Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 13 Gerresheim, St. Margareta 11.–12. Jh.

Beschreibung

Sogenannter Memorienstein1) für eine Osburg. Sandstein (?). Um 1236 im Inneren der Apsis im zweiten Joch der Nordseite auf der umlaufenden Sockelbank eingemauert. Der querrechteckige Stein mit flachem Rahmenprofil ist an der rechten Seite und der rechten Hälfte der unteren Kante abgebrochen; der Sterbevermerk ist einzeilig auf mittlerer Höhe eingehauen.

Maße: H. 29–34,5 cm; B. 82–91 cm; Bu. 3,4–4,6 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften (Kristine Weber) [1/2]

  1. X K(A)L(ENDAS)a) APR(ILIS) OB(IIT) OSBVRG

Übersetzung:

Am 10. Tag vor den Kalenden des April verstarb Osburg.

Datum: 23. März.

Kommentar

Die Inschrift ist nicht sehr sorgfältig gearbeitet. Die Buchstabenhöhe nimmt zum Ende der Zeile hin ab; die letzten Buchstaben des Namens stehen nicht mehr auf der gedachten Grundlinie. Bei einigen Buchstaben sind kleine Stellen nicht richtig eingehauen, so dass die Linie des entsprechenden Bogens bzw. Schaftes unterbrochen bzw. beinahe unterbrochen ist. Deutlich erkennbar ist dies z. B. an der Ansatzstelle des oberen Schrägschaftes bei K, den Bögen des B in OSBVRG sowie bei OB(IIT) im oberen Teil des Bogens von O und dem unteren Bogen von B. Die bei den beiden letztgenannten Buchstaben erkennbaren Schwellungen sind vielleicht auf Ausbrüche im Material zurückzuführen. Bei A ist der nach unten geknickte Mittelbalken als Haarstrich ausgeführt, das G ist eingerollt. K hat einen waagerecht nach rechts geführten und gebogenen unteren Schrägschaft, an dem der verkürzte obere Schrägschaft ansetzt. Die Cauda bei R setzt am Bogen an und ist in APR(ILIS) leicht gewölbt, in OSBVRG geschwungen. Lediglich der Schaft bei L, die Bogenenden bei S und das obere Bogenende bei G laufen in Serifen aus. Die Buchstaben zeigen somit eine deutliche Entfernung von den Formen einer idealisierten Kapitalis, sind in ihrer Grundform mit den nahezu kreisrunden O und G, dem fast quadratischen X und den übrigen, nicht gestreckten Formen jedoch noch nicht der Romanischen Majuskel zuzurechnen.

Auf dem Memorienstein ist der Sterbevermerk für eine Gerresheimer Kanonisse namens Osburg überliefert. Da dieser Name in den Gerresheimer Quellen bislang nicht nachgewiesen werden konnte, kann sich die Datierung nur auf den paläographischen Befund sowie einen Vergleich mit anderen erhaltenen Memoriensteinen stützen.

Der Stein gehört zu einer größeren Gruppe solcher Steine aus dem 10. – 12. Jahrhundert, die im Erzbistum Köln überliefert sind und die zuletzt Binding und Nisters-Weisbecker untersucht haben.2) Die Abmessungen dieser Steine sind deutlich geringer als die der zumeist körpergroßen Grabplatten. Bislang ist nicht eindeutig geklärt, ob sie als Gedenksteine ohne Bezug zur Grablege dem Totengedenken dienten oder, wie Binding vermutet, auf oder an der jeweiligen Grabstätte angebracht waren.3) Unabhängig vom Anbringungsort legt jedoch das Formular, das den Eintragungen in hochmittelalterlichen Nekrologien entspricht, nahe, dass, so Giersiepen, „auch sie der Sicherung des liturgischen Totengedenkens dienten“,4) eine Funktion, die sie – wie die bei einigen Steinen erfolgte Wiederverwendung als Baumaterial zeigt – aber kurze Zeit nach ihrer Entstehung verloren haben. Aufgrund der Befunde zu den in Bonn erhaltenen Steinen spricht sich Giersiepen dafür aus, dass die Bonner Steine zur Sicherung des Totengedenkens im Inneren der Kirche angebracht waren, auch wenn „nicht zweifelsfrei“ zu klären ist, „ob es sich … um Grab- oder um reine Gedenksteine handelt.“5)

Auch dieser sowie ein zweiter in Gerresheim erhaltener Memorienstein (Nr. 14) wurden wiederverwendet. Aufgrund der heutigen liegenden, für den Besucher der ehemaligen Stiftskirche nicht unmittelbar sichtbaren Anbringung scheint die Memorialfunktion zumindest eingeschränkt zu sein.6) Da beide Steine von den Säulenbasen des Chores überlagert werden, sind sie bei der Errichtung der staufischen Anlage um 1236 eingebaut worden.7) Sie unterscheiden sich in ihrer einfachen Gestaltung allerdings deutlich von den Bonner Steinen8) und entsprechen einer Gruppe von Platten mit einzeiliger Inschrift in unterschiedlicher Rahmung, die Nisters-Weisbecker zusammengestellt hat. Da Nisters-Weisbecker die Steine vom 7.–11. Jahrhundert berücksichtigt,9) finden sich dort die von Binding ins 12. Jahrhundert datierten Gerresheimer Träger nicht.

Der aufgrund der wenigen Buchstabenformen eingeschränkte paläographische Befund sowie Vergleiche mit weiteren Memoriensteinen machen eine Datierung in das späte 11. bis in das 12. Jahrhundert sehr wahrscheinlich.10) Vielleicht haben beide Gerresheimer Steine in einer nicht mehr vollständig zu klärenden Weise zu einem 1967 aufgefundenen Gräberfeld gehört, „das spätestens dem 11./12. Jh. angehören kann“.11)

Textkritischer Apparat

  1. Kürzungsstrich durch Schaft des L.

Anmerkungen

  1. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wird der Begriff „Memorienstein“ für solche Steine verwendet, deren Maße deutlich geringer sind als die der Grab- oder Sarkophagplatten und von denen eine große Zahl bereits bei hoch- und spätmittelalterlichen Neubauten von Kirchen wieder verwendet wurden. Vgl. dazu Nisters-Weisbecker, Grabsteine, S. 178.
  2. Binding, Grabsteine; Nisters-Weisbecker, Grabsteine.
  3. Vgl. zu der Diskussion über die Funktion der Steine die Angaben bei Giersiepen in DI 50 (Bonn), S. XXXIXXXIII.
  4. Ebd., S. XXXII.
  5. Ebd., S. XXXIII.
  6. Binding, Grabsteine, S. 60.
  7. Achter, Stiftskirche, S. 128.
  8. Auf diesen ist die Inschrift in die Umrisse eines lateinischen Kreuzes eingehauen; häufig sind die Ecken und Zwickel mit Ornamenten verziert. Vgl. dazu DI 50 (Bonn), S. XXXI.
  9. Nisters-Weisbecker, Grabsteine, S. 273–280.
  10. Binding, Grabsteine, S. 55, Nr. 26: 12. Jh.
  11. Heppe, Düsseldorf-Gerresheim, S. 12.

Nachweise

  1. Binding, Grabsteine, S. 55, Nr. 26.
  2. Achter, Stiftskirche, S. 128..
  3. Kampmann, Verzeichnis, S. 20.

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 13 (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0001306.