Inschriftenkatalog: Stadt Düsseldorf

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 89: Stadt Düsseldorf (2016)

Nr. 8 Kaiserswerth, Pfalz 1184

Beschreibung

Türsturz mit Bauinschrift. Trachyt. Vermutlich bei der Zerstörung der Pfalz im Jahr 1702 zerbrochen, ging die rechte Hälfte im 18. Jahrhundert verloren.1) Heute in der Ruine freistehend in der südlichen Fensternische der Westfront aufgestellt. Der Standort ist erstmals für das Ende des 16. Jahrhunderts belegt. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich „Extra illud hypocaustum supra ianuam istius introitus“.2) Die Buchstaben der dreizeiligen Inschrift sind dreieckig eingekerbt. Jede Zeile wird oben und unten durch eine einfache Linie begrenzt. An der linken Schmalseite ist von der ersten bis zur letzten Zeile ebenfalls eine einfache Linie zu erkennen. Das Feld für die Schrift wurde mithin auf dem Sturz abgegrenzt und ist vermutlich minimal eingetieft.3)

Ergänzungen nach Rheinbrohler Kopiar.

Maße: H. (48 cm); B. (143 cm);4) Bu. 6,1–7,3 cm.

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften (Gerda Hellmer) [1/2]

  1. ABa) · ANNO · D(OMI)NICE · INCARN[ATIONIS MCLXXXIIIIb)] / IVSTICIE · CVLTOR · MALEFAC[TI PROVIDVS VLTOR] / CESAR · ADORNANDA(M) · FREDER[ICVS CONDIDIT AVLAM]

Übersetzung:

Im Jahr 1184 nach der Menschwerdung unseres Herrn hat der Bewahrer der Gerechtigkeit (und) vorsorgende Rächer der Übeltat, Kaiser Friedrich, diesen (noch) auszustattenden Saal erbaut.

Versmaß: Hexameter (Zeilen 2 u. 3; der erste Vers zweisilbig, der zweite Vers einsilbig leoninisch gereimt).

Kommentar

Die sorgfältig gestaltete Schrift besitzt sehr große Ähnlichkeit mit der Schrift des anderen Türsturzes aus der Pfalz (Nr. 7, im Folgenden als Sturz 1 bezeichnet); die Buchstaben des vorliegenden Sturzes (im Folgenden als Sturz 2 bezeichnet) sind allerdings etwas kleiner und nicht ganz so schmal ausgeführt. Die freien Bogenenden und Schäfte laufen in Serifen aus; als Worttrenner dienen Punkte auf der Zeilenmitte. Die Schrift ist geprägt durch kapitale Formen, doch fehlen hier unziale Formen nicht vollständig, sondern es begegnet einmal das unziale D. Bei R finden sich runde Formen in der am Bogen ansetzenden geschwungenen Cauda mit einem nach außen umgebogenen Ende. R und B sind offen; das A ist leicht trapezförmig mit gelegentlich leicht nach links überstehendem Deckbalken oder spitz mit abgeflachten oberen Schaftenden ausgeführt. Der Mittelteil des M endet auf der Zeilenmitte; O ist oval ausgeführt. N findet sich zweimal mit eingezogenem Schrägschaft. Ligaturen kommen nur als Nexus litterarum von A und R sowie O und R vor. Der jeweils zwischen Hasten und Bogen entstehende Winkel ist gerundet.

Dieser paläographische Befund gibt keinen Anlass, an dem in der Inschrift genannten Datum zu zweifeln.5) Nicht gesichert ist lediglich, in welche Bauphase des Neubaus der Kaiserswerther Pfalz6) die Entstehung dieses Sturzes sowie des ebenfalls mit der Jahreszahl 1184 versehenen Sturzes 1 einzuordnen ist.

Die Inschrift selbst gestattet nur die Aussage, dass bei ihrer Anbringung ein auf Veranlassung des Kaisers errichtetes Bauglied in einem nicht genau zu ermittelnden Ausmaß, aber keinesfalls vollständig fertiggestellt war,7) da eine noch erforderliche Ausstattung genannt wird. Wie schon bei Sturz 1 lässt sich auch hier nicht klären, ob die Jahreszahl 1184 das Jahr der – noch nicht vollständigen – Fertigstellung des jeweiligen Baugliedes angibt oder aber möglicherweise – dann einige Jahre später (um 1190?)8) bei der Fertigstellung ausgeführt und rückdatiert – den Zeitpunkt des Baubeginns nennt.

Der Standort des Sturzes ist erst für das Ende des 16. Jahrhunderts belegt. Eine im Pfarrarchiv in Rheinbrohl aufbewahrte Handschrift enthält die von dem ehemaligen Kaiserswerther Kanoniker Robert Spee, ab ca. 1600 Pfarrer in Rheinbrohl, zu Beginn des 17. Jahrhunderts vorgenommene Eintragung, der Sturz habe sich „Extra illud hypocaustum supra ianuam istius introitus“9) befunden. Dem entspricht ein Eintrag in der Redinghovenschen Sammlung, nach dem er „supra ianuam aulae maioris“10) angebracht war. Die Lage dieses Raumes ist bislang nicht geklärt. Nach Clemen und anderen lag er direkt neben dem Eingang zur Burg.11) Nach den Ergebnissen von Biller, der 1998 erstmals das bis dahin in der Forschung wenig beachtete zweite Obergeschoss der Anlage rekonstruiert hat, erscheint es jedoch durchaus wahrscheinlich, dass sich diese Angaben auf den Eingang zum großen Saal im zweiten Stock der Kernburg beziehen.12) Die Nennung der noch auszustattenden AVLA in der Inschrift legt nahe, dass sich Sturz 2 auch ursprünglich über dem Eingang eines für die Pfalz zentralen Saales befunden hat und nicht nachträglich dorthin versetzt worden ist. Allerdings ist eine Deutung des Wortes „aula“ als pars pro toto für die Gesamtanlage13) nicht ausgeschlossen.

In Verbindung mit den Ergebnissen zu Sturz 1 bedeutet dies, dass ursprünglich beim Betreten der Kernburg der Blick auf Sturz 1 fiel, beim Betreten des großen Saales auf Sturz 2, und so dem Besucher nachdrücklich das Selbstverständnis und der Herrschaftsanspruch des Kaisers vor Augen geführt wurden.

Funken vermutet, dass es sich bei Sturz 2 „um die ursprüngliche Gründungsinschrift der Pfalz“14) handelt. Warum aber hätte man nur wenige Jahre später mit dem von ihm auf „um 1190“15) datierten Sturz 1 eine weitere Gründungsinschrift schaffen sollen?16) Hingegen bieten die Angaben zu den unterschiedlichen, repräsentativen Standorten eine überzeugende Erklärung für die Existenz zweier zeitgleicher Inschriften.

IVSTICIE CVLTOR am Beginn eines Hexameters ist als dichterisches Formelgut nachgewiesen, auch in Verbindung mit „pacis amator“,17) wie der Kaiser in der Inschrift auf Sturz 1 (Nr. 7) charakterisiert wird.

Über den Standort nach der Zerstörung der Anlage ist lediglich bekannt, dass sich Sturz 2 1894 in der Ruine, vermutlich bereits in einer der Fensternischen an der Westseite, befunden hat.18) Zur Geschichte der Pfalz und ihrer Zerstörung vgl. Nr. 7.

Die Inschrift zählt zum Bestand der drei ältesten profanen Bauinschriften des Rheinlandes, die alle an der Pfalz überliefert sind.19)

Textkritischer Apparat

  1. Fehlt bei Farragines Gelenii, Redinghoven, LAV NRW R, Hss. B XI 2.
  2. Ergänzung der Jahreszahl nach Farragines Gelenii; 1184 Rheinbrohler Kopiar.

Anmerkungen

  1. Hüpsch überliefert 1801 nur den Text des noch erhaltenen Teils. Zum Schicksal der Ruine im 18. Jh. vgl. Kommentar zu Nr. 7.
  2. PfA St. Suitbertus Rheinbrohl, im nicht paginierten Teil; gedr. bei Terwelp, Kaiserswerth, S. 130. Zu der Zuordnung zu einem der Räume in der Pfalz vgl. Kommentar.
  3. Am oberen, unteren und linken Rand ist stellenweise eine leicht profilierte Kante zu erkennen, die diesen Schluss nahelegt.
  4. Maße des erhaltenen Teils.
  5. Anders als bei Sturz 1 (Nr. 7) ist die Anfertigung der Inschrift in oder um das Jahr 1184 auch bislang nicht in Frage gestellt worden.
  6. Vgl. dazu die Angaben im Kommentar zu Nr. 7.
  7. Die Verwendung des Perfekts in CONDIDIT legt die Annahme einer Fertigstellung nahe. Anders jedoch Binding, Königspfalzen, S. 319f.: „Adauxit und condidit [s. Sturz 2, Anm. der Verf.] bezeugen eher den Baubeginn als den Bauabschluß.“
  8. Funken, Bauinschriften, Nr. 20, S. 127–130, 130, datiert sie auf „nach 1190“. Vgl. zu dem Zeitpunkt 1190 auch die Angaben über die Bedeutung Kaiserswerths für die Verwaltung des Reichsgutes am Niederrhein im Kommentar zu Nr. 7.
  9. PfA St. Suitbertus Rheinbrohl, Kopiar Kaiserswerth, im nicht paginierten Teil; gedr. bei Terwelp, Kaiserswerth, S. 130. Zu der Handschrift und Pfarrer Spee Kelleter, UB Kaiserswerth, S. XLIX, allerdings mit falschen Schlussfolgerungen, sowie S. 256 u. 557.
  10. BSBM, Cgm 2213 (Slg. Redinghoven), Bd. 31, fol. 539r.
  11. Clemen, Kaiserswerth. Sicherungsarbeiten, S. 44. Nach HAStK, Best. 1039 (Farragines Gelenii), Bd. 20, p. 540, befand der Sturz sich „initio supra gradibus“.
  12. Biller, Pfalz, S. 181 u. 188 Anm. 40.
  13. So zuletzt ebd., S. 181.
  14. Funken, Bauinschriften, S. 132.
  15. Ebd., S. 127 u. 130.
  16. Die ursprüngliche Gründungsinschrift wäre Sturz 2 auch dann, wenn die von Clemen und anderen vorgenommene Datierung von Sturz 1 in das 13. Jh., zu der der paläographische Befund keine stichhaltigen Anhaltspunkte bietet, zutreffend wäre. Vgl. dazu den Kommentar zu Nr. 7.
  17. Hex.-Lex. 3, S. 140f.
  18. Clemen, KDM Düsseldorf, S. 143f. gibt den genauen Standort nicht an, führt den Sturz aber unter den Steinen auf, die sich zu der Zeit „im Schlosshofe“ befanden. Die Angabe bei Funken, Bauinschriften, S. 131, er habe sich bis 1908 am Burgeingang befunden, ist vermutlich falsch.
  19. Vgl. dazu Kommentar zu Nr. 7.

Nachweise

  1. PfA St. Suitbertus Rheinbrohl, Kopiar Kaiserswerth, im nicht paginierten Teil.
  2. HAStK, Best. 1039 (Farragines Gelenii), Bd. 20, p. 540.
  3. BSBM, Cgm 2213 (Slg. Redinghoven), Bd. 17, fol. 96v; Bd. 18, fol. 350v (nach Farragines Gelenii), Bd. 31, fol. 539r.
  4. LAV NRW R, Hss. B XI 2, fol. 354r (Abschrift Slg. Redinghoven, Bd. 18).
  5. Hüpsch, Epigrammatographie, Bd. II, S. 14, Nr. 32 (mit fehlerhaften Lesungen).
  6. Lacomblet, Düsseldorf, S. 8.
  7. Terwelp, Kaiserswerth, S. 130 (nach Rheinbrohler Kopiar).
  8. Kraus, Inschriften 2, S. 289, Nr. 628,2 (nach Hüpsch).
  9. Clemen, KDM Düsseldorf, S. 144.
  10. v. Trostorff, Beiträge, Bd. 1, S. 10f.
  11. Clemen, Kaiserswerth. Untersuchung, S. 148.
  12. Clemen, Hohenstaufenpfalz, S. 68.
  13. Eschbach, Baugeschichte, S. 157.
  14. Kelleter, UB Kaiserswerth, S. XLVII.
  15. Clemen, Kaiserswerth. Sicherungsarbeiten, S. 45.
  16. Heck, Geschichte, S. 119.
  17. Delvos, Geschichte, S. 38.
  18. StA Düsseldorf, Nr. XXIII 1161 (Frechen), Bl. 133 (mit Nachzeichnung).
  19. Weber, Friedrich Barbarossa, S. 4.
  20. Funken, Bauinschriften, S. 131f., Nr. 21 (mit Nachzeichnung).
  21. Maes, Chronogramme und Inschriften, S. 124.
  22. Weber, Wasserburg, S. 54.
  23. Hotz, Pfalzen, S. 102f.
  24. Lorenz, Kaiserswerth, S. 64 Anm. 269.
  25. Ders., Kaiserswerth. Stauferzentrum, S. 112 Anm. 6.
  26. Biller, Pfalz, S. 188 Anm. 40.
  27. Senger, St. Suitbert, S. 27.
  28. Binding, Friedrich Barbarossa, S. 465.
  29. Zettler, Sinn, S. 50 Abb. 3b u. S. 51.
  30. RI IV,2,4 Nr. 2776 Anm.
  31. Funken, Ars Publica, Bd. 3, S. 1227.

Zitierhinweis:
DI 89, Stadt Düsseldorf, Nr. 8 (Ulrike Spengler-Reffgen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di089d008k0000809.