Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 24 Kaiserswerth, St. Suitbertus 4. V. 14. Jh.

Beschreibung

Kelch. Silber; getrieben, gegossen, vergoldet, graviert, punziert. Auf dem achtseitigen ausgerundeten Sternfuß mit einer mit Friesen dekorierten profilierten Zarge verläuft auf fünf Pässen umlaufend die Stifterinschrift mit der Aufforderung zum Gebet für den Verstorbenen, auf schraffiertem Grund in Kontur graviert und in der Mitte unterbrochen durch ein rundes Medaillon mit einem griechischen Kreuz. Am Hals des Fußes eine Manschette und ein punziertes Band, darüber ein achtseitiger Schaft mit Nodus mit rautenförmigen Rotuli und über einem kurzen Unterfang eine schlichte geradwandige Kuppa.

Maße: H. 17,2 cm; Dm. 10,5 cm (Kuppa); Bu. ca. 0,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften (Gerda Hellmer) [1/3]

  1. orate p/ro wilhelmo de / iis//hema) / decano quondam / hui(us) ecclesie

Übersetzung:

Betet für Wilhelm von Issum, vormals Dechant dieser Kirche.

Kommentar

Durch die Ausführung vor schraffiertem Hintergrund wirkt die Schrift erhaben.

Bei t ist am rechten, sehr breit ausgeführten Balkenende ein Zierstrich angesetzt. Bei r ist die Fahne als Quadrangel gestaltet. Der linke Teil des gebrochenen oberen Bogens beim doppelstöckigen a ist rund nach rechts gebogen. Der Balken des e wurde zu einem Schrägstrich reduziert; am Ende des abgeknickten oberen Bogenabschnittes ist dieser Schrägstrich nach rechts oben ausgezogen. Offenbar hatte der Goldschmied Schwierigkeiten, die Minuskel als Vierlinienschrift in das schmale Schriftband einzufügen. Die ersten Buchstaben sind sogar in voller Höhe ausgeführt; im weiteren Textverlauf schwankt die Buchstabenhöhe. Die Oberlängen reichen wenig oder nicht über das Mittelband hinaus, doch wurden die Buchstaben, die auf solche mit Oberlängen folgen, mehrfach etwas kleiner ausgeführt, so dass ein scheinbares Herausragen bewirkt wird. Buchstaben mit Unterlängen (p, q) sind höher gestellt. Erkennbar sind die Probleme, die Grundlinie zu halten. Auffällig sind die Wortabstände bei den ersten drei Wörtern. So ist der Abstand zwischen o und rate relativ groß, zwischen pro und wilhelmo aber gar nicht vorhanden. Dies lässt in Verbindung mit dem deutlich größeren Abstand der Buchstaben im letzten Feld auf Unsicherheiten bei der Einteilung des zur Verfügung stehenden Platzes schließen. Dazu passt auch, dass im ersten und im letzten der fünf Pässe, über die sich die Inschrift erstreckt, die Breite des Passes unterschiedlich genutzt wird.

Eine Folge dieser Schwierigkeiten sind Probleme bei der Lesung des Namens. Bislang wurde der Familienname als „Uchem“ und „nehem“ gelesen. Der Vergleich mit den entsprechenden Buchstabenformen in der Inschrift belegt jedoch, dass es sich bei dem „U“ bzw. „n“ aufgrund der Gestaltung der Schaftenden beim zweiten Schaft um zwei i, bei dem „C“ bzw. „e“ aufgrund des im oberen Teil des Schaftes angesetzten, nach links führenden Häkchens um ein Schaft-s handelt. Da in einem in den Kaiserswerther Akten befindlichen Verzeichnis der Pröpste und Dechanten ein „Wilhelmus de Isheim decanus frater Hermanni de Goch, vixit circa annum 1370“ aufgeführt wird,1) kann der genannte Dechant mit hoher Wahrscheinlichkeit als jener Wilhelm von Goch identifiziert werden, der sicher 1375 als Stiftsdechant nachweisbar ist.2) iishem für das im Kreis Kleve gelegene Issum begegnet in der Form „Yshem“, „Ysem“, „Yscheym“ mehrfach in den Kaiserswerther Urkunden.3)

Der Kelch ist mithin sehr wahrscheinlich um oder kurz nach 1375 entstanden. Gestützt wird diese Datierung durch weitere Inschriften in gotischer Minuskel vor schraffiertem Hintergrund, die sich im Essener Domschatz auf einem Reliquienostensorium von 13854) und einem Kelch aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts5) finden. Auf den Kelch ist ebenfalls ein griechisches Kreuz graviert. Eine Datierung in das vierte Viertel des 14. Jahrhunderts entspricht auch den aus kunsthistorischer Sicht vorgenommenen Angaben zur Entstehungszeit. So hat Fritz diesen sowie einige weitere Kelche mit Sternfuß aus dem Rhein- und Moselgebiet und Westfalen als einem Kelch aus Linz/Rhein ähnlich eingeordnet, der aus dem dritten Viertel des 14. Jahrhunderts und vermutlich aus Köln stammt.6) Die bei Fritz genannten Beispiele lassen die Herkunft des Kelches sowohl aus dem Rheinland als auch aus Westfalen möglich erscheinen. Heppe hat den Kelch auf „um 1400“ datiert; seine Angaben zu einer möglichen Herkunft aus Westfalen stützen sich jedoch auch auf die Lesung des Namens als „nehem“.7)

Textkritischer Apparat

  1. UCHEM Clemen; Uchem Redlich; nehem Kat. Frommer Reichtum.

Anmerkungen

  1. LAV NRW R, Stift Kaiserswerth, Akten 3a, fol. 34r.
  2. Kelleter, UB Kaiserswerth, Nr. 261; wohl auch identisch mit dem 1356 und 1366 genannten Dechanten Wilhelm (ebd., Nrn. 212, 214, 239). Ein „Wilhelmus decanus anno 1366“ ist ebenfalls in das Verzeichnis der Pröpste und Dechanten LAV NRW R, Stift Kaiserswerth, Akten 3a, fol. 33v aufgenommen worden. Zu Wilhelm von Goch vgl. auch Stick, Kollegiatstift, S. 45; Burghard, Kaiserswerth, S. 359. Die Nennung eines Scholasters Wilhelmus de Ishem in einem zweiten, alphabetisch nach Vornamen angelegten Verzeichnis und die Angabe, dieser sei am 15. Juli 1377 verstorben (LAV NRW R, Stift Kaiserswerth, Akten 4a, ohne Paginierung), beruhen vielleicht auf einer Verwechslung mit dem 1340 nachweisbaren Scholaster Theodericus de Isheym. Zu Theodericus vgl. Kelleter, UB Kaiserswerth, Nr. 176; Stick, Kollegiatstift, S. 49.
  3. Vgl. dazu die Einträge im Register bei Kelleter, UB Kaiserswerth, S. 629 u. 664.
  4. DI 81 (Essen), Nr. 59.
  5. Ebd., Nr. 62.
  6. Fritz, Goldschmiedekunst, S. 202, Nr. 126.
  7. Kat. Frommer Reichtum, S. 259, Nr. 15 (K[arl] B[ernd] H[eppe]); Kat. 800 Jahre Stadt Kaiserswerth, S. 30, Nr. 71. Lediglich Clemen, KDM Düsseldorf, S. 138, hat ihn erst auf das Ende des 15. Jahrhunderts datiert.

Nachweise

  1. Clemen, KDM Düsseldorf, S. 138.
  2. Redlich, Inventar, S. 203 Anm. 9.
  3. Kat. Frommer Reichtum, S. 259, Nr. 15 (K[arl] B[ernd] H[eppe]).

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 24 (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0002401.