnen Riss von einer der Anschlagstellen ca. 60 cm bis in den Obersatz und eine „schlechte Innenharmonie“ feststellte, jedoch mit Nachdruck auf die kultur- und kunstgeschichtliche Bedeutung der Glocke hinwies.4) Bis 1989 im Pfarrgarten abgestellt, steht sie seitdem im Eingangsbereich des Pfarrheims, Paulistr. 3.

Unterhalb der flachen, mit drei Stegen verzierten Haube verläuft Inschrift A um die Schulter unter einem 2 cm hohen, nach unten offenen Vierpassfries; darunter sechs5) ca. 4 – 8 cm große Reliefs, von denen vier als Pilgerzeichen identifiziert werden können, ein weiteres als eine Kombination aus einem Pilgerzeichen und einem Wappen. Zwei dieser Pilgerzeichen tragen eine Beischrift bzw. Umschrift; die des Zeichens von St. Quirin in Neuss (B) ist noch lesbar, die des Pilgerzeichens von Maria Einsiedeln, das die sog. Engelweihe darstellt, nicht.6) Unter den übrigen sind zweifelsfrei die Pilgerzeichen des hl. Leonhard in Gustorf und des hl. Servatius in Maastricht zu erkennen. Bei dem fünften Pilgerzeichen handelt es sich um ein Pilgerzeichen von St. Peter in Rom, das zwei gekreuzte, aufrechte Schlüssel zeigt, über denen die päpstliche Tiara schwebt. Darunter ist das ältere Wappen der Stadt Köln gesetzt. Das sechste Relief zeigt wohl den Abguss dreier kleiner Münzen (?). Wolm und Schlagring sind mit jeweils drei Stegen versehen. Krone aus sechs schlichten Bügeln.

Maße: H. 115,5 cm (ohne Krone); Dm. 110 cm; Bu. 2,2 cm (A), 0,4 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal aus der gotischen Majuskel.

  1. A

    + ceciliaa) heis · ich · in · de · ere · goitz · lvid · ich + meister · herman · van · alfter · govsb) · michc) + Anno · d(omini)d) · m · cccc · liii · in · vigilia accumpcio[n]ise) marie

  1. B

    s(anctvs)d) qvirinvs

Versmaß: Deutsche Reimverse (A, Zeilen 1–3).

Wappen:
Stadt Köln7)

Kommentar

Die Worttrennung erfolgt durch Rauten auf der Zeilenmitte; den Beginn der einzelnen Inschriftenteile kennzeichnet ein Kreuz, dessen Enden als Kleeblätter gestaltet sind. Als Versal verwendete der Gießer ein pseudounziales A aus der gotischen Majuskel. Die Minuskel ist nicht sehr sorgfältig ausgeführt. So stehen bei m die Schäfte nicht exakt auf derselben Höhe und bei meister ist der Mittelschaft des m unten länger als die seitlichen Schäfte. Dass einige Brechungen, z. B. bei a und n, rund geraten sind, geht wohl auf Probleme beim Guss zurück. Bei r hat die Fahne einen unten angesetztem Zierstrich, bei e ist der Balken zu einem Schrägstrich reduziert, bei dem doppelstöckigen a der linke Teil des oberen Bogens in einigen Fällen ebenfalls zu einem Schrägstrich reduziert. Der Bogen des h ist etwas nach unten verlängert, v ist mit Oberlänge am linken Schaftende ausgeführt. Gut erkennbar sind die einzelnen Model, die beim Guss verwendet wurden.

20 bis 40 mm hohe Zierfriese ober- oder unterhalb der Inschriftenzeile finden sich seit den dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts, zuerst bei Werken von Kölner Gießern.8) Der Kölner Gießer Hermann von Alfter,9) aus dessen Werkstatt für den Zeitraum 1448–1481 15 Glocken10) nachgewiesen sind, verwendete regelmäßig den hier ausgeführten Zierfries mit Vierpass, der sich von den floralen Friesen seiner Vorgänger deutlich unterscheidet. Zudem weisen drei Viertel der von ihm erhaltenen Glocken Pilgerzeichen auf, unter denen er jene von St. Quirin in Neuß und St. Servatius in Maastricht am häufigsten verwendete.11)

Bei dem hier verwendeten Neusser Pilgerzeichen handelt es sich nach einem von Köster erstellten Katalog um den älteren Typ A 1b.12) Das Pilgerzeichen des hl. Leonhard begegnet außer auf dieser Glocke nur auf fünf weiteren Glocken aus der Zeit von 1453 bis 1524, die alle westlich der Linie Bonn – Köln – Düsseldorf eingeordnet werden können. Es ist das Zeichen einer lokalen Leonhardwallfahrt zum Kloster St. Leonhard in der Pfarre Gustorf, heute Stadt Grevenbroich. Die Inschrift auf der Standleiste ist in allen Abdrücken unleserlich.13) Während dieses und das Neusser Pilgerzeichen auch auf der ebenfalls durch Hermann von Alfter gegossenen Benrather Glocke von 1454 begegnen, wird das Pilgerzeichen von Einsiedeln14) auf der jüngeren Glocke durch das Zeichen von Kornelimünster ersetzt (vgl. Nr. 27). Das Pilgerzeichen des hl. Servatius entspricht dem Typus, der im 15. Jahrhundert auf zahlreichen Glocken begegnet und eine Büste des Heiligen, flankiert von zwei Engeln mit aufgestellten Flügeln, zeigt.15) Es ist jedoch nicht identisch mit dem Maastrichter Pilgerzeichen auf der jüngeren Benrather Glocke (vgl. Nr. 27). Das römische Pilgerzeichen mit gekreuzten Schlüsseln und Tiara wird seit einigen Jahren mit dem römischen Jubiläum im Jahr 1450 in Verbindung gebracht. Auf einer Glocke begegnet es erstmals im Jahr 1452.16) Allerdings ist auf der Benrather Glocke dort, wo eine durch die Schlüsselreiden gezogene Kordel die Schlüssel miteinander verbindet, ein Wappenschild eingefügt worden. Dieser zeigt die ältere, bis weit in das 15. Jahrhundert vorkommende Form des Kölner Stadtwappens mit drei Kronen im Schildhaupt, das untere (weiße) Feld hier mit Rankendamast.17) Abweichend ist jedoch auf der Glocke auch im oberen Feld oberhalb der Kronen noch Rankendamaszierung zu erkennen. In der ebenfalls auf der jüngeren Benrather Glocke anzutreffenden Kombination mit dem römischen Pilgerzeichen ist das Wappen bislang nicht nachgewiesen. Vermutlich hat Hermann von Alfter das Zeichen mit dem Kölner Wappen verbunden, weil es auf den Patron des Kölner Domes, den hl. Petrus, verweist; vielleicht haben auch die drei Kronen, die im Zeichen und auf dem Wappen zu sehen sind, ihn zusätzlich dazu veranlasst.

Das Formular der Inschrift NN heis ich, in de er godes luden ich, herman van alfter gos mich findet sich in unterschiedlichen Schreibweisen auf zahlreichen Glocken des Hermann von Alfter, so auch auf zwei weiteren Glocken für Düsseldorfer Kirchen, der jüngeren Benrather Glocke von 1454 (Nr. 27) und einer Glocke für Düsseldorf-Hamm von 1468 (Nr. 30), sowie einer Glocke, die sich heute im Privatbesitz auf Haus Oefte befindet.18) Der Doxologievers, den schon Vorgänger des Hermann sporadisch angewendet hatten, wurde bei ihm zum „Standardtext“, den auch seine Nachfolger beibehielten.19)

Benrath besaß mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen Ende des 13. Jahrhunderts eine Kirche mit Pfarrrechten. Der Kirchenbau, für den diese Glocke angeschafft wurde, ist 1821 abgerissen, ihr dreigeschossiger Westturm erst 1929 niedergelegt worden.20)

Textkritischer Apparat

  1. Als regina falsch verzeichnet in Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Glockenkartei, 14/3/95 C.
  2. gos Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Glockenkartei, 14/3/95 C.
  3. Zwischen mich und Anno ist ein Stück eines Rankenfrieses eingefügt.
  4. Kürzungszeichen fehlt.
  5. Sic! Kürzungszeichen fehlt.

Anmerkungen

  1. Glocken und Geläute, S. 298; https://thema.erzbistum-koeln.de/glockenbuch/glockenbuecher/06_glockenbuch_duesseldorf.pdf, S. 44 (Zugriff: 03.05.2020).
  2. Nach PfA St. Cäcilia Benrath, Pfarrchronik. Ein herzlicher Dank für diese Mitteilung gilt Herrn Josef Marx, Düsseldorf-Benrath.
  3. Kennziffer 14/3/95 C.
  4. HAEK, Nachlass Schaeben, Nr. 1457, fol. 1r–v, das Zitat fol. 1r. Er spricht sich für eine „gebrauchsfähige Wiederherstellung“ der Glocke aus. Schaeben hatte bereits in einem Gutachten vom 18. Oktober 1948 über die durch Schweißung erfolgte Reparatur bestimmter zersprungener Glocken auch diese Glocke von 1453 in eine Liste von auf diese Weise zu reparierenden Glocken aufgenommen. Bei den meisten in der Liste vermerkten Glocken – so bei der Hubbelrather Glocke von 1511 (Nr. 46) – erfolgte später der Eintrag „repariert“, nicht jedoch bei dieser Glocke (HAEK, Nachlass Schaeben, Nr. 1632, Bl. 2).
  5. Schaeben zählt in HAEK, Nachlass Schaeben, Nr. 1816, ohne Paginierung, u. ebd., Nr. 1457, fol. 1–2 jeweils nur vier Reliefs auf; er nennt die Münzen und das Neusser Pilgerzeichen nicht.
  6. HAEK, Nachlass Schaeben, Nr. 1457, fol. 2: „Das ganze Relief ist in einem zierlichen, umgekehrt spitzbogig überhöhten, mit Kreuzblume bekrönten Rahmen gefasst, der in gotischer Minuskel eine nicht zu entziffernde Umschrift trägt.“ Ein Foto einer Durchreibung des Pilgerzeichens von Maria Einsiedeln auf dieser Glocke in HAEK, Nachlass Schaeben, Nr. 1894. Vgl. zu diesem Pilgerzeichen Schaeben, Glocken, S. 9 mit S. 290 Abb. 7; ebd., S. 9 auch die Wiedergabe der Umschrift, wie sie auf anderen Abgüssen zu lesen ist: dis · ist · vnser / frowen · cabell / [zaich]en · von · [neisidelen] / die · wiett · got / selb · mit · [engell] ·“. Zu den Pilgerzeichen von Einsiedeln auch http://www.pilgerzeichen.de/indices/w_orte (Zugriff: 09.02.2015) unter Einsiedeln.
  7. Vgl. dazu im Kommentar.
  8. Vgl. Poettgen, 700 Jahre, S. 76f.
  9. Er gehörte zu einer Gruppe von sechs Kölner Gießern, die alle in den vierziger Jahren des 15. Jahrhunderts ihre Tätigkeit aufnahmen. Vgl. zu dieser „Jungen Garde“ ebd., S. 98.
  10. Vgl. den Kat. ebd., S. 107 mit 14 nachgewiesenen Glocken u. DI 81 (Essen), Nr. 76. Da die bei Poettgen noch mit dem Gussjahr 1484 angegebene Glocke für Düsseldorf-Hamm 1468 gegossen wurde (vgl. Nr. 30), verkürzt sich der Zeitraum seiner Tätigkeit auf 1481.
  11. Vgl. Poettgen, 700 Jahre, S. 107, Nr. 38 mit dem Katalog der für ihn nachgewiesenen Glocken; allgemein zu Pilgerzeichen auf Glocken ebd., S. 78–83; zu den hier angebrachten ebd., S. 80 (Neuss) u. S. 82 (Maastricht und Kornelimünster).
  12. Köster, Pilgerzeichen Neuss, S. 12, dort im Kat. zu A 1b unter Nr. 7. Nach http://www.pilgerzeichen.de/item/pz/668 (Zugriff: 09.02.2015) von Köster auch katalogisiert als „Neuss Typus I, Variante 5“. Eine Zusammenstellung der Neusser Pilgerzeichen auch bei Köster, Pilgerzeichen, S. 156 und unter http://www.pilgerzeichen.de/indices/motive (Zugriff: 09.02.2015) unter St. Quirinus.
  13. Das Pilgerzeichen der Benrather Glocke s. unter http://www.pilgerzeichen.de/item/pz/493; die weiteren bekannten Abzeichen der Gustorfer Wallfahrt http://www.pilgerzeichen.de/indices/motive unter St. Leonhard, Nrn. 1–5 (Zugriff: jeweils 09.02.2015). Vgl. Kurt Köster, Pilgerzeichen und Pilgermuscheln von mittelalterlichen Santiago-Straßen: St. Leonard, Rocamadour, St.Gilles, Santiago de Compostela. Schleswiger Funde und Gesamtüberlieferung (Ausgrabungen in Schleswig. Berichte und Studien 2), Neumünster 1983, S. 40f. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass Köster seine Angaben auf eine Glocke für St. Cäcilia in Benrath von 1453, die im Stadtmuseum Düsseldorf stehe, bezieht. Er scheint mithin die beiden für Benrath bekannten Glocken für nur eine zu halten, so dass sich die Anzahl der überlieferten Abzeichen auf sechs erhöht. Zum Kloster St. Leonhard, das 1587 aufgehoben und dem Nikolauskloster in Jüchen-Bedburdyck inkorporiert wurde, vgl. Wolfgang Rosen, Grevenbroich-Elfgen – St. Leonhard, in: Nordrheinisches Klosterbuch, Teil 2, S. 420–422.
  14. Vgl. zu weiteren Angaben oben Anm. 6.
  15. Eine Abbildung dieses Pilgerzeichens bei Poettgen, 700 Jahre, S. 82 u. unter http://www.pilgerzeichen.de/item/pz/1403; vgl. zu den Maastrichter Pilgerzeichen auch Köster, Pilgerzeichen, S. 154 und http://www.pilgerzeichen.de/indices/w_orte unter Maastricht (Zugriff: jeweils 09.02.2105).
  16. Für Hilfe bei der Bestimmung des Pilgerzeichens danke ich sehr herzlich Herrn Dr. Hartmut Kühne. Vgl. zu diesem Pilgerzeichen Carina Brumme, Mittelalterliche Zeugen der Wallfahrt in die Ewige Stadt – die römischen Pilgerzeichen, in: Rom sehen und sterben. Perspektiven auf die Ewige Stadt. Um 1500 – 2011 (Ausstellungskatalog Kunsthalle Erfurt 2011), hg. von Susanne Knorr, Ulrike Pennewitz und Kai Uwe Schierz, Bielefeld 2011, S. 49–55; Hartmut Kühne, Ein römisches Pilgerzeichen im Archiv der Stadt Mühlhausen, in: Mühlhauser Beiträge 34 (2011), S. 175–179.
  17. Vgl. zu dieser Form des Wappens Heiko Steuer, Das Wappen der Stadt Köln, Köln 1981, S. 24–30 u. 37f.
  18. DI 81 (Essen), Nr. 76.
  19. Vgl. Poettgen, 700 Jahre, S. 107 u. 120.
  20. Vgl. zur Geschichte der Benrather Pfarrkirche Brzosa, Geschichte, S. 118–122.

Nachweise

  1. Clemen, KDM Düsseldorf, S. 83.
  2. Walter, Glockenkunde, S. 246.
  3. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Glockenkartei, 14/3/95 C.
  4. HAEK, Nachlass Schaeben, Nr. 1816, ohne Paginierung (Durchreibung und Nachzeichnung eines Teiles der Inschrift sowie der Pilgerzeichen).
  5. Ebd., Nr. 1825 (Glockenverzeichnis), ohne Paginierung.
  6. Ebd., Nr. 1894 (Fotos von Durchreibungen).

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 26 (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0002607.